FC Bayern:Ende der Gemütlichkeit

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Mario Götze wollte sich in der kommenden Saison endgültig durchsetzen - jetzt spricht er über ein schwieriges Verhältnis zu Pep Guardiola.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Der Zeuge R. war befangen, und dennoch wurde auch seine Aussage in diesem bizarren Streitfall zu Protokoll genommen. R. stand wenige Meter entfernt vom Ort des Geschehens, an dem sich knapp 100 Minuten zuvor die beiden erwachsenen Männer G. und J. angebrüllt hatten, teilweise konnten sie nur durch andere Männerarme voneinander ferngehalten werden. "Ich war vorher schon in der Kabine, habe nur die Schreie gehört", sagte also der Fußballspieler Sebastian Rode, "ich habe mir nur gedacht: ,So schlecht haben wir doch gar nicht gespielt, wen schreit er jetzt an?'" Vermerkt wurde diese Aussage im Protokoll als die Bestätigung, dass einer der beiden Männer Pep Guardiola war, Rodes Trainer beim FC Bayern. "Aber wenn es der Nigel de Jong war", sagte der durchaus befangene Zeuge Rode über den anderen Streitenden, "dann war's verständlich."

Die Wut des Pep Guardiola war das große Thema am Dienstagabend in der Münchner Arena, schon während der ersten Spielhälfte hatte er sich mit de Jong angelegt, da dieser seinen Spieler Joshua Kimmich grob umgetreten hatte; der U21-Nationalspieler wird aufgrund einer leichten Oberschenkelprellung ein paar Tage lang pausieren müssen. In der Halbzeitpause, auf dem Weg in die Kabine, kamen sich Guardiola und de Jong erneut näher, der Trainer fuchtelte mit den Armen, de Jong musste von Betreuern zurückgehalten werden. Und so redeten noch lange nach dem 3:0 des FC Bayern in einem Testspiel gegen den AC Mailand alle über Guardiola.

Lohn für eine engagierte Leistung: Mario Götze (Zweiter von rechts) erzielt das 2:0 im Spiel gegen den AC Mailand. (Foto: Jason Cairnduff/Reuters)

Doch hinter dem Zorn des Trainers versteckte sich ein weiteres Thema, das demonstrierte, wie angespannt die Stimmung beim FC Bayern eineinhalb Wochen vor dem Saisonauftakt ist. Das andere Thema lieferte Mario Götze. Ihm reichten dazu wenige knappe Sätze.

Götze hatte gegen Mailand das zweite Tor erzielt, anschließend klopfte er sich mit der Hand auf die linke Brust, dorthin also, wo das Klub-Wappen auf das Trikot genäht ist. Nun aber nuschelte er Aussagen, die seinen Gesten auf dem Platz widersprachen. "Natürlich, es war die letzten zwei Jahre nicht ganz so einfach. Wir werden jetzt mal sehen, was passiert."

Und auch er redete über den Beschuldigten G. "Es wird sich herausstellen, ob der Trainer häufiger mit mir spricht. Ich lasse es jetzt erst mal auf mich zukommen."

Diese Sätze hatten trotz ihres weichen Tonfalls eine für Götze ungewöhnliche Schärfe, selten wird er so konkret, zuletzt vor knapp zwei Wochen, als er mit Bestimmtheit sagte, dass er sich unbedingt beim FC Bayern durchsetzen wolle. Seine Aussagen vom Dienstag lassen sich nun wieder einmal in alle Richtungen interpretieren, italienische Medien zum Beispiel berichten ja weiterhin unerschrocken, dass Juventus Turin an Götze interessiert sei. Ein Gerücht, das dadurch besonders unerschrocken wird, da sich Mario Götze nach SZ-Informationen zumindest einen Wechsel in die italienische Serie A überhaupt nicht vorstellen kann.

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Es war doch nur ein Freundschaftsspiel.

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Oder hat jemand vergessen,...

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...das Münchens Trainer Pep Guardiola zu übermitteln?

Durch seine widersprüchlichen Aussagen bleibt Mario Götze auch vor der neuen Spielzeit das Luxusproblem im Kader des FC Bayern. Ein Luxusproblem, bei dem es auch um den richtigen Umgang geht und bei dem darum beide Seiten verlieren können. Mario Götze, weil er noch beweisen muss, dass er sich in einem üppig besetzten Kader wie dem des FC Bayern behaupten kann. Und der Verein, weil er noch beweisen muss, dass er (oder zumindest der Trainer G.) einen Spieler aufbauen kann, der nicht nur viel Feingefühl in den Füßen hat, sondern auch ein feinsinniges Gemüt. "Mario ist einer meiner liebsten Spieler, ein super Typ und super Profi", hatte Guardiola noch am Montag gesagt. Allerdings mit dem eindeutigen Nachsatz: "Die Spieler müssen mich überzeugen, nicht hier, sondern auf dem Platz." Was auch der einzige Ort sein soll, an dem Pep Guardiola mit Mario Götze redet, ein Umstand, unter dem der Spieler leidet, da es ihm oft nicht klar ist, wie sehr ihm der Katalane vertraut und in wie weit er dessen Ansprüche erfüllt.

Um diesen eigenwilligen Trainer zu überzeugen, hat Götze in der Sommerpause akribisch an seinem Körper trainiert, hat sich zwei Tage lang an der Deutschen Sporthochschule in Köln untersuchen lassen, hat seine Ernährung umgestellt. So präsentierte er sich gegen Mailand in einem drahtigeren Körper, der ein robustes Gerüst sein soll für sein Feingefühl. Zudem harmonierte er erstaunlich gut mit den Zugängen Douglas Costa und vor allem Arturo Vidal. Guardiola hatte Götze als Ersatz für Robert Lewandowski als einzige Sturmspitze aufgestellt, direkt dahinter hatte er den Chilenen Vidal positioniert, dorthin also, wo sonst Thomas Müller spielt. Götze tauschte mit Vidal munter die Positionen, holte sich teilweise hinter der Mittellinie den Ball, um dann selbst einen Angriff zu starten. Er nutzte auf einmal Räume, die ihm sonst manchmal die Außenbahnen-Dribbler Arjen Robben und Franck Ribéry wegnehmen - und hinter deren Eigensinn es sich Götze zuletzt ab und zu gerne gemütlich gemacht hat.

Nachdem er am Dienstagabend seine Sätze gemurmelt hatte, ließ sich Mario Götze eine Schale mit Gemüse geben, dann lief der Offensivspieler zum Ausgang. Unscheinbar huschte er in die Nacht, und wie es so oft sein Schicksal ist, waren wieder einmal seine Worte geblieben. Und nicht seine Taten.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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