Formel 1:Die Hoffnungen der Hinterherfahrer

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In der kommenden Saison ändert sich das Reglement, das hat auch Auswirkungen auf den Fahrermarkt: Die zweite Garde könnte aufholen.

René Hofmann

Für David Coulthard gab es zum Abschied ein Tretauto, einen Mini-Overall, feuerfeste Baby-Schuhe und eine kleine Kopie seines Helms. Außerdem wurde dem Schotten ein Testfahrervertrag in Aussicht gestellt - für seinen Sohn im Jahr 2030. Nach 15 Jahren und 246 Rennen beendet Coulthard senior seine Formel-1-Karriere im Alter von 37 Jahren. Demnächst wird er Vater. Für den Großen Preis von Brasilien an diesem Sonntag in São Paulo hatte er sich deshalb extra eine Kamera in den Helm bauen lassen. "Ich wollte unbedingt Aufzeichnungen aus dem Auto haben, um sie meinem Sohn später zeigen zu können", sagt Coulthard.

Nach der Saison ist vor der Saison - viele Formel-1-Teams planen schon sorgfältig die Zukunft. Große Personalrochaden sind aber nicht zu erwarten. (Foto: Foto: Reuters)

Am Ende einer jeden Saison rückt die nächste Generation ins Blickfeld. Der Kreisverkehr hält nie inne. Während der Meister dieses Jahres noch gesucht wurde, hatten die Vorbereitungen auf das kommende Jahr längst begonnen. In diesem Jahr setzte der Prozess noch früher ein als gewöhnlich. 2009 ändern sich die Aerodynamikregeln stark. Die profillosen Reifen kehren zurück. Die Bremsenergie-Gewinnung wird erlaubt. "Die Formel 1", sagt BMW-Pilot Robert Kubica, "wird dann eine ganz andere sein." "Die Autos werden komplett anders sein", prophezeit Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali, "wer den falschen Weg einschlägt, hat eine schwere Zeit vor sich." Die Privatiers von Williams haben deshalb schon vor der Hälfte der Saison den Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit auf 2009 verschoben. Noch früher war Honda dran. Die Hoffnung der Hinterherfahrer: Die Reglementsänderungen könnten sie nach vorne bringen.

Barrichello will bleiben

Die Neuerungen haben auch Einfluss auf den Fahrermarkt. Selten gab es in den Top-Teams so wenige Rochaden wie in diesem Jahr. Kimi Räikkönen und Felipe Massa sind bis Ende 2010 bei Ferrari fix. Heikki Kovalainen bleibt im kommenden Jahr bei McLaren Teamkollege von Lewis Hamilton. Robert Kubica und Nick Heidfeld dürfen weiter die BMW lenken. Bewährtes zählt. Weil die Testfahrten in den vergangenen Jahren sukzessive immer weiter eingeschränkt wurden, tun sich Neulinge zunehmend schwerer, Fuß zu fassen. Lewis Hamilton glückte zwar ein fulminantes erstes Jahr und auch Sebastian Vettel überzeugte schnell. Die Regel aber ist das nicht.

Das beste Beispiel dafür ist Nelson Piquet junior. Der 23 Jahre alte Brasilianer hat in seinem ersten Formel-1-Jahr als einziger alle Qualifikationsduelle gegen seinen Teamkollegen verloren. Der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso war samstags 18 Mal schneller. Kein Wunder, dass noch unklar ist, ob Piquet weiter für Renault starten darf. Die Entscheidung wird davon abhängen, ob Alonso bleibt. Zwei neue Chauffeure will derzeit kein Teamchef in seinen Autos sehen. Timo Glock und Jarno Trulli gelten bei Toyota als gesetzt, Williams baut weiter auf Nico Rosberg. Sebastian Vettel wird bei Red Bull die Lücke schließen, die David Coulthard neben Mark Webber hinterlässt. Adrian Sutil und Giancarlo Fisichella dürfen weiter die Wagen von Force India fahren.

Viele Plätze sind nicht mehr frei. Toro Rosso sucht noch einen Ersatz für Sebastian Vettel, und Honda-Teamchef Ross Brawn lässt Rubens Barrichello zappeln. Der einstige Ferrari-Helfer von Michael Schumacher ist zwar auch schon fast im Coulthard-Alter, möchte seine Karriere aber unbedingt noch fortsetzen. "Ich will nicht aufhören", sagte der 36-Jährige, der seit diesem Jahr als erfahrenster Formel-1-Pilot gilt. An 270 Rennen hat Barrichello teilgenommen. Das ist Rekord. "Ich verdiene noch mehr", sagt er: "Ich fahre besser als damals, als ich hinter Michael WM-Zweiter wurde." Im Jahr 2002 war das.

Drei Prozent Sieg-Quote

Im November will Honda in Barcelona einige Kandidaten zum Probefahren bitten. Unter anderen den 25 Jahre alten Bruno Senna, den Neffen des dreimaligen Champion Ayrton Senna. Neue Fahrer bringen den Teams häufig Impulse. Außerdem kann es lukrativ sein, ein Talent zu entdecken. Für Kimi Räikkönen strich das Schweizer Sauber-Team bei dessen Wechsel zu McLaren einst eine ordentliche Ablöse ein. Für die Ausbildung von Felipe Massa gab es im Gegenzug günstige Ferrari-Motoren. Wie so vieles in dem Geschäft ist auch die Fahrerfrage oft ein Abwägen zwischen Risiko und Ertrag. Barrichello wirbt für sich: "Wer im nächsten Jahr Rennen gewinnen will, braucht einen erfahrenen Mann mit meinen Qualitäten." Angesichts seiner Ausbeute ist das allerdings eine gewagte Behauptung. Barrichellos Sieg-Quote liegt bei drei Prozent.

© SZ vom 03.11.2008/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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