FC Augsburg:Flüche in den Himmel

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Fußball verkehrt: Nach etlichen vergebenen Großchancen gerät der FC Augsburg in Rückstand - Andrija Zivkovic (rechts) erzielt das 0:1. (Foto: Guenter Schiffmann/AFP)

In der Europa League bezahlt der FC Augsburg weiter Lehrgeld und verliert auch das erste internationale Heimspiel. Beim 1:3 gegen Partizan Belgrad lassen die Schwaben erneut zu viele Großchancen aus.

Von Kathrin Steinbichler, Augsburg

Raul Bobadilla ist ein gläubiger Mann und dankbar noch dazu. Der Stürmer aus dem argentinischen Formosa trägt deshalb auch die Porträts seiner Eltern in jeder Sekunde bei sich. Vater Victor ziert als Tattoo die Haut über dem rechten Brustmuskel, Mutter Elvira liegt in feinen Nadelstichen verewigt auf der linken Seite, direkt über dem Herzen. Raul Bobadilla ehrt seine Eltern also, so gut er kann, seine Karriere ist ihnen gewidmet. Nach dem unglücklichen 1:3 (0:1) des FC Augsburg in der Europa-League-Heimpremiere gegen Partizan Belgrad schickte der 28-Jährige allerdings eher Flüche in den Himmel als Worte der Dankbarkeit.

Sieben gute Torchancen hatte alleine er gehabt, 28:6 Torschüsse standen nach Abpfiff für den FCA zu Buche. Immerhin einen davon versenkte Bobadilla im Belgrader Tor. Doch nach vielen vergebenen Großchancen in der Offensive und erneuten Fehlern in der Defensive herrschte in Augsburg am Ende doch wieder Tristesse.

Ein Befreiungsschlag hatte das Spiel gegen den serbischen Meister werden sollen, nachdem die Schwaben nicht nur beim Auftakt bei Athletic Bilbao (1:3), sondern vor allem auch in der Bundesliga zuletzt Niederlagen hatte hinnehmen müssen. "Wir müssen unsere Heimspiele gewinnen, wenn wir weiterkommen wollen", hatte FCA-Trainer Markus Weinzierl gesagt, doch nach dem ernüchternden Abend gegen Partizan, das international nun bereits zwei Siege auf dem Konto hat, droht Augsburg das vorzeitige Ende der Europareise: Die Schwaben sind in ihrer Vorrundengruppe als Einzige ohne Punkt, nachdem der AZ Alkmaar überraschend 2:1 gegen Gruppenfavorit Bilbao gewonnen hat.

Weinzierl hatte auf die jüngsten Unsicherheiten in Defensive und Spielzentrum reagiert und seine Startaufstellung neu gemischt. Für Ragnar Klavan sollte in der Innenverteidigung Jan-Ingwer Callsen-Bracker neben Jeong-Ho Hong für Stabilität sorgen. Anstelle von Linksverteidiger Kostas Stafylidis bespielte zunächst Markus Feulner aus der Defensive heraus die Außenbahn. Im Mittelfeld hatte der zuletzt von Mönchengladbach umworbene Trainer Dominik Kohr eine Einsatzpause verordnet und dafür Offensivspieler Tim Matavz in die Elf genommen, Bobadilla übernahm für den muskulär verletzten Tobias Werner, das Spiel von der rechten Seite aus anzukurbeln. Doch auch die Umstellungen änderten nichts an der Tatsache, dass der FCA in der Doppelrolle als Abstiegskämpfer und Europadebütant zunehmend überfordert wirkt.

Zwar machte sich der FC Augsburg auch gegen Partizan Belgrad engagiert ans Werk, doch manchmal fehlte das Glück, oft schlicht auch die Konsequenz im Handeln. In der 14. Minute hatte der beeindruckend emsige Bobadilla ein erstes Mal die große Chance zur Führung, als er eine Flanke freistehend volley aufs Tor schießen durfte, doch sein Schuss wurde geblockt. Wenig später haute Bobadilla den ersten aussichtsreichen Freistoß weit über das Tor (22.), Halil Altintop klatschte dennoch aufmunternd in die Hände. Und der paraguayische Nationalstürmer ließ nicht locker: Seinen Schuss von der Strafraumgrenze konnte Belgrads Zivko Zivkovic gerade noch zur Seite parieren, Matavz' Kopfball danach strich haarscharf links am Tor vorbei (29.). Doch optische Überlegenheit allein bringt keine Wunsch-Ergebnisse, und so kam es, wie es zuletzt meist kam: Belgrad spielte nach einem Ballgewinn einen schnellen Konter über Stefan Babovic auf die rechte Seite, Andrija Zivkovic zog an Feulner vorbei und ließ mit einer simplen Körpertäuschung Hong stehen, dann traf er mit einem konzentrierten Linksschuss ins lange Eck (31.).

Es war ein Gegentor wie aus dem Nichts, denn zuvor hatte der FCA Spiel und Ball dominiert - wie so oft. Doch die Chancen wurden so freizügig vergeben wie die Maß Bier bei einer Lokalrunde. Nach dem 0:1 setzte sich Dong-Won Ji auf links durch und bediente Bobadilla mit einer mustergültigen Flanke. Der Stürmer stoppte den Ball ebenso mustergültig - und schoss ihn dann in Rücklage über das Tor. Das Bild des Spiels blieb so dasselbe: Der FCA rannte an, tropfte mit seinen Bemühungen aber ab wie Wasser in einer Teflonpfanne. "Solche Spiele wie heute kennen wir mittlerweile", meinte Weinzierl, "vorne versäumen wir es, das Tor zu machen, und hinten helfen wir bereitwillig mit. Die Gegentore waren einfach zu billig."

Für die zweite Halbzeit schickte der Trainer den zuvor für die Bundesliga geschonten Alexander Esswein für Matavz auf den Platz, für Feulner kam Philipp Max. 42 Sekunden nach Wiederanpfiff zeigten die beiden, dass ihre Hereinnahme keine schlechte Idee war: Max schlug mit seinem ersten Flügellauf eine Flanke, Esswein drückte den Ball schnörkellos aufs Tor, doch Zivkovic hielt mit einem Reflex (46.). Eine Minute später war es erneut Zivkovic, der mit einer Parade wieder Endstation für Bobadilla war. Und erneut wurde die Offensivlaune zunächst wieder erstickt: Beim Versuch, gegen Belgrads Fabricio eine Flanke zu verteidigen, drückte Ji den Ball zum 0:2 ins eigene Tor (54.). Bobadilla antwortete kurz darauf mit dem Anschlusstreffer (57.), den er wild bejubelte, doch U20-Weltmeister Andrija Zivkovic sorgte für die Entscheidung: Während Daniel Baier nach einem ungeahndeten Foul am Mittelkreis lag, schloss der 19-Jährige einen Konter zum 3:1 ab (61.). "Es geht uns nicht gut gerade", schloss Weinzierl. Bis zum Sonntag (17.30 Uhr) in Leverkusen will er "die Mannschaft wieder aufrichten". Und es dann aufs Neue versuchen.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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