FC Bayern:Robuste Zirkusnummer

Lesezeit: 4 min

Nach dem 1:0 gegen Frankfurt steht weniger das artistische Tor von Franck Ribéry im Mittelpunkt. Es dominieren erneut Fragen zu Mario Götze.

Von Claudio Catuogno, München

Andere würden es vielleicht einen "Auftrag" nennen, wenn sie neun Spieltage vor Schluss engagiert werden, um Eintracht Frankfurt vor dem Abstieg zu retten. Oder, pathetischer: eine "Mission". Der Trainer Niko Kovac, 44, den genau dieser Ruf aus Frankfurt Anfang März ereilt hat, sagt lieber: "mein Mandat". Mandat, ein bisschen klingt das, als würde der Bundestag mal wieder Blauhelme entsenden, bloß dass das Krisengebiet in diesem Fall Rang 17 der Bundesligatabelle ist.

Niko Kovac jedenfalls hat erkannt, dass sein Einsatz nach einem robusten Mandat verlangt. Deshalb hat Kovac vor dem Spiel beim FC Bayern eine besonders wehrhafte Fünferkette einüben lassen. "Gegen die Bayern kannst du nicht mit Viererkette spielen", erklärte er mit einer Bestimmtheit, als sei das irgendwo in einer UN-Resolution so festgelegt. Viererkette gegen die Bayern? Verstößt gegen das Völkerrecht!

Kovac, der schon in seinem früheren Leben als Mittelfeldspieler und kroatischer Nationalcoach mit sehr robustem Mandat unterwegs war, stellte sich also den Gegner vor: Links Franck Ribéry, rechts Douglas Costa, zwei gefürchtete Dribbler, "die musst du doppeln, da musst du Überzahl schaffen, anders geht es nicht". Aber dann blickte er auf die Bayern-Aufstellung und sah, dass es vielleicht gar nicht so schlimm kommen würde: Costa war bloß als Ersatzspieler vermerkt.

Drei Stunden später hat sich Niko Kovac bei der Pressekonferenz nach vorne gebeugt, am Mediendirektor des FC Bayern vorbei, und hat Pep Guardiola zugerufen: "Ich war froh, dass Costa nicht auf dem Platz stand. Danke!"

Über den Zusammenhang von Länderspielen und der Bayern-Startelf war zuletzt viel gesprochen worden. Im Fall des Nationalspielers Mario Götze wurde aus seinem lebendigen Auftritt samt Kopfballtor beim 4:1 gegen Italien das Recht auf einen Einsatz gegen Frankfurt abgeleitet. Im Fall des Brasilianers Costa war es andersrum. Der war unter der Woche für Länderspiele gegen Uruguay und Paraguay abgestellt. Und deshalb lehnte sich nun Pep Guardiola seinerseits nach vorne, um Niko Kovac zu entgegnen, dass der Dank nicht ihm gebühre: "Danke Brasilien!"

Da sage noch einer, er könne nur dribbeln: Franck Ribéry bei seinem 1:0 gegen Frankfurt. (Foto: imago/ActionPictures)

Götze hat also von Beginn an gespielt beim 1:0 (1:0) der Bayern gegen Kovac' Frankfurter, Costa wurde in der 71. Minute eingewechselt. Am Dienstag, wenn die Bayern im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League Benfica Lissabon empfangen, kann das aber auch wieder umgekehrt sein. Deshalb dürfte sich am Samstag nicht nur der zum Grübeln veranlagte Götze gefragt haben, ob es da einen Zusammenhang gab: Ob er gegen Frankfurt wohl auch hätte mitmachen dürfen, wenn Costa nicht gerade noch im Estadio Defensores del Chaco von Asunción auf dem Rasen gestanden wäre? Oder wenn Kingsley Coman sich nicht mit leichten muskulären Problemen abgemeldet hätte? Setzt der Trainer jetzt wieder aus Überzeugung auf Götze? Oder nur mangels anderer Optionen?

Pep Guardiola braucht man mit solchen Fragen nicht zu kommen. "Wir brauchen Mario Götze für die nächsten sieben, acht Wochen und hoffentlich für die nächsten Jahre hier in München", sagte Guardiola nach der Partie - aber seine mit Verve vorgetragenen Wertschätzungen haben sich im dritten Pep-Jahr doch etwas abgenutzt. Das Thema nervt eher. Als der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gefragt wurde, wie ihm Götzes Auftritt gefallen habe, entgegnet er bloß knapp: "Ich verteile keine Spielnoten." Dabei hätte Rummenigge ja auch einfach sagen können: gut. So, wie er, auf den einzigen Treffer des Nachmittags angesprochen - Franck Ribérys spektakulär- artistischen Seitfallzieher von der Strafraumgrenze (20.) -, sofort ins Schwärmen geriet: "ein wunderbares Tor".

Es wird halt weiter vieles in Bezug zu Mario Götze gesetzt beim FC Bayern - das ist nicht zu verhindern, wenn man derjenige ist, der Deutschland 2014 zum Weltmeister geschossen hat. Zu Götzes Schaden war es diesmal allerdings auch nicht: Er war es ja, der Ribérys Zirkusnummer vorbereitet hatte mit einem Schuss, den Frankfurts Torhüter Hradecky bloß per Fußabwehr zurück ins Getümmel lenken konnte. "Mario hatte seine besten Szenen in der ersten Halbzeit zwischen den Linien", sagte Guardiola, "aber auch in der zweiten Halbzeit, mit guten Bewegungen und gutem Passspiel." Nein, Götze agiert weiterhin nicht so zwingend wie etwa Ribéry, er läuft seine Gegenspieler auch selten schwindelig auf engstem Raum. Götze braucht etwas Platz, um seine Technik mit dem nötigen Tempo zu unterfüttern - aber dass die Bayern seine Qualitäten noch gut gebrauchen können, wenn sie nun ihren drei möglichen Titeln entgegenstreben, ist nicht unwahrscheinlich. Als Götze ausgewechselt wurde, war er von allen Münchnern am meisten gelaufen, elf Kilometer.

Nächster Spieler, gleiches Thema: Was würde Philipp Lahm dem Kollegen Götze raten, eine Rückkehr nach Dortmund, ein Wechsel ins Ausland? "Ich rate ihm nichts, ich kann nur sagen, was ich mir wünsche", antwortete Lahm: "Wünschen tu' ich mir, dass er hier beim FC Bayern bleibt."

Niko Kovac hat dann nicht auch noch etwas über Götze gesagt. Klar, er schaut nur auf die Eintracht, und da hat er den engen Spielverlauf als Beweis genommen, dass sich unter seinem Mandat "etwas entwickelt hat", dass man "gefestigter" spiele als zuvor unter Armin Veh - und er hat angekündigt, dass man "keinen Zentimeter nachgeben" werde im Abstiegskampf.

Pep Guardiola wiederum hat sich ein bisschen geärgert, dass "einige Spieler schon Benfica im Kopf hatten". Aber auch er selbst hat sich von dem Gedanken an Dienstag nicht freimachen können, wenn er seinen Offensivleuten beim bisweilen arg mühsamen Kombinieren zusah. Wer kann, wer soll es richten gegen die "extrem stabile Defensive" der Portugiesen?

Als Ribéry noch mit großer Geste seinen Treffer feierte, stand Götze schon bei Guardiola und nahm taktische Hinweise entgegen, dazu noch ein kräftiges, kräftiges Wuscheln durch die Haare. Der Frisur hat es nichts angetan. Götze verwendet offenkundig ein robustes Haargel.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: