Finale Spanien - Litauen:Das Turnier seines Lebens

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Drin: Der Spanier Pau Gasol besorgt den Sieg im Halbfinale gegen Frankreich mit einem Slam Dunk. (Foto: Emmanuel Dunand/AFP)

Vor allem dank Pau Gasol hat Spanien gute Chancen auf die direkte Olympiateilnahme.

Von Joachim Mölter, Lille/München

So schlecht kann der Spanier Pau Gasol im Finale gar nicht mehr spielen, dass er seine Wahl zum "wertvollsten Spieler" der Basketball-EM noch verhindern könnte. Und selbst wenn er keinen Punkt erzielen sollte gegen Litauen am Sonntag (19 Uhr/live auf www.telekombasketball.de), ist ihm auch die Ehrung als Topscorer nicht mehr zu nehmen. Die individuellen Auszeichnungen hat sich Gasol spätestens am Donnerstagabend gesichert, beim 80:75 nach Verlängerung im Halbfinale gegen Frankreich. Da sorgte der 2,15 Meter große Center für die Hälfte aller Punkte seines Teams, also 40, dazu sammelte er elf Rebounds ein und blockte drei Würfe.

Es war eine Gala-Vorstellung gewesen in einer hoch aufgeladenen Begegnung. Bei der EM 2013 in Slowenien hatten die Franzosen den Titelverteidiger Spanien im Halbfinale entthront (und sich dann gegen Litauen das Championat geholt); bei der WM 2014 in Spanien hatten sie den Traum von Gasol & Co. von einem Heimsieg im Viertelfinale zerstört. Das neuerliche Duell, diesmal in Lille/Frankreich, war zur Revanche hochgejazzt worden. 26.922 Zuschauer wollten sie im Pierre-Mauroy-Stadion sehen, so viele waren in Europa noch nie bei einem Pflichtspiel.

Ohne Gasol hätte Spanien wohl nicht mal die Endrunde erreicht

"Es war hart für uns im letzten Jahr, im Viertelfinale zu verlieren", gab Pau Gasol zu, "aber es ging nicht darum, den Franzosen etwas heimzuzahlen." Die Spanier wollten gewinnen, um ihr EM-Ziel zu erreichen, die direkte Olympia-Qualifikation für Rio 2016; dafür war die Finalteilnahme nötig. Die vom viermaligen NBA-Champion Tony Parker (San Antonio) angeführten und mit fünf weiteren NBA-Profis bestückten Franzosen hatten freilich das gleiche Ziel. So entwickelte sich "ein unglaubliches Spiel, hart umkämpft von beiden Seiten", wie Pau Gasol resümierte: "Es war extrem schwierig, gerade hier in Frankreich, gegen ein großartiges Team. Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft." Das war typisch für den stets höflichen und bescheidenen Katalanen aus Barcelona. Denn seine Mannschaft hätte ohne ihn das Finale nicht erreicht.

Sie hätte wohl schon das Viertelfinale gegen Griechenland (73:71) nicht überstanden ohne seine 27 Punkte und neun Rebounds. Vermutlich nicht einmal die Vorrunde, als er in der entscheidenden Partie ums Weiterkommen gegen Deutschland (77:76) zwar nur auf 16 Punkte kam, dafür aber auch schon elf Rebounds und drei Blocks beisteuerte sowie sechs Assists - Vorlagen, die direkt zu einem Korberfolg führen. Als Gasol merkte, dass er sich schwer tat gegen die Deutschen, passte er den Ball eben weiter zu freistehenden Mitspielern. "Die Basis von allem ist, alles für die Mannschaft zu geben, damit sie gewinnt", sagt Pau Gasol. Er gibt tatsächlich alles, er hat Karriere-Bestmarken aufgestellt mit den 40 Punkten gegen Frankreich, den sechs Assists gegen Deutschland, den sechs verwandelten Dreiern gegen Polen im Achtelfinale (80:66). So viele Treffer aus der Distanz sind außergewöhnlich für Center; aber Gasol kann und macht auch das.

Der 35-Jährige geht bei diesem Turnier mit einer Leidenschaft ans Werk, als hätte er noch nie was gewonnen und als wäre es nun seine letzte Gelegenheit. Dabei hat er schon eine Menge erreicht: einen WM-Titel (2006), zwei EM-Trophäen (2009 und 2011) und zwei olympische Silbermedaillen (2008 und 2012) mit Spaniens Nationalteam, dazu zwei NBA-Meisterschaften mit den ruhmreichen Los Angeles Lakers (2009 und 2010). Er war schon zweimal Topscorer bei einer EM (2003 und 2009) und einmal auch MVP, "most valuable player" (2009).

Vier NBA-erfahrene Teamkollegen machen Pause - bleibt Gasol

Was treibt ihn noch an, dass er nun das Turnier seines Lebens spielt? Mit 35? Vermutlich die letzte Aussicht auf das Olympia-Gold, das ihm noch fehlt. "Diese Gruppe hat nicht den Überfluss an Talent wie die Teams, die wir in früheren Turnieren hatten", erklärt der seit einem Jahr bei den Chicago Bulls aktive Profi: "Deswegen müssen wir mit enormer Intensität, Disziplin und Konzentration spielen." Nach der frustrierenden Heim-WM haben sich in diesem Jahr vier spanische NBA-Profis eine Auszeit genommen (Gasols jüngerer Bruder Marc sowie José Calderon, Ricky Rubio und Serge Ibaka), dazu der Veteran Juan-Carlos Navarro vom FC Barcelona. Also musste Pau Gasol die Mannschaft allein durchs Turnier und zur Olympia-Qualifikation ziehen mit all seiner Erfahrung. Frankreich stellte ihm zwei junge, athletischere Center entgegen (Rudy Gobert und Joffrey Lauvergne, je 23), die wie er in der NBA spielen. Gasol hat sie recht alt aussehen lassen.

Nun bekommt er es im Finale mit einem weiteren NBA-Kollegen zu tun, Jonas Valanciunas, ebenfalls 23, dem Topscorer und Top-Rebounder der Litauer. Der Center der Toronto Raptors ist einer von nur drei Leuten im Kader, die ihr Geld außerhalb des baltischen Landes verdienen. Die Litauer haben wenig Prominenz zu bieten, aber kein anderes Team funktioniert so gut als Ensemble, ist so variabel. Im Viertelfinale zogen sie Italien mit ihrer Offensive davon (95:85 nach Verlängerung), im Halbfinale stoppten sie die bis dahin unbesiegten Serben (67:64) mit ihrer Defensive. "Wir sind nicht zufällig in dieses Finale geraten", warnt Mindaugas Kuzminskas, 25. Der 2,05-Meter-Mann ist mit seiner Vielseitigkeit ein Prototyp der traditionsreichen litauischen Basketball-Schule. Aber auch er wird Pau Gasol kaum aufhalten können, dem Prototypen von Spaniens goldener Generation, den "chicos d´oro".

© SZ vom 20.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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