Federgewicht-Boxer Orlando Cruz:Er ist also schwul? Na und?

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Geht als Außenseiter in den Kampf mit Orlando Salido: Boxer Orlando Cruz. (Foto: AFP)

Heute Nacht ist es so weit: Orlando Cruz boxt als erster offen Homosexueller um einen WM-Titel. Sein Gegner Orlando Salido und die gesamte Box-Branche reagiert beinahe uninteressiert auf sein Outing - und sendet damit gerade eine positive Botschaft an andere Sportarten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es wird ja immer viel zu viel geredet vor einem Boxkampf. Nur hin und wieder ist eine kreative Beleidigung zu vernehmen, ganz selten eine Aussage von Bedeutung. Vor dem WM-Kampf um den vakanten Titel im Federgewicht der World Boxing Organization (WBO) zwischen Orlando Cruz und Orlando Salido gab es einen dieser raren Momente. "Gay? So what?", sagte Salido über seinen Gegner. Schwul? Na und?

Cruz, 32, hatte im vergangenen Jahr seine sexuelle Neigung öffentlich gemacht. "Ich hatte Angst davor, was passieren würde, wenn ich mich oute", sagt Cruz. Es passierte: wenig. Er behielt seinen Platz in den Weltranglisten, er bekam zwei anständige Kämpfe, die er gewann. Nun ist er der erste öffentlich homosexuelle Boxer, der um eine WM boxt. Die Reaktion in dem Macho-Sport lautete nur: Na und?

"Ich fühle mich frei", sagt der in Puerto Rico geborene und nun in Florida beheimatete Cruz, "früher habe ich mich gefürchtet, manchmal habe ich nächtelang geweint. Jetzt aber geht es mir gut." Er spricht nicht gerne über die Beziehung zu seinem Verlobten José Manuel, den er im Dezember in New York heiraten wird. "Er ist ein guter Junge und ein toller Freund", sagt Cruz nur. Er sieht sich nicht als Vorbild für andere Sportler. Er will sich nicht vereinnahmen lassen von der Vermarktungsmaschinerie des Boxens, die meist alles tut, damit die Menschen Geld bezahlen für einen Kampf im Bezahl-TV.

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Nicht bei Cruz, das zeigt schon die Ansetzung des Kampfes: Cruz wird im Thomas & Mack Center in Las Vegas nicht als Hauptattraktion vorgeführt. Er läuft im Vorprogramm des Duells zwischen Timothy Bradley und Juan Manuel Marquez. Die beiden Bezwinger von Manny Pacquiao kämpfen um die WM im Weltergewicht. Cruz ist einer in der Masse, das Außergewöhnliche am Umgang mit ihm ist, dass es nichts Außergewöhnliches gibt.

Boxen sendet gerade eine Botschaft an andere Sportarten: So lange einer den Mut hat, in den Ring zu steigen, ist es egal, was er außerhalb treibt. Diese Nachricht ist von nicht geringer Bedeutung, schließlich haben sich zuletzt einige Sportler aus verschiedenen Disziplinen zu ihrer Homosexualität bekannt. Die Reaktionen darauf waren zunächst immer positiv, blieben das aber nicht immer. Nach dem Coming-Out von Jason Collins sagte Mark Cuban, der Eigentümer des Nowitzki-Klubs Dallas Mavericks, dass er sich "geehrt" fühle, den ersten öffentlich homosexuellen Basketballer zu beschäftigen. Vier Monate später aber ist Collins, 34, ohne Vertrag.

Der Boxer Orlando Cruz hat zuletzt viele Interviews gegeben. Immer ging es um seine sexuelle Neigung. Cruz findet das nicht schlimm, aber es ist ihm die Erleichterung anzumerken, wenn er endlich auch mal übers Boxen reden darf. Dann erzählt er, dass er zwar als Außenseiter gilt, jedoch fest daran glaubt, gewinnen zu können: "Salido tut sich schwer mit defensiv eingestellten Boxern wie mir."

Salido, 32, war bereits Weltmeister mehrerer Verbände, er ist acht Zentimeter größer als Cruz. Er ist ein erfahrener Boxer, der bereits 53 Profikämpfe bestritten hat. Allerdings konnte er nur 39 gewinnen. Er ist ein unermüdlicher Prügler, der manchmal unvorsichtig wird, die Balance verliert und sich Konter fängt. Cruz dagegen verteidigt herausragend, seine Schläge sind präzise und kaum vorherzusehen. Aber sie sind nicht besonders wuchtig.

"Mein erster Traum war es, für Puerto Rico bei Olympia zu starten - das habe ich 2000 geschafft", erzählt Cruz: "Mein zweiter Traum ist es, diesen Gürtel zu gewinnen." Es gehe ihm einzig um den Titel, dass er der erste öffentlich homosexuelle Box-Weltmeister werden könnte, ist ihm angeblich egal. "So what", sagt er: Na und? Doch so ganz stimmt das wohl nicht. Immerhin hat Cruz den Kampf dem ehemaligen Boxer Emile Griffith gewidmet. Der hielt seine Bisexualität während der aktiven Karriere geheim und wurde 1992 beim Verlassen einer Bar für Homosexuelle beinahe zu Tode geprügelt.

© SZ vom 12.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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