Formcheck vor Australian Open:Die Väter müssen es richten

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Noch kein Sieg im Jahr 2015: Andrea Petkovic (Foto: AFP)
  • Das deutsche Tennis sehnt sich seit Jahren nach einem Grand-Slam-Sieg.
  • Die besten deutschen Profis vor den Australian Open im Formcheck.
  • Die komplette Auslosung für die Australian Open finden Sie hier.

Von Matthias Schmid

Es ist nicht genau überliefert, warum Mark Webber den Job als Chauffeur angenommen hat. Entweder wollte der ehemalige Formel-1-Pilot unbedingt mal das neue, schicke Modell (in knalligem rot) des schwäbischen Autobauers ausprobieren. Oder er entschied sich für den Nebenjob, damit er in Ruhe und alleine Maria Scharapowa durch die Gegend fahren durfte. Wahrscheinlich führte er beides im Schilde. In jedem Fall brachte Webber die russische Tennisspielerin am Wochenende sicher zum Training in den Melbourne Park, wo in den nächsten zwei Wochen die Australian Open ausgespielt werden.

Ob die deutschen Profis beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres auf dem Platz ähnlich Aufsehen erregen werden wie Scharapowa abseits davon, darf bezweifelt werden. Einzig Angelique Kerber befindet sich in einer Form, die sie dazu befähigen dürfte, noch in der zweiten Woche dabei zu sein. Die anderen kämpfen mit kleineren und größeren Problemen. Ein Formcheck, der deutschen Profis, die in der Weltrangliste unter den besten 30 der Welt stehen.

Angelique Kerber, Weltranglisten-9.: Es war genau 3.40 am frühen Morgen, als sich Angelique Kerber in dieser Woche mit ihrem Trainer Benjamin Ebrahimzadeh in Sydney für ein Foto vor eine große Stadionuhr stellte. Konnte sie nicht schlafen? Ein Straftraining? Oder verlangte ein Sponsor Überraschendes? Nichts von alldem, sie hatte wenige Minuten zuvor, also weit nach Mitternacht, erst ihr Achtelfinalmatch gewonnen. Am gleichen Tag musste sie wieder auf dem Platz - und gewann. Erst im Halbfinale schied sie gegen die Tschechin Karolina Pliskova (3:6, 2:6) aus.

"Der Akku war am Ende einfach leer. Aber die ganzen Umstände waren wieder mal eine neue Erfahrung. Man lernt nie aus", erzählte Kerber, als sie in Melbourne ankam. In der ersten Runde trifft die Linkshänderin auf die Weltranglisten-39. Irina-Camelia Begu (Rumänien). "Angie ist gut drauf. Ich glaube fest, dass sie eine gute Saison spielen wird", sagte Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner.

Wenn die Linkshänderin mutig spielt, mit Wucht und Raffinesse, und sich nicht hinter die Grundlinie zurückdrängen lässt, dann kann Kerber erstmals das Viertelfinale erreichen. In jedem Fall ist sie Rittners verlässlichste und konstanteste Größe. Die Kielerin erlebt wenig verstörende Erstrundenniederlagen auf der Tour, allerdings feierte sie auch keine großen Siege in der vergangenen Saison. Sie verlor alle vier Endspiele, die sie erreichte.

Der mehrmalige Grand-Slam-Sieger Mats Wilander traut ihr deswegen auch einen Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier nicht mehr zu. "Kerber und Petkovic haben nicht genug Biss gegen die Besten der Welt", glaubt der Schwede.

Andrea Petkovic, Weltranglisten-13.: Von einem Sieg bei einem der vier großen Majors ist Andrea Petkovic so weit entfernt wie der VfB Stuttgart von einem Triumph in der Champions League - sehr, sehr weit. Die 27-Jährige spielt in diesen Tagen phasenweise wie eine Hobbyspielerin, der plötzlich entfallen ist, wie eine Vorhand oder ein Rückhand-Slice gehen. Sie startete mit zwei Niederlagen in die Saison und wirkte dabei ziemlich verunsichert, ermattet, ohne Selbstvertrauen. "Wer Petko kennt, weiß, dass sie das nicht ruhiger macht", sagt Rittner.

