FC Bayern:Ein bisschen eine Einheit

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Umarmen und loben statt meckern und beschimpfen: München nutzt einen ungefährdeten 4:0-Sieg gegen den FSV Mainz 05 zur demonstrativen Versöhnung mit sich selbst.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Am Ende dieses Nachmittags voller Umarmungen und Küsschen und Komplimente warteten auf Arjen Robben seine Frau, seine Tochter, seine zwei Söhne. Die Statistik seiner Gesten der Zuneigung erweiterte sich also um weitere Umarmungen, um weitere Küsschen, Robben führte in dieser Rubrik nun endgültig uneinholbar. Umrahmt von seiner Familie verließ er die Arena, auch das sicherte ihm noch ein paar Zuneigungspunkte.

Ein Tor hat Robben am Samstag auch erzielt, aber diese Statistik war ausnahmsweise nebensächlich. Zumal in ihr ein Fehler steckte, fand zumindest Arjen Robben.

Wem denn nun das erste Tor für den FC Bayern gegen den FSV Mainz 05 gehöre, wollten die Reporter wissen. Die Antwort kam ohne eine Sekunde des Zögerns: "Mir natürlich!" Kurzes Lachen. Dann sagte Robben: "Da kann man viel draus machen." Gut, der Schuss kam von Thomas Müller, das schon. Aber sei es nicht "schon auch wichtig" gewesen, dass er, Robben, den Ball mit dem Knie berührt habe? René Adler, der Mainzer Torwart, hätte den Ball sonst ja gehabt, "der war schon unterwegs". Geht es nach Robben, müsste die Statistik mit den Torschützen also hinter seinem Namen eine "2" aufweisen, keine "1". Aber die Statistik mit den Torschützen war ja eben auch nebensächlich.

Robben lobt Müller: "Mit Thomas hat man viel mehr Bewegung"

Der FC Bayern hat sich beim 4:0 (2:0) gegen Mainz demonstrativ mit sich selbst versöhnt, sie haben sich alle wieder so richtig, richtig gerne. Die Mannschaft hat dafür keinen Mediator gebraucht, sie mussten sich nicht einen Tag lang in einem Kloster einschließen. Es hat gereicht, dass sie Arjen Robben und Thomas Müller hatte.

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(Foto: Jan Huebner/imago)

Ein Nachmittag zum Anspringen, Herzen und Küssen: Der FC Bayern hatte viel Spaß, zum Beispiel die Torschützen Thomas Müller (links) und Robert Lewandowski.

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(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Leichtfüßig, weil leichtes Spiel? Zumindest in der Bundesliga machten es die Gegenspieler von Mainz 05 Arjen Robben nicht eben schwer zu glänzen.

Die Schmusenden: Franck Ribéry und Arjen Robben tauschen bei der Einwechslung des Franzosen für den Niederländer Zärtlichkeiten aus.

Am Samstag hat sich kein Spieler über die Transferpolitik des Vereins beklagt, es hat keiner über seinen Platz auf der Bank geschimpft, es hat keiner nach seiner Auswechslung sein Trikot gegen die Bank geschleudert. All das war ja in den vergangenen Wochen passiert, es hatte das Bild einer Mannschaft erzeugt, deren Spieler wenig Interesse daran hatten, den anderen etwas Zuneigung zu zeigen. Nach dem 3:0 gegen Anderlecht habe das Team "ein bisschen Gesprächstherapie" gemacht, sagte Mats Hummels. Mit Erfolg. "Wir haben ein bisschen mehr auf den Nebenmann geschaut, wir haben ein bisschen mehr als Einheit gespielt", sagte Müller.

Exemplarisch dafür standen die ersten drei Tore, und vor allem die Art, wie diese gefeiert wurden. Nach dem ersten, bei dem Robben einen Schuss von Müller mit dem Knie abgefälscht hatte, sprangen beide in die Luft, dann guckten sie sich an, und weil sie unsicher waren, wer in die Statistik würde eingetragen werden, jubelten sie miteinander (die Deutsche Fußball Liga entschied sich für Müller, von einem offiziellen Einspruch von Robben ist bisher nichts bekannt).

Nach dem zweiten Tor, das Robben nach seinem Lupfer unwidersprochen zugeordnet wurde, rannte der Niederländer über den gesamten Platz zur Ersatzbank, auf der Franck Ribéry saß. Robben zeigte auf seinen rechten Fuß, mit dem er ausnahmsweise getroffen hatte, dann umarmten sich die beiden. "Es gab schon Zeiten, in denen Robben und Ribéry weniger Sympathie füreinander hatten", sagte Müller später; er dachte wohl vor allem an das Frühjahr 2012, als Ribéry in der Kabine Robben eine Ohrfeige verpasst hatte. Nach dem dritten Tor waren die Versöhner Müller und Robben sofort beim Torschützen Robert Lewandowski, der bis dahin als einziger gelegentlich auch eine negative Körpersprache gezeigt hatte - er hatte ja auch noch nicht selbst getroffen. Wieder gab es: eine innige Umarmung. Beim vierten Tor, das erneut Lewandowski erzielte, waren dann schon alle miteinander versöhnt, nun brauchte es keine große Geste mehr.

Außerdem war der Oberversöhner Robben zu diesem Zeitpunkt bereits ausgewechselt worden, natürlich hatte er das Spielfeld nicht einfach so verlassen. Stattdessen hatte er seinem Ersatzmann Ribéry ein Küsschen auf die Wange gedrückt.

Diese Partie gegen Mainz, sagte Robben später, sei ein "richtiger Schritt gewesen, es hat wieder "viel, viel Spaß gemacht"; und weil er gerade ohnehin in einer generösen Laune war, hielt er noch ein Plädoyer für Müller. "Das war vielleicht der Schlüssel", dass dieser wieder hinter Lewandowski gespielt hatte. Robben meinte dabei nicht all die Szenen, in denen Müller nach einem missratenen Pass dem jeweiligen Mitspieler sofort aufmunternd applaudierte. Er meinte all die Angriffe, in denen Müller eine zentrale Rolle einnahm. "Mit Thomas hat man viel mehr Bewegung. Thomas ist wie ein zweiter Stürmer, der geht in die Lücke, der geht in die Tiefe und reißt Lücken auf und macht Raum für andere", lobte Robben, er verschwieg dabei höflich, dass die Mainzer Defensive ohnehin recht lückenhaft unterwegs war. "Es macht mir immer viel Spaß, ich spiele immer gerne mit Thomas zusammen, und das funktioniert immer gut", lobte Robben weiter, "mit Thomas auf dem Platz spiele ich auch ...", erst jetzt bremste sich der Niederländer, er wollte sich bloß nicht zu stark in die Aufstellung des zuletzt häufig kritisierten Trainers Carlo Ancelotti einmischen. Also atmete Robben durch, dann sagte er: "Na ja, vielleicht nicht besser." Vielleicht aber auch schon.

Dann ging Robben zu seiner Familie, weitere Umarmungen, weitere Küsschen. Aber die Spiele, in denen dann doch die Statistik mit den Torschützen die wichtigste ist, die kommen ja erst noch.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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