Fenninger beim ÖSV:Brüchiger Frieden

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Anna Fenninger: Bleibt vorerst Mitglied im ÖSV (Foto: dpa)
  • Die Zeichen standen auf Trennung, doch dann versöhnt sich Skirennfahrerin Anna Fenninger überraschend mit dem Österreichischen Skiverband
  • Die Frage ist allerdings: Für wie lange? Schon eine Stunde nach der Friedensverkündung taucht eine brisante Botschaft auf.
  • Manager Klaus Kärcher spielt eine zentrale Rolle.

Von Johannes Knuth, Wien/München

Am Donnerstagvormittag trat Peter Schröcksnadel vor die Kameras, im ersten Stock eines Wiener Hotels, Blitzlichter flackerten auf. Es war, als würde sich ein Staatschef zur Lage der Nation äußern. Der Streit zwischen Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbands (ÖSV), und Anna Fenninger, der dreimaligen Weltmeisterin sowie diensthabenden Gesamtweltcupsiegerin, dieser Streit trug zuletzt ja tatsächlich Züge einer Staatsaffäre; Gerhard Klug, Sportminister Österreichs, hatte vermittelt. Dass der Skisport die Politik beschäftigt, das vollbringt vermutlich allein die Skisportnation Österreich.

Schröcksnadel wollte nun also sein endgültiges Urteil in der "Causa Fenninger" sprechen. Die Mehrheit im Saal erwartete, dass der Präsident die derzeit wohl beste Skifahrerin der Welt aus der Nationalmannschaft werfen würde, zu Beginn der Woche hatte es noch einmal gescheppert, es war einfach zu viel kaputt gegangen.

Es kam dann alles ein wenig anders.

Fenninger, begann Schröcksnadel, behalte ihre Mitgliedschaft im ÖSV. Er habe sich am Mittwochabend mit der 26-Jährigen getroffen, Rainer Salzgeber, Chef von Fenningers Skiausrüster (Head) habe die Verabredung arrangiert. Salzgeber überredete beide Streitparteien offenbar, sämtliche Vorbehalte zurückzustellen, die Verhandlungen neu zu starten, wie bei einem stockenden Computer. Heraus kam ein Friedensvertrag, mehrheitlich zu den Konditionen des ÖSV. Sagte zumindest Schröcksnadel.

Ja, Fenningers Werbekampagne für eine Automarke (Mercedes), die sie zuletzt lanciert hatte, sei unvereinbar mit den Spielregeln und dem Verbandssponsor (Audi) gewesen. Ja, ihn habe sehr getroffen, was die Athletin am Dienstag auf Facebook verbreitet habe, er habe sich sogar ins Krankenhaus begeben müssen, er habe eine Körperhälfte nicht mehr gespürt.

Fenninger hatte behauptet, Schröcksnadel und der ÖSV seien frauenfeindlich, hätten sie jahrelang hintergangen, in die Erschöpfung getrieben. Allerdings habe sich Fenninger entschuldigt, so der Präsident, und überhaupt: Das alles sei nur die Schuld ihres Managers, Klaus Kärcher, der Fenninger "irregeführt" habe, wie Schröcksnadel zu Beginn der Woche festgestellt hatte. Kärcher, so Schröcksnadel, dürfe Fenninger gerne im Hintergrund beraten, er sei aber "nicht mehr ihr Manager". Für die diplomatischen Beziehungen, für alles, was den ÖSV tangiere, sei der Deutsche nicht mehr zeichnungsberechtigt. Fenninger, sagte Schröcksnadel noch, "werde alle Regeln akzeptieren. Wir werden sie sehr, sehr gut betreuen". Wobei es dafür im ÖSV für gewöhnlich kein Wir gibt, sondern meist ein Ich: Schröcksnadel selbst.

Die österreichischen Medien hatten den Auftritt schnell gedeutet. Schröcksnadel, der schon bei so mancher Affäre ins Wanken geraten war, habe sich wieder einmal durchgesetzt. Anna Fenninger, die in Wien nicht anwesend war, habe klein beigegeben, ihr Manager, den sie bis zuletzt stur verteidigt habe, sei entmachtet.

Durch die vom Präsidenten beschworene Harmonie zogen sich jedoch bald die ersten Risse, handgestoppte 120 Minuten nach Schröcksnadels Auftritt. Kärcher setzte eine knappe Botschaft ab: "Anna Fenninger und ihr Management stellen ergänzend zu der heutigen Pressekonferenz des ÖSV in Wien klar: Anna Fenninger wird weiterhin durch die Agentur Vitesse Kärcher vertreten und beraten." Klingt so jemand, der seinen Posten als geschäftsführender Manager räumt? Fenninger hatte zuletzt ja auch verlauten lassen, sie würde ihre Karriere beenden, sollte sie sich von Kärcher trennen müssen. Wie sehr sich Kärcher nun in die Angelegenheiten seiner Mandantin einschalten wird, ist (noch) nicht ersichtlich. Sollte Fenninger ihren Manager mit allen Amtsbefugnissen weiterbeschäftigen dürfen, wäre das freilich ein großer Erfolg für die 26-Jährige. Und Stoff für neuen Zwist. Zwischen Fenninger und Schröcksnadel ging es am Ende auch um Sponsoren; vielmehr aber ging es um eine Athletin, die den mächtigen Präsidenten öffentlich herausforderte, auf ihre Rechte pochte, sich nicht allzu sehr ins enge Verbandskorsett schnüren lassen mochte, anders als manche Vorgänger. Wie lange der Frieden von Wien nun hält, bleibt abzuwarten. Eine weitere Frage, die Fenninger in den vergangenen Monaten und Jahren thematisiert hatte, bleibt ebenfalls ungelöst: die Frage nach der Zentralvermarktung im alpinen Skisport, festgeschrieben in einer Athletenerklärung. Die Athleten treten in diesem Zuge vieles an die Verbände ab, Persönlichkeitsrechte, Freiheiten bei der Sponsorenakquise. Ob das rechtlich wasserdicht ist, darüber gibt es unterschiedliche Interpretationen. Die Verbände verweisen oft auf den Weltverband. Der gibt die Spielregeln vor, ist aber ein Zusammenschluss der Nationalverbände. Viele Athleten fügen sich, sie würden ansonsten keine Rennlizenz für den Weltcup erhalten. Eine Klage würde Jahre in Anspruch nehmen.

Wie sehr es im Hintergrund unter den Aktiven grummelt, verdeutlicht eine Botschaft, die Slalom-Weltmeisterin Mikaela Shiffrin am Donnerstag aus den USA absetzte: "Liebe Anna", schrieb sie, "ich bewundere, wie du dich für die Rechte aller Skifahrer einsetzt. Der Sport braucht Athleten, die dringende Änderungen anregen." Und so blieben am Ende doch viele Fragen offen an einem Tag, der eigentlich vieles klären sollte.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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