FC Augsburg:Wenn Lehrer lernen

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„Früher war ich noch mehr der Meinung, dass alles nach Schema F funktioniert“, sagt Manuel Baum über die Lektion, die ihm die Bundesliga erteilte. (Foto: Martin Meissner/AP)

Manuel Baum hat in seinem ersten Trainerjahr in der Bundesliga seine Arbeitsweise verändert. Das hat auch etwas mit seiner Zeit in Unterhaching zu tun.

Von Maik Rosner

Ende November sind sich Claus Schromm und Manuel Baum zuletzt begegnet, in Frankfurt, bei einer sogenannten Elite-Cheftrainer-Fortbildung des Deutschen Fußball-Bundes. Das Thema "interkulturelle Handlungskompetenz" stand auf der Agenda, und neben dem Lehrinhalt nahm Schromm, Drittligatrainer in Unterhaching, eine Erkenntnis über den Augsburger Bundesligatrainer Baum mit, die ihn weniger überrascht, sondern gefreut hat, wie er sagt: "Ich glaube, dass er seine grundlegenden Einstellungen und Ansichten deutlich verändert hat."

Schromm und Baum arbeiteten zwischen 2012 und 2014 bei der SpVgg Unterhaching zusammen. Schromm war zunächst Trainer, Baum Teamchef. Im Januar 2014 wurde dann Baum Cheftrainer und Schromm Sportdirektor. Doch schon zwei Monate später musste Baum gehen. Dass Baum damals nicht ganz von seiner Lehre eines offensiven Stils abgerückt sei, könne für die Trennung "sicherlich ein Faktor gewesen sein", sagt Schromm. Er erinnert sich im Gespräch an die "intensiven Diskussionen" mit und über Baum. Lange Abende waren das damals, und Baum sei durchaus "für Veränderungen sehr offen gewesen, aber es hat sich leider nicht mehr in den Ergebnissen gezeigt".

"Augsburg und Europa sind wie AC/DC und Schlager", sagt Baum

Diese Geschichte ist wichtig, wenn man nun vor dem Hinrundenabschluss des FC Augsburg an diesem Samstag (15.30 Uhr) gegen den SC Freiburg auf Baums erstes Trainerjahr in der Bundesliga zurückblickt. Im Sommer 2014 hatte ihn Manager Stefan Reuter als Nachwuchs-Cheftrainer zum FCA geholt, am 14. Dezember 2016 vertraute er ihm nach Dirk Schusters Beurlaubung die Profis an. Ein Jahr und zwei Tage liegt diese Beförderung zurück. Dass Baum nun mit einem Punkteschnitt von 1,31 als erfolgreichster Trainer in den sechseinhalb Jahren Ligazugehörigkeit des FCA geführt wird, hat mit den Erfahrungen in Unterhaching zu tun.

Im April fand sich der 38-Jährige in einer ähnlich brenzligen Situation wie damals bei der SpVgg wieder und musste nicht nur um den Klassenverbleib fürchten, sondern auch um seinen Job. Doch in Augsburg gelang ihm, was in Unterhaching misslang. "Früher war ich noch mehr der Meinung, dass alles nach Schema F funktioniert", sagt Baum selbst. "Es war für mich ganz wichtig, einen Schritt zurück zu machen und das zu verstehen." Dazu zählte auch, nicht mehr alles kontrollieren zu wollen, sondern den Spielern Freiraum für Kreativität zu lassen. Gewonnen hat Baum zudem die Erkenntnis, dass ein Trainer gerade bei gestandenen Bundesligaprofis die Aufgabe habe, "sich an die Spieler anzupassen. Das war ein Lernprozess, der im ersten halben Jahr extrem stattgefunden hat".

Alle, so erzählen sie es in Augsburg, hätten sich damals aufeinander zubewegt. Baum fuhr seine zu hohen Anforderungen in der Trainingsarbeit zurück und ebenso seinen im Vergleich zu Schuster "radikal anderen Ansatz", wie es Präsident Klaus Hofmann im kicker formulierte. Nämlich jenen Anspruch, wonach die Mannschaft mehr gestalten sollte als sie damals konnte. Belohnt wurden Baum und der Verein mit dem Klassenverbleib und inzwischen mit der Aussicht, nach dieser Saison vielleicht zum zweiten Mal in ihrer Geschichte international vorstellig zu werden. Augsburg gehe "Richtung Europa", glaubt Freiburgs Christian Streich, der dienstälteste Bundesligatrainer. Seinen Kollegen Baum nennt er einen "Fuchs", der seine Mannschaft taktisch hervorragend anleite.

Der gebürtige Landshuter Baum will von Dienstreisen über den Kontinent noch nichts wissen. "Augsburg und Europa sind wie AC/DC und Schlager. Das passt nicht zusammen", sagte er am Freitag gar. Doch sollte ohne Verteidiger Kevin Danso (Bänderriss) ein Sieg gegen den SC gelingen, käme der FCA nach der Hinrunde auf 26 Punkte. 27 waren es 2014 unter dem gebürtigen Straubinger Markus Weinzierl, ehe es in der Folgesaison in der Europa League bis zum FC Liverpool ging.

Dass der anfangs kritisch beäugte Baum derart belobigt wird, hat mit jenem Prozess zu tun, den er durchlaufen hat. Seine Entwicklung und die Veränderungen in seiner Arbeitsweise hat Schromm trotz der seltenen Treffen mit Baum registriert. "Wenn man mit ihm spricht, merkt man schon, dass er sich der Situation angepasst hat, was die Bundesliga betrifft und auch erfordert." Zu erkennen sei, dass Baum, anders als in Unterhaching, "eine sehr defensivstarke Mannschaft" geformt habe, die "ein sehr gutes Konterspiel hat". Seine Eindrücke aus der Ferne fasst Schromm so zusammen: "Ich finde es grundsätzlich schön, wenn auch Lehrer lernen." Und er glaubt, dass der frühere Realschullehrer Baum in seiner Entwicklung als Fußballlehrer "schon relativ weit ist. Wenn er das Niveau hält, dann ist alles gut." Darauf hoffen sie auch in Augsburg.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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