Die Darmstädterin bekommt es in Melbourne in der ersten Runde mit der US-Amerikanerin Madison Brengle zu tun, eine unangenehme Spielerin, wie Rittner findet, eine "gefährliche erste Runde". Beim Vorbereitungsturnier in Hobart schaffte es die Weltranglisten-84. jedenfalls bis ins Finale. Es kann gut sein, dass das erste Match für Petkovic in ihrer Verfassung auch gleich wieder das letzte ist.

Dabei hatte sie sich in der vergangenen Saison wieder in die Weltspitze zurückgespielt, bei den French Open in Paris stand sie sogar im Halbfinale, sie gewann drei Turniere. Doch gegen Ende der Saison häuften sich die Niederlagen, einmal überwältigte sie die Emotionen während einer Pressekonferenz, sie weinte. Vor dem Fed-Cup-Finale trennte sie sich von ihrem Trainer Eric van Harpen. Die Gründe sind unbekannt, einige vermuten, dass etwas vorgefallen sein musste, etwas Dramatisches. Ihr Vater Zoran kümmert sich seit dem wieder zum seine Tochter, wie in den Anfangsjahren ihrer Karriere.

Sabine Lisicki, Weltranglisten-28.: Einen Turniersieg hat Sabine Lisicki in dieser jungen Saison schon erringen können. An der Seite von Martina Hingis gewann sie das Doppel-Turnier von Brisbane. Nur im Einzel will es nicht so richtig klappen für die Wimbledon-Finalistin von 2013. Sowohl in Brisbane als auch eine Woche später in Sydney verlor sie ihre Erstrundenbegegnungen. In Melbourne bekommt sie es in der ersten Runde mit der begabten Französin Kristina Mladenovic zu tun.

Mats Wilander hält viel von Lisicki, seiner Meinung nach hat sie die Kraft, um bei einem Grand-Slam-Turnier auch das Finale für sich entscheiden zu können, "jedoch ist ihr Spiel noch zu inkonstant". Diese Unbeständigkeit ist aber das einzig Beständige in ihrer Karriere.

Die 25-Jährige bringt alles mit, um ein Major gewinnen zu können, die Schläge, die mentale Stärke, das Selbstvertrauen. Doch irgendwie steht sie sich selbst im Weg und lässt sich nicht so gerne etwas sagen. Sie wechselt ihre Trainer fast so oft wie ihre Tennisschläger. Bei der Asientour im vergangenen Herbst arbeitete der ehemalige Davis-Cup-Sieger Marc-Kevin Goellner auf Probe mit ihr. Aus der Zusammenarbeit ist nichts geworden. Nach Australien begleitete sie nun wieder ihr Vater Richard. Ob er die richtigen Worte findet, damit seine Tochter ein paar Runden gewinnen kann?

Philipp Kohlschreiber, Weltranglisten-24.: Am Rande der Australian Open will auch Davis-Cup-Trainer Carsten Arriens endlich mit Philipp Kohlscheiber reden. In den vergangen Monaten haben sich hauptsächlich gegrüßt, viele Worte hatten sie dabei aber nicht verloren. Das wollen sie nun nachholen. "Ich habe Philipp nicht aus dem Team geworfen", bekannte Arriens mehrmals. In der ersten Runde im Davis Cup gegen Frankreich (6. bis 8. März) will er seine besten Spieler aufbieten.

Der beste ist nach wie vor Kohlschreiber, der sich seit ein paar Jahren unter den besten 30 der Welt hält. Zuletzt hatte Arriens ihn noch ignoriert, weil er sich im Viertelfinale gegen Spanien geweigert hatte, im letzten, bedeutungslosen Einzel antreten zu wollen. Die Spieler losten den Einsatz lieber aus.

Wie Kohlschreiber zurzeit Tennis spielt? Eher bescheiden. Er wartet in dieser Saison noch auf den ersten Sieg auf der Tour. In Melbourne trifft der 31-Jährige auf den Franzosen Paul-Henri Mathieu - eine machbare Aufgabe.

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