FC Bayern:Den Bart gestreichelt

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Franck Ribéry fällt aus der Rolle, Mats Hummels verlässt humpelnd den Rasen: Nach dem 1:0 beim HSV nimmt der FC Bayern zwei Probleme mit auf die Champions-League-Reise zu Atlético Madrid.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Der Fußballprofi Franck Ribéry hat schon ein paar Schlachten geschlagen in seinen 33 Jahren, auf dem Platz und auch sonst im Leben. Seit er im Sommer 2007 aus Frankreich nach München kam, wurde sein vernarbtes Charaktergesicht zu einem Antlitz des FC Bayern. In neun Spielzeiten hat der Kindskopf aus Boulogne-sur-Mer mit seinem Klub einerseits alles gewonnen und andererseits hat er immer wieder mit eigenwilligen Zugriffen verwirrt - die Regeln innerhalb und außerhalb der Rasenlinien interessieren ihn nicht immer. Jetzt geht es also in der Champions League zu Atlético Madrid, und vor diesem Härtetest am Mittwochabend fragt man sich mal wieder: Muss es eigentlich immer zwei Ribérys geben?

Beim unnötig mühsamen 1:0-Erfolg am Wochenende beim Hamburger SV war der doppelte Franck groß in Form. Erst saß er eine Stunde lang auf der Ersatzbank, der Trainer Carlo Ancelotti hat ja noch mehr Auswahl als Pep Guardiola. Dann ging es los. Auf Linksaußen dribbelte der eingewechselte Franzose noch freudiger durch die hanseatische Kämpfertruppe als zuvor sein junger Landsmann Kingsley Coman. Nach Thiagos Zauberpass in der 88. Minute trat Ribéry kurz an, versetzte Gotoku Sakai und bediente wunderbar den Schützen Joshua Kimmich. Mit zwei Toren und fünf Vorlagen gehört der unberechenbare Ribéry wieder zu den entscheidenden Figuren der Bayern, die alle Pflichtspiele der Saison mehr oder weniger deutlich gewonnen haben. Ribéry ist die Nummer eins der Scorerliste und spielt unter Ancelotti auf wie lange nicht. Das Problem: Eventuell hätte er in der 73. Minute den Rasen verlassen müssen. Denn da wurde das Enfant terrible wieder einmal verhaltensauffällig.

Lust: Torschütze Joshua Kimmich feiert mit Frank Ribéry das 1:0 der Bayern. (Foto: MIS/imago)

Hummels geht, Boateng kommt: So einen Tausch hat kaum ein anderer Verein auf Lager

Diesmal kniff er den Hamburger Nicolai Müller heftig in die rechte Wange. Das Opfer gab zwar Entwarnung, Müller tat so, als müsse man sich im Männersport nicht über jeden Zupfer aufregen: "Franck wollte mir wohl nur den Bart streicheln." Doch ganz formell hätte Schiedsrichter Felix Zwayer statt der gelben schon auch die rote Karte zücken können. Obendrein ist Ribéry Wiederholungstäter, was seine Entlastung zunehmend erschwert und für den FC Bayern bisweilen zum Betriebsrisiko wird. Im Supercup gegen Borussia Dortmund fuhr er kürzlich gegen Felix Passlack unfein den Ellenbogen aus, im Pokalfinale hatte er Gonzalo Castro einen Finger ins Auge gebohrt. So geht das seit Jahren, was auch Trainer und Mitspieler nicht zwingend amüsiert. "Es ist immer fragwürdig, wenn die Hand im Gesicht ist", sagte Mats Hummels nach Ribérys Begegnung mit dem bärtigen HSV-Müller. "Wenn die beiden Freunde sind, dann sagt man, es war eine Nettigkeit. Aber ich weiß nicht, wie gut sich die beiden kennen."

Bei Hummels selbst ging es an diesem schönen Frühherbst-Nachmittag im Volksparkstadion ansonsten eher um sein eigenes rechtes Knie als um fremde Hände und Backen. Beim Duell mit dem bemühten Hamburger Stürmer Bobby Wood aus Honolulu, der fünf lehrreiche Jahre bei 1860 München verbracht hatte, wurde Hummels gegen Ende der ersten Halbzeit unangenehm am Knie getroffen; ein Zweikampf wie Tausende andere und dennoch unangenehm. Er lag erst auf dem Rasen, machte dann weiter und humpelte nach 51 Minuten schließlich gestützt vom Feld; später stand er aber ohne Hilfsmittel in den Katakomben. Die ersten Tests hätten nichts ergeben, meinte Hummels, "ich habe Hoffnung, dass es am Mittwoch wieder geht".

Schmerz: Verteidiger Hummels humpelt verletzt vom Feld. (Foto: Fabian Bimmer/Reuters)

Sollte es nicht gehen, dann wären Javi Martínez und Jérome Boateng zur Wochenmitte im Estadio Vicente Calderón ebenfalls eine sehr ordentliche Variante. In Hamburg spielte Hummels neben dem Spanier Martínez, und als er nicht mehr konnte, kam eben Boateng. Weltklasse-Innenverteidiger gegen Weltklasse-Innenverteidiger, so einen Tausch hat in dieser Klasse kein anderer Verein auf Lager. Überhaupt sind die Bayern trotz der Sorgen um Hummels' Knie und Ribérys Launen "die beste Mannschaft der Welt", wenn man Bruno Labbadia glaubt, dem seit Sonntag ehemaligen Trainer des HSV.

Als Boateng den verletzten Hummels ersetzte, wurden die vorher mittelprächtigen Bayern zumindest gut. Deutschlands Fußballer des Jahres führte sich außer mit zuverlässiger Defensivarbeit auch mit feinen Pässen ein, gerade so, als habe er nie gefehlt. Kimmichs später Treffer beschloss da nur die Chronologie eines angekündigten Tores. In Madrid wird der deutsche Dauertabellenführer dennoch zielstrebiger und aufmerksamer auftreten müssen als beim tapfer-biederen HSV, wobei Ancelotti allerlei Möglichkeiten hat. Arjen Robben und Xabi Alonso blieben in Hamburg bis zum Schluss Ersatz, Boateng und Arturo Vidal waren nur 30 oder 40 Minuten im Einsatz. Er bevorzuge alle paar Tage ein frisches Team, erläuterte der gelassene Rotationsfreund Ancelotti.

Der Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge wünscht sich mit dem Italiener einen bis drei Punkte in Madrid, unter Ancelottis Vorgängern wurde in Spanien zuletzt meistens verloren. Aber eine Revanche sei es nicht, meint Philipp Lahm, "das ist die Gruppenphase und nicht das Halbfinale der Champions League". Im Mai waren sie am Ende der Ära Guardiola bei Atlético ausgeschieden, mit Ribéry und ohne Hummels, in einer schon wieder anderen Zeit.

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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