FC Bayern München - SV Werder Bremen (15.30 Uhr):Bloß nicht klein machen

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Werder-Trainer Florian Kohfeldt geht ohne die Hypothek diverser Niederlagen gegen den FC Bayern ins Spiel am Sonntag. Werder-Neuzugang Jerome Gondorf weiß immerhin aus Erfahrungen mit Darmstadt, wie man die Bayern ärgern kann. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty)

Kein anderer Bundesligist hat in den vergangenen Jahren so schlecht gegen den FC Bayern abgeschnitten wie der SV Werder, nicht einmal der HSV. Gerade deswegen setzen die Bremer die Latte diesmal höher an.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Ergebnis-Statistiken, pflegen Trainer gern zu sagen, haben keinen Wert. Schließlich seien es über die Jahre immer andere Mannschaften mit den gleichen Vereins-Emblemen, die dort gegeneinander spielen. Und trotzdem gibt es anscheinend Lieblingsgegner, sogar beim FC Bayern. Als Nummer eins gilt gemeinhin der Hamburger SV mit zuletzt 18 sieglosen Duellen und einem Torverhältnis von 7:65 Toren (zwei davon im DFB-Pokal) gegen die Münchner. Aber den Hamburgern gelangen immerhin drei Unentschieden. So gesehen ist die Bilanz des Nord-Rivalen Werder Bremen noch bitterer: die letzten 16 Spiele (einmal DFB-Pokal) wurden allesamt verloren. Torverhältnis: 8:59, darunter ein 0:7- und zwei 0:6-Debakel. Insgesamt sind es sogar schon 21 Partien ohne Sieg.

Der letzte Bremer Triumph ist bald zehn Jahre her. Es war der 20. September 2008. Werder gewann in München mit 5:2. Im grün-weißen Dress spielten internationale Größen wie Diego, Per Mertesacker, Claudio Pizarro, Mesut Özil und Naldo (die letzten drei schossen jeder einen Treffer, dazu traf Markus Rosenberg zweimal). Es war im Grunde das letzte Mal, dass die Hanseaten den Bayern wirklich überlegen waren. "Bremen hat uns komplett an die Wand gespielt", erinnert sich Tim Borowski, der damals Werder für ein Jahr verlassen hatte, um beim Rekordmeister unter Trainer Jürgen Klinsmann Ruhm anzuhäufen. Das Kuriose: Ausgerechnet Borowski erzielte die Münchner Tore zum 1:5 und 2:5, weshalb die Werder-Fans im Internet sogar von einem 7:0 sprachen.

Heute ist Borowski Co-Trainer der Bremer. Und sein Chef Florian Kohfeldt sagt vor der Begegnung am Sonntag in der Münchner Arena: "Uns erwartet eine geballte Ladung Weltklasse." Die Bayern-Profis haben insgesamt mehr als 1000 Champions-League-Spiele absolviert, mehr als zehnmal so viele wie die Fußballer in Bremer Reihen. Doch Kohfeldt, der mit seinen 35 Jahren nicht einmal halb so alt ist wie Bayern-Trainer Jupp Heynckes, will Werder trotzdem nicht als Zwerg auftreten lassen. Seine Überlegungen gehen in zwei Richtungen: "Eine Variante ist, dass du als Gegner sehr selten den Ball hast und sehr stark auf Konter orientiert spielst, aber die Momente, in denen du den Ball hast, sehr effektiv nutzt." Die zweite Herangehensweise sei, für gewisse Phasen im Spiel zu sorgen, in denen man selbst für längere Zeit den Ball hat und die Bayern damit in Situationen bringt, die für sie ungewohnt sind, weil sie auch mal hinterherlaufen müssen.

"Auf die eigenen Stärken fokussieren"

Kohfeldt hat auf jeden Fall eine komplett andere Fußball-Philosophie als sein Vorgänger Alexander Nouri. Der "ermauerte" im Hinspiel daheim eine 0:2-Niederlage und blieb auch danach bei der defensiven Taktik, die das Team sehr klein machte. Heraus sprang in zehn Spielen kein einziger Sieg, weshalb Sportchef Frank Baumann mit Kohfeldt wieder jemanden einsetzte, der wieder nach vorne spielen ließ. Und damit Werder das zurückgab, für das es einst berühmt war. Seine Herangehensweise orientiert sich normalerweise nicht am Gegner, sondern am eigenen Plan. Deshalb spielte der scheinbar übermächtige Gegner Bayern in dieser Woche im Training bis zum Donnerstag keine Rolle, sondern nur die Weiterentwicklung des eigenen Spiels.

Das, glaubt Stefan Kloppe, sei der richtige Weg. Der frühere Handball-Champions-League-Sieger mit dem SC Magdeburg, der nun als "Sports Coach" arbeitet, sagte dem Weser-Kurier: "Ich bin ein Fan davon, sich auf seine Stärken zu fokussieren." Auch in Magdeburg hätten sie sich erst in der zweiten Wochenhälfte mit dem Gegner beschäftigt. Man habe immer das größere Ziel im Blick gehabt, "uns als Team zu entwickeln". Kloppe arbeitet gern mit einer "3-B-Kettenformel": Behauptung, Begründung, Bekräftigung. "Du behauptest: Es ist möglich, wir schaffen das. Du musst es dann begründen, damit die Spieler nicht sagen: Was labert der denn da, sondern sagen: Der hat ja recht. Also: weil wir stark sind, weil wir gut trainiert haben, weil wir gute Zweikämpfe führen. Wenn du das als Spieler hörst, wächst der Glaube an dich."

Dann kommt vielleicht etwas heraus, wie es Werders Mittelfeldspieler Thomas Delaney äußerte: wenn man nach vorne gehe, könne man vielleicht 0:4 verlieren, aber vielleicht auch das Spiel gewinnen. Das ist ganz im Sinne des Psychologen Kloppe, der sagt: "Sportler, vor allem die ganz Großen, stellen den Status quo in Frage." Vielleicht ist der Däne Thomas Delaney ja ein ganz Großer.

© SZ vom 21.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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