FC Bayern München:Supercup als Vorspeise

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Carlo Ancelotti gewinnt seinen ersten Titel mit dem FC Bayern - das 2:0 gegen Borussia Dortmund kaschiert die Probleme im Spiel der Münchner nicht, zeigt aber, auf wen sie sich verlassen können.

Von Benedikt Warmbrunn, Dortmund

Manche Titel sind für Carlo Ancelotti bewegend, nach anderen hat er einfach nur Hunger. Als der Trainer 2014 mit Real Madrid die Champions League gewonnen hatte, verneinte er in den Minuten des Triumphes diesen Hunger. Also waren sich seine Begleiter sicher, dass der Trainer nicht ganz bei sich selbst war. Ist Carlo Ancelotti ganz bei sich selbst, hat er immer Hunger. Das betont keiner so lustvoll wie Carlo Ancelotti selbst. Am späten Sonntagabend hat den Italiener keiner nach seinem Appetit gefragt, obwohl er gerade einen Titel gewonnen hatte, aber es war ja auch eine dieser Trophäen, die einen erfahrenen Mann von Welt nicht aus der Fassung bringen. Ancelotti war ruhig, er war klar, er bewahrte sein gutmütiges Doggengesicht. Wenn stimmt, was Ancelotti gerne über sich selbst sagt, dann war in dieser Stunde seines ersten Erfolges in Deutschland ein Gefühl vorherrschend: Hunger.

Seit fünf Wochen arbeitet Ancelotti als Trainer des FC Bayern, es waren Wochen, in denen es zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem um seinen Umgang mit dem Werk seines Vorgängers ging. Pep Guardiola hat vieles verändert in München, manches hat Ancelotti aufgenommen, manches hat er in diesen ersten Wochen seinen eigenen Vorstellungen angepasst. Es war ein leiser Übergang, auch das war eine Veränderung. Nun, zum Beginn seiner sechsten Woche, ist Ancelotti zumindest in einem Punkt weiter als es Guardiola je war: Er darf jetzt den deutschen Supercup zu seinen Erfolgen dazurechnen, ein kleiner Titel zwar, aber einer von nur zweien, die Guardiola in seinen drei Jahren in München nicht gewinnen konnte (der andere war der nicht ganz so kleine Titel in der Champions League).

Flucht über die Hintertreppe: Carlo Ancelotti entführt den Wimpel, den Supercup-Gewinnern überlasst er Pokal und Podium. (Foto: ActionPictures/imago)

2:0 hatte der FC Bayern am Sonntag bei Borussia Dortmund gewonnen, es war der erste Erfolg im Supercup seit dem Sommer 2012; damals endete die Saison übrigens mit dem Gewinn des nicht ganz so kleinen Titels. Von Euphorie, Überschwang, womöglich gar Appetitlosigkeit war bei Ancelotti jedoch nichts zu spüren. Er sagte: "Das war ein schwieriges Spiel."

Dass Dortmund nicht früh führte, lag vor allem an Manuel Neuer mit seiner unerreichbaren Ruhe

So konnte das Ergebnis auch ein paar kleine und etwas größere Probleme nicht kaschieren. In der Defensive standen die Münchner gerade in der ersten Halbzeit sehr unsicher, sie ließen sich vom frühen Dortmunder Pressing durchaus beeindrucken. Dass der Gastgeber nicht früh führte, lag vor allem an Torwart Manuel Neuer, dessen Ruhe selbst für einen Gefassten wie Ancelotti unerreichbar bleibt. "Dortmund hat das in der ersten Halbzeit wirklich gut gemacht, sie haben mit einer hohen Intensität gespielt", sagte der Trainer und er gestand: "Zum jetzigen Zeitpunkt können wir diese Intensität noch nicht halten." Die zahlreichen EM-Fahrer sind erst seit wenigen Tagen aus dem Urlaub zurück, dazu fehlen Innenverteidiger Jérôme Boateng sowie die Hochintensitätsdribbler Douglas Costa und Arjen Robben. Robbens Platz auf der rechten Seite nahm Thomas Müller, der Schütze zum Endstand (79.) ein, Costas Platz auf der linken Seite besetzte Franck Ribéry. Der Franzose hatte die ersten Wochen unter Ancelotti eifrig für Werbung in eigener Sache genutzt. Er schoss ein paar Tore, und vor allem lobte er den neuen Trainer hemmungslos und so ungeniert, dass niemandem die Kritik an Guardiola verborgen blieb. Ribéry nimmt für sich in Anspruch, ein sensibler Spieler zu sein, einer, der das Vertrauen des Trainers spüren will. Unter Ancelotti spürt er es wieder - zu sehen war das auch nach seiner Auswechslung, als die beiden sich fast schon innig umarmten. Begleitet wurde diese Herzlichkeit allerdings von einem gellenden Pfeifen des Dortmunder Publikums. Denn trotz all seiner Zuneigung ist es auch Ancelotti nicht gelungen, Ribéry zu einem sanftmütigen Spieler zu erziehen. Schon nach dem Pokalfinale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund war Ribéry umstritten; er hatte Gonzalo Castro mit dem Finger ins Auge gefasst, vom Platz musste er nicht. Am Sonntag hatte er früh den Ellbogen gegen Felix Passlack ausgefahren, vom Platz musste er wieder nicht. Wenn man sich die Bilder anschaue, sagte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel, "dann gibt es keine zwei Meinungen". Ancelotti bewahrte sein gutmütiges Doggengesicht, mehr konnte auch er nicht für Ribéry werben.

Der Franzose kämpft zurzeit auch um eine Vertragsverlängerung, seine Unbeherrschtheit dürfte kaum für Pluspunkte sorgen. Zumal die Klubbosse ja auch gesehen haben, wie nützlich eine gesunde Emotionalität sein kann. Dass Ancelotti seinen ersten Titel feiern durfte, verdankte er auch dem Kampfgeist von Arturo Vidal. Schon in den letzten Wochen unter Guardiola war der Chilene die treibende Kraft im Spiel des FC Bayern, auch am Sonntag war das so. Wie ein Rammbock rauschte er immer wieder dem Dortmunder Pressingblock entgegen, bahnte sich Meter für Meter seinen Weg nach vorne. In der ersten Halbzeit hätte er bei einer Doppelchance die Führung erzielen können und holte dies später nach (58.). Zu den wenigen Erkenntnissen des Abends gehört also die, dass auch in diesen Übergangswochen Vidal das Spiel des FC Bayern prägen wird - womöglich noch viel länger. Ancelotti hat es schließlich fest vor, auch Titel zu gewinnen, nach denen er seinen Appetit vergessen wird, wenigstens für ein paar Minuten.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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