FC Bayern München:Klinsmann, Urlaub und ein wenig Latein

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Nach dem 2:1 gegen Stuttgart freut sich Bayern über die Champions-League-Qualifikation, rechnet mit der Klinsmann-Zeit ab und treibt den Gomez-Transfer voran.

Johannes Aumüller, Fröttmaning

Nein, ein FC Bayern München darf nicht zufrieden sein. Nicht mit einer Saison, in der er nie Tabellenführer war, in der er unter anderem eine 2:5-Klatsche gegen Bremen oder eine 1:5-Pleite gegen Wolfsburg kassierte und in der er bis zum Schluss darum zittern musste, auf einem Champions-League-Platz zu landen. Doch, der FC Bayern muss zufrieden. Mit einer Saison, in der er einen guten Schlussspurt hinlegte, in der es ziemlich turbulent zuging und in der er am Ende das Minimalziel Champions-League-Qualifikation erreichte.

Vor dem Spiel schenkte Bayern-Manager Uli Hoeneß seinem Trainer und Freund Jupp Heynckes Blumen, nach dem Spiel viele Dankesworte. (Foto: Foto: dpa)

Die Bayern wissen selbst nicht, was sie von diesem Saisonausgang halten sollen. Zufrieden, nicht zufrieden, ein bisschen zufrieden: Mancher Münchner schafft es, binnen zwei Minuten drei verschiedene Resümes zu ziehen. Nach einem etwas glücklichen, aber insgesamt doch verdienten 2:1 gegen Stuttgart ergänzt Platz zwei in der Bundesliga die bisherige Saison-Bilanz (Aus im Viertelfinale der Champions League, Aus im Viertelfinale des DFB-Pokal). Einerseits herrscht Enttäuschung über die verpassten Chancen; andererseits herrscht Erleichterung über das versöhnliche Ende. Nicht auszudenken, was in München passiert wäre, wenn die Bayern nur Vierter geworden wären - was ja bis zum letzten Spieltag rechnerisch möglich war.

"Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", gesteht Bayern-Manager Uli Hoeneß und schickt ein Kompliment an den Fünf-Spiele-Trainer Jupp Heynckes hinterher: "Ich muss dem Jupp unendlich dankbar sein. Er hat es hier nicht einfach gehabt, er hat einen tollen Job gemacht, die Mannschaft voll hinter sich gebracht. Einige Spieler, speziell unsere Spitzenspieler, waren voll des Lobes über die Arbeit, die er hier gemacht hat."

Bisher stand das Datum 23. Mai in der Vereinsgeschichte für einen großen Triumph, weil am 23. Mai 2001 die Bayern in Mailand die Champions League gewannen. Acht Jahre später steht der 23. Mai für einen Tag, an dem sich Vergangenheit und Zukunft des Klubs kreuzen.

Vergangenheit deshalb, weil an diesem Tag das ganze Experiment Klinsmann und seine Folgen noch einmal sichtbar werden. Die Erinnerung an Klinsmanns Versprechen, jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser zu machen; an Klinsmanns personelle, taktische und pädagogische Fehler; an Klinsmanns enttäuschende Ergebnisse in Hannover (0:1), gegen Bochum (3:3) oder gegen Köln (1:2), mit denen die Bayern die Meisterschaft verloren haben; aber auch an die wankelmütige Haltung der Bosse zu Klinsmann.

27 Tage ist Jürgen Klinsmann nicht mehr im Amt, doch diese 27 Tage haben natürlich nicht ausgereicht, die Klinsmann-Zeit aus dem Münchner Gedächtnis zu tilgen. Und so teilen die Münchner viele kleine Seitenhiebe aus und sinnieren darüber, was in dieser Saison möglich gewesen wäre, wenn ... Manager Uli Hoeneß rechnet hoch, wo die Bayern stehen würden, wenn sie immer so viele Punkte geholt wie in den letzten fünf Spielen unter Jupp Heynckes. Klub-Chef Karl-Heinz Rummenigge sagt, technisch und taktisch habe sich einiges zum Positiven bewegt. Und Mark van Bommel lobt an Heynckes, dass er die Mannschaft stimuliert und korrigiert habe, gut analysiert und Ruhe gebracht habe. Kritik an Klinsmann, verpackt in Lob für Heynckes.

Am vergangenen Mittwoch bei "Stern TV" hat Klinsmann sein Schweigen gebrochen und über seine Zeit als Bayern-Trainer gesprochen. Manch exklusive Meinung hat er dabei kundgetan, und manche Meinung war so exklusiv, dass Hoeneß ein paar Worte zu dieser Sendung verlieren wollte.

