Finale der Team-WM im Tischtennis:Gescheitert an der unbezwingbaren Macht

Lesezeit: 3 min

Zum dritten Mal binnen acht Jahren verlieren die deutschen Tischtennis-Männer ein WM-Finale. Bei der 0:3-Finalpleite in Dortmund sind erneut die alles dominierenden Chinesen zu stark. Dennoch kann die Mannschaft von Bundestrainer Jörg Roßkopf auf ein erfolgreiches Turnier zurückblicken.

Ulrich Hartmann, Dortmund

Zwanzig Meter hinter der Platte leuchtet der Silberpokal. Zwanzig Meter nur, aber es ist wie im Albtraum: Wie sehr man sich auch müht und rennt, man kommt nicht heran. So geht es den deutschen Tischtennis-Männern seit Jahren. Sie mühen sich und spielen am Limit, aber am Ende gehen die Chinesen einfach die zwanzig Meter hinüber und nehmen sich den Pokal. So war es auch am Sonntag. Zum dritten Mal binnen acht Jahren standen die Deutschen im Endspiel um den WM-Titel, zum dritten Mal verloren sie gegen China.

Den Sieger im Rücken: Deutschlands Timo Boll zeigt sich enttäuscht bei der Pleite im WM-Finale gegen China.  (Foto: dpa)

Die sieben klaren deutschen Siege im Laufe der vergangenen Woche, die Topform der Spieler, der Enthusiasmus von 11.000 Zuschauern in der Westfalenhalle - es hat alles nichts genutzt. China bleibt eine unbezwingbare Macht. Das ist nach der 0:3-Niederlage binnen gut zwei Stunden die bitterste Erkenntnis für die deutschen Männer. Und für die gesamte Tischtennis-Welt.

"Die Chinesen haben schon alles zeigen müssen", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf und wertete dies als Indiz für eine gute Leistung seiner Mannschaft: "Wir hatten in allen drei Spielen unsere kleinen Chancen, aber diese Chancen muss man nutzen, um die Chinesen zu besiegen." Dies sei eigentlich auch das einzige, womit man nicht zufrieden sein könne, fand Deutschlands Spitzenspieler Timo Boll, "dass wir diese paar Chancen nicht genutzt haben".

Dabei waren die deutschen Hoffnungen bei dieser Heim-Weltmeisterschaft so groß gewesen wie nie. "Ich denke, dass die Chinesen vor diesem Spiel nicht so gut geschlafen haben wie all die Jahre zuvor", hatte Boll vor dem Spiel vermutet, und davon schien im ersten Match auch tatsächlich etwas zu spüren zu sein. Boll bekam es mit Einzelweltmeister Zhang Jike zu tun. Bei der Einzel-WM 2011 in Rotterdam hatte Boll im Halbfinale gegen ihn 1:4 verloren.

Diesmal wurde es spannend. Boll verlor die ersten beiden Sätze, gewann die nächsten beiden und musste aber, als die große Chance zum Sieg gekommen war, den fünften Durchgang 6:11 verloren geben. Immerhin: Es war eng. "Die Chinesen waren sehr nervös", will Roßkopf bemerkt haben.

"Das Erreichen des Endspiels ist uns diesmal nicht genug", hatte Dimitrij Ovtcharov vor dem Finale gesagt. Der gebürtige Ukrainer bekam es im zweiten Einzel mit dem Weltranglisten-Ersten Ma Long zu tun. Ovtcharov spielte gut mit, nach verlorenem erstem Satz führte er im zweiten 9:4 - und unterlag noch 9:11. Solch eine Demütigung bricht eigentlich die Moral. Doch im dritten Satz verlor Ovtcharov nur 11:13. "Ich bin trotzdem enttäuscht von meiner Leistung", klagte er.

"Es ist eine der besten Chancen gegen China, die wir überhaupt bekommen können", hatte Patrick Baum vor dem Spiel gesagt. Baum musste Wang Hao herausfordern, den Weltmeister von 2009. Baum spielte stark, gewann den ersten Satz, verlor aber die nächsten beiden klar und im letzten knapp 10:12.

Die deutschen Spieler wurden in den einzelnen Sätzen nicht gedemütigt, sie spielten mit, das ist der kleine Gewinn aus dieser klaren Niederlage. "Wir haben wieder dazugelernt", sagte Boll, "und diese Erfahrung ist Gold wert." Schon eine halbe Stunde nach der Finalniederlage konnte er sachlich analysieren, woran es den deutschen Spielerin im Vergleich mit den Chinesen noch mangelt: "Schlaghärte und Athletik."

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Jeder, der schon einmal auf einem Schulhof unterwegs war, kennt sie: die schrägen Grimassen beim Tischtennis. Bei der Team-WM in Deutschland führen die Profis eine Reihe an selbstvergessenen Mienenspielchen vor - und mittendrin ist auch eine Iranerin.

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Noch immer sind die technischen Unterschiede zwischen beiden Teams groß. 2001 war Deutschland im Viertelfinale gescheitert, 2006 im Halbfinale, 2004 und 2010 im Finale - jedes Mal an den Chinesen. Nun also bereits zum fünften Mal. Es bleibt ein Kampf gegen Windmühlen.

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Mit zuvor sieben klaren Siegen bei dieser WM war die deutsche Mannschaft in das Endspiel eingezogen. Sechs Siege à 3:0 und im Halbfinale 3:1 gegen Japan, weil Baum gegen Seiya Kishikawa einen Punkt abgab. Die Chinesen haben am Ende sogar alle acht Spiele 3:0 gewonnen - das Halbfinale 3:0 gegen Südkorea, das Finale 3:0 gegen Deutschland.

Deutschland ist besser als die internationale Konkurrenz, aber weiter chancenlos gegen China. Was für ein Dilemma. Bereits im Halbfinale gegen Südkorea hatten die Chinesen mit jenem Trio gespielt, das dann auch den Deutschen im Endspiel gegenübertrat: Ma Long, Zhang Jike und Wang Hao - die ersten Drei der Weltrangliste.

Weil nur drei spielen dürfen, hatte Trainer Liu Guoliang für die Nummern vier (Xu Xin), sieben (Ma Lin) und neun (Wang Liqin) keine Verwendung im Finale. Die drei Deutschen belegen die Plätze sechs (Boll), zehn (Ovtcharov) und 18 (Baum) in der Welt. "Die Chinesen besiegst du nur, wenn alles passt", hatte Boll gesagt. Diesmal hat Vieles gepasst. Aber nicht alles.

"Wir werden nicht resignieren", sagte Roßkopf nach der Niederlage: "Wir müssen unsere Hausaufgaben machen." Diese Aufgaben bestehen aus sehr viel Training, mit dem die Defizite gegenüber den Chinesen aufgeholt werden sollen. "Und dann versuchen wir es wieder." Die nächste Gelegenheit: August, London, Olympische Spiele. Die deutschen Tischtennis-Männer wollen dranbleiben. "Dieses Finale war eine wichtige Rückmeldung für uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagte Timo Boll ganz am Ende.

© SZ vom 02.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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