FC Bayern:"Wir müssen aufwachen"

Lesezeit: 2 min

An die eigene Nase fassen: Jérôme Boateng nach seinem Platzverweis. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Bei der 1:2-Niederlage in Karlsruhe hinterlässt der Rekordmeister eine Woche vor dem Rückrunden-Start einen bedenklichen Eindruck.

Von Tobias Schächter, Karlsruhe

Niederlagen des FC Bayern sind inzwischen so selten wie Siege von Tasmania Berlin in der Bundesligasaison 1965/66. Die Berliner gewannen damals nur zwei Spiele und stehen seitdem als Metapher für Misserfolg - so, wie der große FC Bayern schon seit Ewigkeiten das Synonym für Erfolg liefert. In dieser Vorrunde schlichen die Bayern von Trainer Pep Guardiola nur ein einziges Mal als Verlierer vom Platz, 15 von 17 Ligaspielen gewannen sie. Nun aber haben es die Bayern geschafft, in dieser Winterpause eine Niederlagenquote von 100 Prozent herauszuspielen. Am Wochenende verloren die Münchner ihr einziges Testspiel, 1:2 hieß es am Ende beim Karlsruher SC. Beim Zweitliga-Neunten! Sechs Tage vor dem Rückrundenstart am Freitag beim HSV gab Jérôme Boateng ehrlich zu: "Heute waren wir noch nicht bereit. Wir müssen aufwachen."

Boateng war einer der schwächsten von 21 eingesetzten schwachen Bayern. Der Weltmeister hatte den Elfmeter zum 1:2 (73., Nazarov) verschuldet und dafür auch noch die rote Karte gesehen. Die Bayern hätten auch höher verlieren können, so oft wie die Karlsruher durfte sich in der Vorrunde kein Gegner über turnhallengroße Räume bei Kontern freuen. Bei allen Vorbehalten zur Deutung von Testspielen: So fahrig hat man die Bayern unter Pep Guardiola selten herumspielen sehen. Javi Martínez etwa fiel in der 17. Minute auf Höhe der Mittellinie ohne erkennbaren Grund einfach hin, der Karlsruher Boubacar Barry profitierte von der Slapstick-Einlage und erzielte das 1:0. Der Ausgleich durch Arturo Vidals wunderbaren Schlenzer aus 20 Metern blieb eine der wenigen guten Aktionen der Bayern.

Die Gelehrten streiten sich ja darüber, wie man in einer kurzen Winterpause schnellstmöglich wieder in Form kommt. Die Bayern hatten sich bewusst für die Variante mit nur einem Testspiel entschieden, während alle Konkurrenten zwei, drei oder vier Wettkämpfe austrugen. Sportvorstand Matthias Sammer hatte zuletzt erklärt, man trainiere lieber, als dass man spiele. Unmittelbar vor dem Anpfiff in Karlsruhe aber forderte Sammer nun, es gehe jetzt darum, geistig und körperlich schnellstmöglich in den Wettkampfmodus zu kommen. Nach dem KSC-Spiel gilt das nun umso mehr. Große Sorgen macht Guardiola sich aber offenbar nicht. Der Trainer war nach der Schlappe "natürlich nicht zufrieden" und meinte, seine Spieler hätten "die Lektion gelernt"; aber diese Verfassung sei auch "normal, nach zwei, drei Wochen ohne Spiel". Man habe viel trainieren wollen, nun habe man noch ein paar Tage, um aufs gewohnte Niveau zu kommen, erklärte Guardiola.

In Karlsruhe agierten seine Spieler so behäbig, als stecke ihnen das Trainingslager in Katar noch in den Knochen. Zwar kann in einer Woche mit reduziertem Training die Frische durchaus in müde Körper zurückkehren, dennoch wirkte es in Karlsruhe so, als müssten sich die Bayern über die ersten Rückrundenspiele erst wieder in jene Form hinein beißen, die sie Ende Februar dringend brauchen werden, wenn es gegen Juventus Turin um den Einzug ins Champions-League-Viertelfinale geht. Dann sollen laut Sammer auch Franck Ribéry, Mario Götze, Medhi Benatia und Juan Bernat wieder zur Verfügung stehen, ebenso Rafinha, der in Karlsruhe mit schwerer Knieprellung vom Platz humpelte und etwa zwei Wochen ausfallen wird.

Auf dem Weg zu Titeln dürfe man nicht verkrampfen, mahnt Matthias Sammer nun, aber natürlich weiß er auch, dass die Bayern die Debatte um Pep Guardiolas Abschied nur mit der demonstrativen Betonung ihres Markenkerns klein halten können: mit Siegen.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: