FC Bayern München:Mission eins: erfüllt

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Das 2:1 gegen Gladbach verdeutlicht: Für Interimstrainer Jupp Heynckes geht es beim FC Bayern nicht ums schöne, offensive Spiel, sondern um den reinen Ertrag.

Thomas Hummel

Kurz vor Schluss lief all das, was ein Fußballfan sehen will, quer über den Platz. Einsatzwille, Leidenschaft, ja, Kampf bis zur Erschöpfung wurden in diesem Moment von Hermann Gerland verkörpert. Der Übergangs-Ko-Trainer des FC Bayern München war bei einer Verletzungspause von der Ersatzbank aufgesprungen, hatte sich eine Wasserflasche geschnappt und sprintete nun im Trainingsanzug quer durch den Strafraum an der Südkurve vorbei. Die Zuschauer johlten, jubelten, der 54-Jährige sprintete weiter, bis er bei Philipp Lahm ankam. Der hatte eine Wasserflasche bestellt, also bekam er sie.

Luca Toni setzt sich gegen zwei Gladbacher durch. (Foto: Foto: Getty)

"Ich hab mich gefreut, als er vor mir stand", sollte Lahm später sagen. Uli Hoeneß meinte, er habe den Ko-Trainer gefragt, ob er ein Sauerstoffzelt benötige. Doch Gerland beließ es nicht bei einem Sprint. Als Lahm ein paar Schluck genommen hatte, hetzte er wieder zurück zur Ersatzbank. Wer weiß, was es da noch zu erledigen gab!

Es gab nichts mehr zu erledigen, in den verbleibenden Minuten. Borussia Mönchengladbach war einfach zu schwach, um wahrlich nicht gute Bayern noch ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Schiedsrichter Rafati pfiff ab, 2:1 (2:1) gewonnen, der Fünf-Spiele-Interimstrainer Jupp Heynckes klatschte kurz in die Hände. Der neue Bayern-Trainer und sein umtriebiger Ko hatten die ersten drei Punkte geholt.

Damit wäre aus Bayern-Sicht schon (fast) alles Positive im Spiel eins nach dem aufsehenerregenden Ende der Ära Klinsmann benannt. Drei Punkte, puh! Starken Wolfsburgern auf den Fersen geblieben, den Abwärtstrend nach dem 0:1 gegen Schalke gestoppt. Oder wie es Heynckes formulierte: "Die Gesamtsituation hat von uns verlangt, dass wir das Spiel gewinnen." Beim FC Bayern geht es in den letzten Saisonspielen nicht mehr ums schöne, offensive Spiel à la Barcelona, sondern nur noch um den reinen Ertrag .

Starker Lukas Podolski

Zumindest für diesen Auftrag schienen die Gäste aus Mönchengladbach wie bestellt. Der dortige Trainer Hans Meyer hatte auf Schadensbegrenzung plädiert, schickte zehn defensiv veranlagte Fußballer auf den Rasen. Für Nationalspieler Marko Marin etwa war da bis zur 74. Minute kein Platz. " Ich erinnere daran, dass Frankfurt hier 0:4 und Hannover hier 1:5 verloren hat. Lissabon hat sieben Stück bekommen - das haben wir nicht ", rechtfertigte Meyer seine Igeltaktik.

Die defensiven Gladbacher reichten allerdings, um zunehmend behäbige Bayern zu blockieren. Wer auf gelöste Münchner Spieler gehofft hatte, wurde enttäuscht. Hätten die Gladbacher früher ihre drei Offensivkräfte Colautti, Marin und Neuville gebracht, vielleicht wäre dieser FC Bayern am Samstag sogar für die harmlosen Borussen für einen Punkt gut gewesen.

Wer beim FC Bayern nach positiven Neuerungen suchte, der wurde am ehesten bei Stürmer Lukas Podolski fündig. Der künftige Kölner durfte seit längerem mal wieder von Beginn an spielen und zeigte die stärkste Podolski-Leistung im Bayern-Trikot seit mindestens Menschengedenken. Er hatte die ersten Großchancen mit einem knallharten Freistoß (8.) und einem Dribbling im Strafraum, als ein Gladbacher Verteidiger noch sein Bein dazwischen brachte (17.).

