FC Augsburg:Schwelle mit Fallhöhe

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Eine Chance für beide Seiten? Augsburgs Trainingsgast Piotr Trochowski, 31, hat seit einem Jahr nicht mehr am Spielbetrieb teilgenommen. (Foto: imago/Krieger)

Durch seine beachtliche Entwicklung entstehen für den FCA auf dem Transfermarkt neue Herausforderungen.

Von Maik Rosner

Am Freitagvormittag hat Piotr Trochowski wieder mittrainiert beim FC Augsburg, und er hat dabei durchaus Eindruck hinterlassen, wenn auch nicht wie gewünscht. Beim Üben von Flanken und Abschlüssen nahm der ehemalige Nationalspieler einen Flugball volley mit links und vollem Risiko. Der Ball schlug dabei ungefähr jenen Kurs ein, den die Nasa-Sonde New Horizons just zurückgelegt hat. Richtung Pluto und noch weiter.

Über Trochowskis körperlichen Zustand und seine Fähigkeiten sagt dieser spektakuläre, aber missglückte Versuch natürlich nichts aus. Er passt nur ganz gut zu jener kniffligen Aufgabe, vor der der FC Augsburg gerade auf dem Transfermarkt steht. Trochowski, der 31 Jahre alte Mittelfeldspieler, ist ein gutes Beispiel.

Aufbauarbeit bei Profis mit einem Knick in der Vita zu leisten, ist kaum noch möglich

Seit einem Jahr hat er nicht mehr am Spielbetrieb teilgenommen. Der FC Sevilla hatte im August 2014 seinen eigentlich bis Juni dieses Jahres laufenden Vertrag gekündigt. Trochowski geht dagegen juristisch vor, geklärt werden soll der Fall erst in diesem September. Anderswo spielen konnte er aus rechtlichen Gründen seither nicht. Ihm sind nur Trainingseinheiten als Gast bei Ferencvaros Budapest geblieben sowie ein individuelles Üben in Hamburg. Erschwerend hinzu kam eine langwierige Knieverletzung. Nun fühlt er sich wieder fit und konnte sich als Gastspieler in Augsburg für zunächst zwei Tage wieder ins Gespräch bringen. Nicht zuletzt beim FCA.

Eigentlich wäre Trochowski mit seiner zuletzt etwas unrunden Vita wie geschaffen für die pfiffigen Schwaben. Schon mehrfach hatten sie ja mutig Spieler verpflichtet, die anderswo nicht mehr erste Wahl waren oder als schwierige Charaktere galten. Oder die gar kurz davor standen, sich vom Karriereziel Bundesliga zu verabschieden. Halil Altintop und Raul Bobadilla fallen in unterschiedlicher Gewichtung in die erste Kategorie. André Hahn, seit einem Jahr bei Borussia Mönchengladbach, gehört in letztere. Beim FCA haben sie alle wieder hinbekommen. Mehr noch: Alle drei sind oder waren Leistungsträger, Hahn und Bobadilla haben es via Augsburg sogar bis in die Nationalelf geschafft.

Trochowski könnte nun der nächste sein, der im Biotop FCA wieder Anschluss findet. "Ganz gut" seien seine Eindrücke vom ehemaligen HSV- und FC-Bayern-Profi, hat Trainer Markus Weinzierl vorsichtig gesagt. Und, so zitierte ihn der Kicker: "Er ist vielseitig. Vielseitige Spieler sind immer gut, wenn du viele Spiele vor dir hast." Das gilt für den FC Augsburg, der nach Platz fünf in der Vorsaison nun erstmals in der Europa League vertreten sein wird, vier Jahre nach dem Aufstieg.

Weinzierl hat aber durchaus durchblicken lassen, dass Trochowskis Gastauftritt so etwas war wie eine unverbindliche Chance - ein bisschen für den Verein, vor allem aber für den Spieler. Dieser sollte mal wieder die Möglichkeit haben, an einem Mannschaftstraining teilzunehmen, erklärte Weinzierl, und zwar "erst einmal ohne Hintergedanken". Dass Trochowski diese Gelegenheit beim FC Augsburg bekam, dürfte mit dem kurzen Draht zu Roman Grill zusammenhängen, der sowohl Trochowski als auch Weinzierl berät. Und sollte der Trainer wirklich zu dem Schluss kommen, dass der international erfahrene Profi weiterhelfen kann, könnte Augsburg rasch zugreifen, ablösefrei.

Beim FCA, der am Freitag seinen Reservisten Nikola Djurdjic an den schwedischen Meister Malmö FF verlieh, stehen sie in Sachen Transfers vor Problemen, die durch ihre Erfolge entstanden sind. Die geforderten Ablösesumme steigen. Es werden von außen einst hochklassige Spieler mit Augsburg in Verbindung gebracht, wie Kevin Kuranyi, 33, und Claudio Pizarro, 36, was Erwartungen bei den Fans weckt. Vor allem aber wird es immer schwieriger, das Modell Bobadilla/Altintop/Hahn umzusetzen. Die Augsburger befinden sich durch ihren beachtlichen Aufschwung an einer Schwelle mit Fallhöhe. An einem Punkt, an dem es kaum noch möglich ist, Aufbauarbeit bei Profis mit einem Knick in der Vita zu leisten. Bisher gelang es ihnen in dieser Transferperiode nicht, Spieler zu finden, die sie mit einiger Sicherheit weiterbringen und zu bezahlen sind.

"Es ist Fakt, dass wir uns total schwer tun, Spieler zu finden", sagt Trainer Markus Weinzierl

"Es ist Fakt, dass wir uns total schwer tun, Spieler zu finden", sagt Weinzierl, "das Ziel wäre, dass wir uns verbreitern und verbessern. Die Problematik ist, auf unserem Niveau Spieler zu finden, die uns besser machen oder stabilisieren. Und die für uns zu bezahlen sind." Diese knifflige Aufgabe zu bewältigen, wird sich womöglich noch eine Weile hinziehen. Bis zum Ende der Transferphase am 31. August haben Manager Stefan Reuter und Weinzierl dafür noch Zeit. Sie werden sich wieder pfiffige Lösungen einfallen lassen müssen. Und sie wissen, dass ihre neuen Horizonte auch Risiken bergen.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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