FC Barcelona: Josep Guardiola:Verfolgt von Dämonen

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Barça-Trainer Guardiola liebt den Ball und fürchtet Germanen. Und so wäre es nicht verwunderlich, wenn Barça in München mit zwei eher defensiven Mittelfeldspielern agiert.

Javier Cáceres

Sonderlich viele Hoffnungen hatte Josep Guardiola, Trainer des FC Barcelona, nicht in den Einspruch gelegt. "Man hatte mir schon vorher gesagt, dass die Rechtskommission der Uefa nur äußerst selten Berufungen stattgibt", sagte Guardiola.

Barcelonas Trainer Josep Guardiola, im Hinspiel vom Spielfeldrand verbannt, darf das Rückspiel in München nur von der Tribüne aus verfolgen. (Foto: Foto: Getty)

Beim Hinspiel gegen den FC Bayern hatte Guardiola allzu lautstark gegen die Tatsache protestiert, dass Barça-Stürmer Lionel Messi von seinem Bewacher Christian Lell im Strafraum zu Fall gebracht und dazu noch wegen vermeintlicher Schwalbe mit einer gelben Karte bestraft worden war (die nach einem ebenfalls abgewiesenen Barça-Protest ebenfalls Bestand hat).

Wegen seines Gefühlsausbruchs war Guardiola vom Platz verwiesen worden, die von der Europäischen Fußball-Union (Uefa) bestätigte Sperre muss der Coach im Rückspiel an diesem Dienstag auf der Tribüne absitzen. Sich dort zurückzulehnen, das eigene, weltweit gelobte Werk aus Anlass seines 50. Pflichtspiels entspannt aus der Vogelperspektive zu betrachten, das hätte etwas - wenn, ja wenn sich Guardiola nicht von nie restlos exorzierten germanischen Dämonen verfolgt sehen würde.

Kaiserslautern und Leverkusen

4:0 gewann sein Team das Hinspiel, nach dem Kollaps hissten sämtliche Vertreter der Münchner die weißen Fahnen der Kapitulation - und doch sieht Guardiola nicht den geringsten Anlass, einen Moment der Entspannung zuzulassen. "Ich glaube diesen Diskurs der Bayern nicht", sagte Guardiola nach dem Ligapflichtsieg vom Samstag gegen Recreativo Huelva (2:0), "wenn wir sie nicht ernst nehmen, überrollen sie uns." Sprach's und verwies auf die Wunden auf seiner Seele: "Ich war in Kaiserslautern."

Wie ein immerwährender Albtraum lebt die Partie in ihm fort, die er im November 1991 auf dem Betzenberg erlebte. 2:0 hatte Barcelona im Hinspiel gewonnen, im Rückspiel führte Kaiserslautern bis kurz vor Abpfiff 3:0, ehe José María Bakero per Kopf doch noch das 1:3 erzielte - und so den Weg zu Barças erstem Gewinn des Europacups der Landesmeister ebnete (es folgte der Champions-League-Sieg 2006).

Mindestens ebenso oft wie über die furchterregende Dynamik der Partie von Kaiserslautern hat er mit seinem Freund Ernesto Valverde, einem früheren Barça-Spieler und heutigen Meistertrainer bei Olympiakos Piräus, über das Uefa-Cup-Finale von 1988 gesprochen. Damals spielte Valverde bei RCD Español Barcelona, das im Hinspiel ein 3:0 gegen Bayer Leverkusen herausgeschossen hatte - die Entscheidung fiel im Rückspiel im Elfmeterschießen und ging verloren.

Auch deshalb ficht ihn nicht an, dass es in der Geschichte der Europapokalspiele trotz 177 Gelegenheiten nie einer Mannschaft gelang, einen 4:0-Vorsprung zu verspielen. Und schon gar nicht, dass er dank nunmehr 37 Siegen, sieben Remis und fünf Niederlagen (132:41 Tore) der Barcelona-Trainer mit der besten 50-Spiele-Bilanz seit den Tagen des legendären Helenio Herrera (1958) ist. "Der FC Bayern hat bewiesen, dass er imstande ist, vier Tore zu schießen", sagt Guardiola, 38, weshalb er alle seine Stars in den Flieger nach München befahl.

