Formel 1 in Melbourne:Das Wissen des Testfahrers

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Dank eines Windkanals im Auto ist McLaren in dieser Saison besonders schnell - nun rüsten die anderen Formel-1-Teams nach, um ebenfalls von der neuen Technik zu profitieren.

René Hofmann

Das ging schnell. Als am Donnerstag der Rennstall Sauber in Melbourne die Autos auspackte, die er in den Großen Preis von Australien schicken will, fiel eine Neuerung sofort auf. Die Wagen, die der Spanier Pedro de la Rosa und der Japaner Kamui Kobayashi bewegen, schmückt jetzt eine Hutze auf dem linken Seitenkasten. Der zusätzliche Lufteinlass erinnert an den, den die Autos von McLaren bereits seit Saisonbeginn tragen und dürfte auch nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren (siehe nebenstehenden Kasten).

Durch den Windkanal im Auto wächst die Höchstgeschwindigkeit. Vor dem Saisonauftakt vor zwei Wochen in Bahrain hatten die Teams Red Bull und Renault gegen die Technik protestiert. Die Regelhüter des Automobilweltverbandes Fia aber ließen die McLaren-Fahrer Lewis Hamilton und Jenson Button mit dem Hilfsmittel fahren. Sie belegten die Plätze drei (Hamilton) und sieben (Button).

Der Testfahrer ahnt etwas

"Na, so viel bringt der Trick nun auch wieder nicht!", höhnten anschließend einige Gegner über die Neuerung. Die Nachrüstaktion bei Sauber entlarvt diese Gelassenheit nun aber als gespielt. Offenbar laufen überall die Kopiermaschinen, womit der Serie zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren eine teure Technik-Überholung droht. 2009 hatte der Rennstall BrawnGP die Idee, die Kraft, mit der die Hinterachse auf die Straße gedrückt wird, mit einem - zunächst umstrittenen - Doppeldiffusor zu erhöhen. Als das Teil für legal erklärt wurde, bauten es alle eilig nach.

Dass nun ausgerechnet der eher kleine Rennstall des Schweizers Peter Sauber am schnellsten geschaltet hat, ist kein Zufall. Das Team hat im Winter den Routinier Pedro de la Rosa als Fahrer engagiert. Der 39-Jährige gilt als Technik-Freak. Und: Er diente in den vergangenen Jahren McLaren als Testfahrer. "Ja, ich habe schon ein wenig gewusst, was McLaren da versuchen würde", zitiert das britische Fachmagazin Autosport de la Rosa, was die spannende Frage aufwirft, ob der Nachbau nicht vielleicht auf Spionage fußt. De la Rosa spielte auch schon in dem Verfahren eine Rolle, an dessen Ende das McLaren-Team vor drei Jahren zu einer Strafe von 100 Millionen Dollar verurteilt wurde, weil es bei Ferrari abgekupfert hatte.

Reger Informationsfluss

Die Frage, welche Informationen wie geflossen sind, ist aber nur eine von vielen, die der Technik-Krimi nach sich zieht. Eine andere betrifft die Sicherheit. Das Windspiel muss ausgeklügelt sein, damit es funktioniert. Die Zeitschrift Auto, Motor und Sport berichtet, McLaren habe zwei Jahre benötigt, um herauszufinden, wie viel Luft wann wohin gelenkt werden muss. Vieles hängt außerdem vom Fahrer ab, der den Luftstrom aktivieren muss. Lewis Hamilton und Jenson Button hatten vor der Saison 15 Testtage, um das zu üben. Weil Tests während der Saison aus Kostengründen seit einiger Zeit verboten sind, müssen de la Rosa, Kobayashi und wer auch immer demnächst noch nachrüstet, das unter Wettbewerbsbedingungen herausfinden.

Das ist eine äußerst bedenkliche Situation. Reißt der Luftstrom nämlich in einer schnellen Kurve ab, droht ein heftiger Abflug. Im Albert Park, in dem das Rennen in Australien stattfindet, gibt es einige solche Ecken. Dass der 23 Jahre alte Kobayashi erst drei Grand Prix bestritten hat, verschärft die Bedenken zudem. "Unser System ist ein Prototyp", versucht de la Rosa die zu zerstreuen, "wir müssen es jetzt erstmal testen und sicherstellen, dass es funktioniert. Dann werden wir entscheiden, ob wir es auch im Rennen einsetzen können."

Von der Fia getestet

Das Nachrüsten einer Röhre, die Luft durchs Cockpit führt, ist gar nicht so leicht, wie es klingt. Vor Beginn der Saison muss jedes Team die Kohlefaserhülle, an die später der Motor, die Räder und die vielen Flügel geschraubt werden, von der Fia testen lassen. Die Konstruktion muss diverse strenge Crashtests bestehen und darf danach nicht mehr geändert werden. Einfach mal schnell ein Loch ins Auto schneiden - das funktioniert also nicht. Aus diesem Grund dürfte es wohl auch bis zum Europaauftakt im Mai in Barcelona dauern, bis die Top-Teams Ferrari, Red Bull oder Mercedes mit der Neuerung aufwarten können.

Neu sind derlei Technik-Tricks in der Formel 1 allerdings nicht. Vor 32 Jahren schickte der Rennstall Brabham in Schweden Niki Lauda mit einem Auto los, über dessen Motor ein riesiger Ventilator montiert war. Offiziell sollte der für Kühlluft sorgen. In Wahrheit aber funktionierte das Windrad andersherum: Es saugte den Wagen an die Straße. Lauda gewann dank der Technik, die kurz darauf aus dem Verkehr genommen wurde, überlegen. Sein damaliger Teamchef war der heutige Formel-1-Impresario: Bernie Ecclestone.

© SZ vom 26.03.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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