Und die fielen dann in bester Hoeneß-Manier auch heftig aus: "Ich habe in Latein mal gelernt: Si tacuisses, philosophus mansisses, das heißt: Wenn du geschwiegen hättest, wärst du Philosoph geblieben. Ich glaube, das wäre besser gewesen. Und auch Herr Jauch hat sich demaskiert als Gefälligkeitsjournalist, und das habe ich ihm ehrlich gesagt nicht zugetraut. Herr Eitel (Berater von Jürgen Klinsmann, Anm. d. Red.) hat die Fragen aufgeschrieben, und Herr Jauch hat sie dann vorgelesen, das Spiel kennen wir ja."

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Zum anderen wollen die Bayern diesen 23. Mai aber auch als Tag des Aufbruchs werten. Platz zwei ist geschafft, die direkte Qualifikation für die Champions League erreicht, finanzielle Planungssicherheit geschaffen. Nun können Hoeneß & Co. (wobei unter Co. vor allem Christian Nerlinger fällt, der ab 1. Juli als Sportdirektor arbeitet, wie Hoeneß am Samstag bestätigte) die Komposition des neuen Kaders angehen. Denn was sie in den anstrengenden Klinsmann-Tagen wie in der befriedigenden Heynckes-Zeit erlebt haben, kann sie nicht zufrieden stellen.

Wer neben den bereits feststehenden Zugängen Anatolij Timoschtschuk (Zenit St. Petersburg, Mittelfeld), Alexander Baumjohann (Borussia Mönchengladbach, Mittelfeld) und Ivica Olic (Hamburger SV, Angriff) konkret kommt, ist noch ungewiss. Aber Hoeneß wäre nicht Hoeneß, wenn er nicht große Worte wählen würde: "Da wird einiges passieren. Wir werden eine sehr attraktive Mannschaft haben."

Die Torwart-, die Außenverteidiger- und die Angreiferposition gelten als die Haupt-Baustellen in der Mannschaft. Doch vielleicht verschieben sich auch noch einmal die Akzentuierungen. Denn gegen Stuttgart lieferte Torwart Jörg Butt wie schon in den vergangenen Wochen eine gute Leistung ab. Der gab sich nach dem Spiel wortkarg: "Ich habe keine Lust, direkt nach dem Spiel über die neue Saison zu sprechen. Wir gehen jetzt erstmal in Urlaub." Und andererseits müssten die Bayern-Bosse nach den Saison-Leistungen der Innenverteidiger im Allgemeinen und der Leistung der Innenverteidiger van Buyten und Demichelis gegen Stuttgart im Speziellen auf dieser Position höheren Handlungsbedarf sehen als auf der Planungsstelle im Tor. Doch auch das Festgeldkonto der Bayern ist nicht unerschöpflich.

Am heftigsten flirten die Bayern derzeit mit Stuttgarts Angreifer Mario Gomez. "Er ist ein sehr interessanter Spieler", sagte Hoeneß am Samstag. "Ich würde ihn kaufen", sagte Franz Beckenbauer. Am Sonntag im DSF-Doppelpass wurde Hoeneß noch offensiver: "Wir werden uns um ihn bemühen", sagte er: "Wir werden nächste Woche Gespräche führen. Ich bin da relativ optimistisch." Der deutsche Rekordmeister sei finanziell in der Lage, für den noch bis 2012 an den VfB gebundenen Gomz auch 30 Millionen Euro oder mehr zu bezahlen, bestätigte Hoeneß.

Daneben muss Bayern aber aufpassen, dass Hoeneß' Satz "Da wird einiges passieren" sich nicht ins Negative verdreht. Denn es könnte durchaus auch passieren, dass in der kommenden Saison Franck Ribéry nicht mehr das Trikot der Bayern trägt. Seine Frau soll sich bereits in Madrid nach einem Haus umgeschaut haben, heißt es. Hoeneß betonte jedoch: "Er hat noch zwei Jahre Vertrag ohne jegliche Ausstiegsklausel."

Alles Spekulation, wehrt Hoeneß ab, und kein Thema für ein Gespräch 45 Minuten nach dem letzten Saisonspiel. Ab Montag gehe es um die neue Saison, dann komme auch der neue Bayern-Trainer Louis van Gaal zu Gesprächen nach München, und bis zu seinem Urlaub am 12. Juni würde der FC Bayern schon die eine oder andere Personalie bekannt geben.

Das Experiment Klinsmann ist endgültig vorbei. Das nächste Experiment kann kommen.

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