Und um diesen ein subtiles Signal zu geben, wie ernst das Rückspiel zu nehmen ist, hat er sich ausbedungen, die Pressekonferenz dort selbst zu halten - und nicht etwa seinem Assistenten Tito Vilanova zu überlassen. Schon einmal hat Vilanova seinen zwei Jahre jüngeren Chef Guardiola vertreten, vergangene Saison, als beide die zweite Mannschaft des Klubs, Barça Atlétic, aus der drittklassigen "Segunda B" in die zweitklassige "Segunda A" führten.

Europapokal-Historie
:Dramen mit Barça

Es steht zu befürchten, dass das Rückspiel zwischen Bayern und Barcelona ziemlich fade wird - doch in der Historie gab es in Partien zwischen deutschen Klubs und Barcelona schon wahre Dramen.

Befreundet sind sie seit über 20 Jahren, denn beide wurden in Barcelonas Jugendakademie ausgebildet, nach den Grundsätzen des Klub-Ideologen Johan Cruyff, des damaligen Trainers. Im Mai 1989 ließ er beide in einem Test in der katalanischen Provinz, bei Banyoles, auf der gleichen Position vorspielen. Guardiola durfte in der ersten, Vilanova in der zweiten Halbzeit vor der Abwehr agieren.

Den Sprung in Barcelonas Profimannschaft schaffte Vilanova nicht, wohl aber Guardiola. Zumal sich der Niederländer Cruyff in dem dünnbrüstigen Mittelfeldmann wiederfand: "Er erinnerte mich an mich. Wer physisch schwach ist, muss intelligent sein." Als herausragend intelligent galt Guardiola schon als Jugendspieler. "Er ist ein Weiser des Fußballs", sagte der frühere Profi Josep María Fusté, der in den Achtzigern für die Jugendabteilung Barcelonas verantwortlich war.

Nichts haben Guardiola, aber auch Vilanova so intensiv aufgesogen wie die Cruyff'schen Theorien. "Es waren einfache Dinge", hat Guardiola einmal erzählt, "tausend fußballerische Details, durch die man Dinge im Spiel vorher wahrnimmt. Wo sich warum die Räume öffnen, wohin man selbst schauen muss, wenn alle Welt nur auf den Ball stiert."

Ewige Ballstafetten

Der Grundgedanke aber war immer das möglichst direkte Spiel: "Wenn du den Ball einmal berührst, spielst du sehr gut. Wenn du ihn zwei Mal berührst, spielst du mittelmäßig. Wenn du ihn drei Mal berührst, spielst du schlecht", hatte Cruyff erklärt, entsprechend bestanden Trainingseinheiten nicht aus nervtötender Rennerei, sondern aus stundenlangen "Rondos" (Ballkreiseln).

Das schuf das Rüstzeug für die ewigen Ballstafetten, mit denen Barcelonas Belegschaft der fundamentalen Anforderung des Publikums nachkommt: "In Madrid reicht es zu gewinnen; hier fragen wir uns immer, warum wir gewinnen. Wir empfinden es als beklemmend, schlecht zu spielen", erklärt Guardiola.

Doch Guardiolas Fundus an Fußballkultur beschränkt sich beileibe nicht nur auf Cruyffs Credo. Zum Ende seiner aktiven Zeit ging er in die italienische Serie A, um erklärtermaßen für seine Karriere als Trainer zu lernen. Dort stellte er fest, dass sogar die großen Mannschaften ihre Spiele vorbereiten, als wären sie Außenseiter.

Und so wäre es alles andere als verwunderlich, wenn Barça in München mit zwei eher defensiven Mittelfeldspielern agiert, Sergi Busquets und Yayá Touré. Denn: "Wir haben noch gar nichts erreicht", sagt Guardiola.

© SZ vom 14.04.2009/cpah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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