FC Bayern:Gefräßig ohne Ende

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Schon früh war Schluss mit lustig: Kingsley Coman (links) eröffnet den Torreigen in Paderborn. (Foto: Jan Huebner/imago)

Selbst im DFB-Pokal-Viertelfinale beim SC Paderborn nehmen die Münchner die Sache so ernst, dass es die Fußballnation erschrecken muss.

Von Philipp Selldorf, Paderborn

Nach ungefähr einer Stunde Spielzeit im eisgekühlten ostwestfälischen Flachland erlebte Arjen Robben eine bittere Enttäuschung. Es war für ihn ja schon schwer zu verkraften, dass der gegnerische Torwart Michael Ratajczak seinen Schuss über die Latte gelenkt hatte, aber was dann geschah, das schien Robben fundiert aus der Fassung zu bringen: Just als er sich zur Erledigung des Eckstoßes in Richtung Eckfahne aufgemacht hatte, bedeutete ihm der Linienrichter, dass der Eckstoß auf der anderen Seite auszuführen sei - und man kann sich kein Kind vorstellen, das über ein Weihnachten ohne Geschenke enttäuschter sein könnte, als es Robben in diesem Moment war, weil ihm das Vergnügen und das Privileg vorenthalten wurden, den Eckball zu schießen.

Man tut Arjen Robben weder unrecht noch eine Beleidigung an, wenn man ihn für einen sehr speziellen Kauz unter den Profifußballern hält. Seit zwei Wochen ist der Mann 34 Jahre alt, er ist verheiratet und zieht zwei Kinder groß, er hat die größten Finals gespielt, die sein Sport zu bieten hat, und viele glänzende Pokale in den Himmel gestemmt, aber wenn er Fußball spielt, dann sind all diese Lebensleistungen vergessen, dann ist jeder Moment des Spiels der definitive Mittelpunkt des Weltgeschehens, selbst wenn es bereits 4:0 für seine Mannschaft steht und ein banaler Eckball das Thema ist.

Robben eifert, Hummels mosert, Vidal foult - lauter gute Signale

Sucht jemand nach einer Erklärung, wie es der FC Bayern fertigbrachte, das Pokalspiel beim SC Paderborn ebenso energisch wie elegant 6:0 zu gewinnen, dann genügt der Blick auf Arjen Robben. Diese Geschäftigkeit, mit der er immer wieder aufs Neue über die rechte Flanke prescht, dieser Ehrgeiz, sich durchzusetzen und aus jedem Angriff das Beste zu machen, diese Gier nach Toren und dieses eifernde Intervenieren, wenn der Schiedsrichter dem Gegner einen Freistoß zugesprochen hat, und sei dieser noch so berechtigt gewesen - das alles ist so typisch für Robben, dass es verzweiflungswürdig ist. Denn der holländische Angreifer ist in seinem unerschöpflichen Tatendrang nicht der einzige beim FC Bayern, die Kollegen sind ja kaum weniger gefräßig. Arturo Vidal hat mehr als ein halbes Dutzend Fouls begangen gegen den Drittligisten, nicht weil er ein böser Mensch ist, sondern weil er die Sache so ernst genommen hat. Mats Hummels hat sich - Spielstand 4:0 - über Nachlässigkeiten seiner Vorderleute so laut beschwert, dass sämtliche 15 000 Zuschauer daran teilhaben durften. Trainer Jupp Heynckes hat nicht übertrieben, als er später befriedigt feststellte: "Ich muss sagen, dass wir sehr motiviert ins Spiel gegangen sind und eine Top-Mannschaftsleistung gebracht haben."

Wäre dieses Spiel ein Kinofilm gewesen, dann würde es der Kategorie "Feelgood-Movie" angehören. Es war unterhaltsam und beschwingt und hat allen Freude gemacht. Dass die Bayern mit sich und ihrer Welt so einverstanden waren, das hatten sie auch dem Gegner zu verdanken, der ein glanzvoller 0:6-Verlierer war. So wie es Paderborn gemacht hat, so spielt in der Bundesliga kaum einer gegen die Bayern. Von der ersten bis zur letzten Minute ist der Außenseiter aus der dritten Liga seinem feinen, offensiven Kombinationsspiel treu geblieben, es gab kein Einigeln und keinen Sicherheitsfußball, und der Torwart Ratajczak hat keinen einzigen Ball weggeschlagen, obwohl es an Gelegenheiten dazu nicht mangelte.

Jupp Heynckes prophezeit den Paderbornern den Aufstieg

Für die mutige und sehr ansehnliche Spielweise gab es mehr Lob von den Bayern, als SC-Trainer Steffen Baumgart vertragen konnte. Während Heynckes Paderborn den Aufstieg und eine erfreuliche Perspektive prophezeite ("Sie werden in der zweiten Liga eine gute Rolle spielen"), bekannte sich Baumgart schuldig: "Wenn einer die Mannschaft ins Verderben geführt hat, dann war ich es." Trotzdem bekannte sich der Coach als Überzeugungstäter: "Wir wollen diesen offensiven Fußball."

Die Paderborner hatten mehr Chancen erwirtschaftet, als es die Bayern von Gegnern aus der Bundesliga kennen, sie schossen gegen den Pfosten und verfehlten das leere Tor. Aber selbst wenn sie hin und wieder getroffen hätten, wäre ihr Scheitern unausweichlich gewesen. Zu viele Robbens standen auf der Gegenseite, und deshalb bietet auch das Modell Paderborn keine Ermutigung für die Münchner Konkurrenz.

"Nachlassen wird meine Mannschaft nicht, egal in welchem Wettbewerb", sagte Heynckes, und das war keine billige Drohung, sondern eine Anmerkung zur Lage der Fußballnation.

© SZ vom 08.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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