Formel 1:Die Formel-1-Saison war langweilig? Von wegen!

Formula One Grand Prix of Brazil

Wieder das Duell der Saison: Rosberg (links) und Hamilton

(Foto: Sebastiao Moreira/dpa)

Diese sieben Motorsport-Geschichten werden in Erinnerung bleiben.

Von René Hofmann

Die Formel 1 biegt auf die Zielgerade. Am Sonntag um 14 Uhr wird in Abu Dhabi das letzte Rennen der Saison 2015 gestartet. Auf den ersten Blick war es kein besonders spannendes Jahr. Nach dem 15. von 19 Grand Prix war das Rennen um die Konstrukteurs-WM bereits gelaufen und es stand fest, Mercedes verteidigte den Titel souverän. Einen Auftritt später wurde in Austin/Texas der alte Fahrer-Champion auch als neuer gekrönt: Lewis Hamilton. Dem 30 Jahre alten Briten glückten 2015 bisher zehn Triumphe. Ein beeindruckendes Solo, das so manches von Bedeutung überstrahlte, was sich sonst noch tat. Zum Finale: sieben Geschichten, die die Rennserie über das Wochenende hinaus beschäftigen werden.

Hamilton vs. Rosberg

Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg: Zweimal endete das Duell der beiden Mercedes-Fahrer inzwischen eindeutig, zu Ende aber ist es deshalb noch nicht. 2016 treten die beiden weiter für die Marke an - und damit auch gegeneinander. 2014 flogen zwischen ihnen die Fetzen, 2015 wurden die Attacken subtiler gesetzt; die Öffentlichkeit bekam weniger mit. Für die nächste Runde aber muss das wenig heißen. Mit zwei souveränen Siegen in Mexiko und in Brasilien setzte Rosberg unmittelbar nach Hamiltons Krönung ein Zeichen: Mit mir ist weiter zu rechnen! 2014 beendete der Deutsche mit einer Enttäuschung - wegen eines schlechten Starts und eines technischen Defektes blieb er im Saison-Showdown gegen Hamilton chancenlos. 2015 dagegen nimmt Rosberg viel Schwung mit ins neue Jahr.

Vettel bei Ferrari

Er kam, er sah - und es dauerte nicht lange, bis er auch siegte. Zweites Saisonrennen, Großer Preis von Malaysia, and the winner is: Sebastian Vettel, Ferrari! Seine ganze Karriere hindurch hatte der Heppenheimer ein Ziel: so schnell zu sein wie sein Vorbild Michael Schumacher. In diesem Jahr hat er endgültig bewiesen, dass er schneller ist. Ein Einstand wie dem inzwischen 28-Jährigen beim traditionsreichsten Rennstall überhaupt - das war noch nicht einmal dem am Ende siebenmaligen Weltmeister Schumacher geglückt. In Ungarn und in Singapur jubelte Vettel ebenfalls. Als roter Farbtupfer sprenkelte er auch in der Qualifikation regelmäßig die graue Mercedes-Monotonie an der Spitze. Das Comeback des Jahres? Der aggressiv gereckte Vettel-Zeigefinger. Der soll 2016 noch öfter zu sehen sein. Dann steht der Angriff auf den WM-Titel im Plan. Mit dem Finnen Kimi Räikkönen, inzwischen 36, als treuen Helfer an der Seite.

Bianchis Tod

2015 war das Jahr, in dem die erfreulichste Erfolgsserie der Formel 1 riss: 21 Jahre lang, seit dem Tod von Ayrton Senna am 1. Mai 1994 in Imola, war bei den Rennen kein Fahrer ums Leben gekommen. Am 17. Juli 2015 begann eine neue Zeitrechnung. An jenem Freitag erlag der Franzose Jules Bianchi den Verletzungen, die er im Vorjahr beim Japan-Grand-Prix in Suzuka erlitten hatte, als sein Marussia-Rennwagen unter einen Bergekran gerutscht war.

