An seinen vorletzten Kampf mit Kopfschutz kann sich Jack Culcay noch gut erinnern, er hatte eine hässliche Verletzung, die Physiotherapeutin musste ihn eine Stunde lang behandeln, so übel sah die Wunde aus. Die Verletzung am Bizeps war aber nicht so gravierend, Culcay konnte ein weiteres Mal mit Kopfschutz kämpfen.
Es war das Finale der Weltmeisterschaft im Amateurboxen 2009, Culcay fühlte sich manchmal unsicher, auch wenn es nur für wenige Millisekunden war. Das Problem war allerdings nicht der angeschlagene Bizeps. Das Problem war der Kopfschutz.
Im Amateurboxen gab es schon mehrere Jahre lang eine Sicherheitsdebatte, die etwas eigenartig war, stand doch in ihrem Mittelpunkt der Helm, den sich Amateurboxer jahrelang umgebunden haben. Und die Frage, ob dieser tatsächlich vor Verletzungen schützt. Die Ärztekommission des Weltverbandes AIBA hatte 2011 daher vorgeschlagen, den Kopfschutz abzuschaffen, die Funktionäre folgten eilig diesem Ratschlag.
Platzwunden und Blumenkohlohren
Die Weltmeisterschaften, die an diesem Freitag in Almaty/Kasachstan beginnen, sind das erste große internationale Turnier ohne Kopfbedeckung. "Das ist befreiend, für die Boxer und für die Zuschauer", sagt Culcay, 28, der 2009 auch im WM-Finale gewonnen hatte und seitdem als Profi boxt.
Culcay weiß, dass es weiter Bedenken gibt, ob der Kopfschutz nicht vielleicht doch mehr Sicherheit garantiert hat, er weiß, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es zu Platzwunden oder Augenverletzungen kommt, auch zu den berüchtigten Blumenkohl-Ohren. Dennoch sagt er: "Ich habe mich ohne Kopfschutz immer sicherer gefühlt."
Als er noch bei den Amateuren geboxt hat, hatte er etwa im Training nie einen Helm an, "nur so kannst du dein Auge schulen". Für die defensive Technik, sagt Culcay, sei der Kopfschutz mitunter hinderlich gewesen; neigte Culcay seinen Kopf nach links, konnte er aufgrund des Helmes etwa nicht mehr sehen, ob sein Gegner gerade einen linken Haken schlug. "Ohne Kopfschutz hast du ganz andere Blickwinkel, da kannst du dich viel besser bewegen", sagt Culcay. Jetzt bei den Profis fühlt er sich auch wohler, wenn er mal seitlich aus dem Blickfeld des Gegners rausgeht - und nicht gleich für sich selbst einen Nachteil befürchten muss.
Die eigentliche Gefahr des Kopfschutzes, sagt Culcay, liege jedoch darin, dass der Boxer durch ihn dazu neige, die eigene Deckung zu vernachlässigen. "Du achtest zu sehr darauf, selbst zu treffen und denkst, dass so ein leichter Treffer des Gegners schon nicht so schlimm sein wird."
Dabei reicht schon eine kleine Berührung, und der Kopfschutz verschiebt sich auf dem verschwitzten Kopf, er muss mit den klobigen Handschuhen wieder zurechtgerückt werden - die Sicht ist kurzzeitig noch schlechter, der Gegner im Vorteil. Angelika Fischer, die Ärztin des Deutschen Boxsport Verbandes (DBV) sagt daher: "Die Sicherheit, die der Kopfschutz bietet, ist eine Pseudo-Sicherheit."