Der 23-Jährige leitete auch den entscheidenden Angriff ein, sein wunderbarer Pass erreichte Hamit Altintop, der den Ball zum 2:1 ins Tor knallte (42.). Heynckes lobte: "Ich finde, Lukas hat prima gespielt." Ein außergewöhnliches Lob für den nüchternen Heynckes.

Immerhin wirkten die Bayern in der ersten Halbzeit laufbereit, taktisch diszipliniert und stark in Passspiel sowie Zweikampf. Das 1:0 von Bastian Schweinsteiger nach Luca-Toni-Vorarbeit (33.) fiel zwangsläufig, der Ausgleich der Gäste kam überraschend. Zum ersten Mal patzte da Hans-Jörg Butt im Trikot des FC Bayern, als er einen Bradley-Freistoß nicht festhielt und dann auch noch Brouwers foulte. Gegen Filip Daems anschließenden Elfmeter hatte Butt dann keine Abwehrchance (38.).

Pfiffe gegen Lell

Doch weil vieles schief ging, was auch unter Trainer Jürgen Klinsmann schief gegangen war (langsamer Vorwärtsgang, keine Überraschungsmomente, wenig Druck) grummelte das Publikum bald, Rechtsverteidiger Christian Lell fiel nach einer missglückten Flanke gar in Ungnade. Die Zuschauer bejubelten dessen Auswechslung zur Halbzeit, die angeblich aufgrund einer Verletzung vorzunehmen war. "Er hat keine Sicherheit in seinem Spiel. Aber ein Spieler des FC Bayern München muss so etwas abstreifen", forderte Heynckes.

Abstreifen muss Luca Toni auch die 60. Minute des Spiels, in der er zweimal völlig freistehend auf groteske Art und Weise den Ball verfehlte. Manager Uli Hoeneß sah sich angesichts dieser Szenen gar zu besonderer Fürsorge verpflichtet: Ungefragt lobte er den Italiener nach dem Spiel über den grünen Klee: Luca Toni habe "ein hervorragendes Spiel" gemacht.

Hoeneß war denn auch der einzige Münchner Verantwortliche, der ernsthaft über die Meisterschaft sprechen wollte. Nachdem die Redaktion der Stadionzeitung ("15 Punkte bis zum Titel") und die Stehtribünenfans ("5 Spiele Deutscher Meister FCB") bereits eindeutige Forderungen gestellt hatten, sagte der Manager: Wolfsburg habe noch schwere Spiele. Außerdem kündigte er an, dass Miroslav Klose schon am Dienstag wieder mit der Mannschaft trainieren könne. Und schließlich komme ja auch Franck Ribéry nach seiner Gelbsperre wieder.

Hoeneß blickt voraus

Hoeneß blickte sogar noch weiter voraus und kündigte im Falle einer erfolgreichen Heynckes-Mission weitere Zugänge für die kommende Saison an. Wobei er wieder darauf hinwies, wie enorm wichtig die sichere Teilnahme an der Champions League, sprich Platz zwei, für den Verein ist. "Wenn wir das erreichen, werden wir sicherlich noch was machen, sonst wird es schwierig", sagte der Manager und runzelte dabei merklich die Stirn.

Er gehe allerdings davon aus, dass der an den Karlsruher SC ausgeliehene Rechtsverteidiger Andreas Görlitz am 1. Juli in München antritt. Dagegen werden die Fragen, ob Bayern einen neuen Torwart brauche oder der ebenso verliehene Toni Kroos zurückgeholt werde, dem Nachfolger von Jupp Heynckes überlassen.

Zum Trainer-Thema gab dann Präsident Franz Beckenbauer bekannt, dass die Herren Sammer und van Gaal auf der Kandidatenliste stünden. Dabei, so sagte Beckenbauer, wäre ja "der Jupp der ideale Mann für den FC Bayern. Wenn er zehn bis 15 Jahre jünger wäre." Was Heynckes konterte: "So schlecht habe ich mich für meine 63 Jahre auch nicht gehalten."

Und das soll auch in der wohl turbulenten Endphase der Saison so bleiben. "Druck spüre ich in meinem Alter nicht mehr", erklärte Heynckes. Und auch um die Gesundheit seines Ko-Trainers muss man sich allem Anschein nach nicht sorgen.

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