Zur Beerdigung des 25-Jährigen versammelten sich seine Rennfahrer-Kollegen in seiner Heimatstadt Nizza. Beim Großen Preis von Ungarn, der kurz darauf anstand, zeigten sich viele tief bewegt und nachdenklich. Für die meisten war es die erste unmittelbare Begegnung mit dem Tod am Arbeitsplatz. Diese soll nicht folgenlos bleiben. Erste Lehren aus Bianchis Unglück wurden bereits gezogen, das Safety Car kreist nun wesentlich häufiger. Weitere Lehren sollen folgen. Erwogen werden Cockpit-Kanzeln, um die Köpfe der Piloten besser zu schützen.

Red Bull, der Aufsteig der Kleinen und das Motoren-Dilemma

Red Bull

Vom Seriensieger zum schlechten Mittelmaß-Team: Der Absturz von Red Bull alleine ist nicht beispiellos, bemerkenswert ist er vor allem wegen der Reaktion der österreichischen Getränkefirma darauf. Ein zweites Jahr ohne Champagner-Dusch-Werbung für ihre Dosen wollte sie nicht hinnehmen. Also beklagte sie die Leistungsfähigkeit der Antriebe von Motorenlieferant Renault so lange öffentlich, bis die Franzosen sagten: Wisst ihr was, fahrt 2016 doch ohne uns!

Die Freude über den möglichen Neuanfang wich bei Red Bull dann aber schnell. Mercedes, Ferrari und Honda wollten zu den geforderten Bedingungen keine Motoren liefern. Mehr Anbieter gibt es nicht. Bleibt nur die Rückkehr zu Renault. Danach sieht es aktuell aus, was die Misere, die für die gesamte Formel 1 wegweisend sein könnte, aber kaum lösen dürfte. Verliert Dosen-Vater Dietrich Mateschitz die Lust an seinen zwei Teams (neben Red Bull gehört ihm auch Toro Rosso), fehlen bald vier Autos.

McLaren-Misere

Noch peinlicher als das Krisenmanagement von Red Bull - oh doch, auch das gab es: "Grundsteinlegung für zukünftige Dominanzen" - so war die Zeremonie überschrieben, bei der im Winter die McLaren-Rückkehrer Fernando Alonso und Honda präsentiert wurden. Mit dem zweimaligen Weltmeister und dem Motorenpartner, mit dem in den Achtzigerjahren eine Erfolgssträhne geglückt war, wollte das britische Traditionsteam wieder angreifen.

Dann aber das: zu wenig Power, so gut wie gar keine Zuverlässigkeit. Schon bei den Testfahrten krachte Alonso böse gegen eine Mauer. In den Rennen blieb der stolze Spanier chancenlos. In Japan platzte ihm der Kragen. Als er sicher sein konnte, dass ihm auch wirklich alle Honda-Vorstände zuhörten, schimpfte er mitten im Rennen am Funk, ihr Motor gehöre bestenfalls in Autos für Rennfahr-Anfänger. Weil Alonso auch 2016 mit dem Material losziehen muss, ist Spannung garantiert.

Aufstand der Kleinen

Sauber und Force India wollen es wissen. Die beiden Teams haben eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht, die auf das Herz des Geschäftes zielt: die Verteilung der Vermarktungserlöse. Bei dieser kommen die großen Rennställe aktuell tendenziell besser weg. Nicht alle Teams haben in Regelfragen auch die gleichen Mitspracherechte. Folgt die Kommission der Ansicht von Sauber und Force India, dass hier eine marktbeherrschende Position genutzt wird, um Konkurrenten klein zu halten, könnte eine ganz neue Zeit anbrechen.

Das Motoren-Dilemma

Weiter sechs Zylinder? Oder doch acht? Nur noch ein Hybrid-System? Oder doch weiter zwei? Um die Motoren, mit denen die Serie in die Zukunft fahren soll, wurde 2015 viel gestritten. Nun steht fest: 2016 ändert sich nichts. Spätestens 2018 aber sollen Aggregate zum Einsatz kommen, von denen bisher nur feststeht, dass sie billiger, einfacher und lauter sein sollen. Wie das gelingen soll? Jede Wette, dass der Streit weitergeht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: