FC Augsburg:Das rote Band des Bullen

Lesezeit: 3 min

Autofahrer, Nationalspieler, Vater: Der frühere Lebemann Raúl Bobadilla fühlt sich beim FC Augsburg geschätzt. Der 28-Jährige zahlt das mit Toren zurück. (Foto: Matthias Schrader/AP)

Raúl Bobadilla hat sich in Augsburg vom Problemprofi zum Nationalspieler entwickelt. Seine Tore gegen Alkmaar sorgen vor dem Heimspiel gegen Bremen für neue Aufbruchstimmung.

Von Kathrin Steinbichler

An guten Tagen strahlt Raúl Bobadilla die Balance eines Stierkämpfers aus. Kraftvoll und präzise vollstreckt der Mann aus dem argentinischen Formosa dann sein Tun, ohne jedes Zögern, ohne jeden Anflug von Zweifel. An Tagen wie diesen wirkt der Fußballprofi Bobadilla wie eine unaufhaltsame Naturgewalt, was an seinem mächtigen, mit Tattoos verzierten Körper liegt und an seinem unbändigen Willen. Die Wirkungskraft einer Naturgewalt liegt aber nicht in ihrer Unaufhaltsamkeit, sondern in der Beschaffenheit der Umgebung, in der sie sich ereignet. Und beim FC Augsburg, so viel steht seit diesem Donnerstagabend in der Europa League fest, haben sie Raúl Bobadilla die perfekte Umgebung geschaffen, um ihn in ihrem Sinne seine volle Wucht entfalten zu lassen.

Dreimal hat der 28-Jährige beim 4:1-Sieg über den AZ Alkmaar mit der ihm eigenen Mischung aus Wucht und Technik getroffen. Bobadillas Freistoß zum 1:0 - ein Kunstschuss (24.). Sein zweites Tor zum 2:0 - eine Wucht (33.). Sein dritter Treffer zum 4:1-Endstand - ein Tor, dessen Gelegenheit er sich erkämpft hat und das er mit einem dosierten Außenristschuss abschloss (74.). Es war ein Abend, der einen Ausblick gab auf das, zu was Bobadilla und die Mannschaft des FCA in dieser Saison imstande sein können. Es war ein Ausblick darauf, wie wertvoll der frühere Problemprofi Bobadilla inzwischen für den FCA geworden ist. Wenngleich das Reuter nicht wirklich überrascht: "Raúl ist reifer geworden, ruhiger." Seit kurzem ist er auch Vater und Nationalspieler, "er hat jetzt Verantwortung". Überrascht war Reuter eher im Sommer.

Im Juli hatte sich der FCA aufgemacht an den Walchsee in Tirol, um sich dort in Ruhe und schweißtreibend auf die Saison vorzubereiten. Bobadilla, der in der Ligapause nach seiner Einbürgerung nach Paraguay bei der Copa America aufgelaufen war, weilte wie vereinbart noch im Urlaub. Doch kaum war die Mannschaft eingetroffen, klingelte plötzlich Reuters Mobiltelefon, Bobadilla war dran. Ob er schon jetzt nachkommen dürfe. Er vermisse die Mannschaft und wolle sich gut vorbereiten. Zwei Tage früher als geplant erschien der Stürmer daraufhin im Trainingslager. Raúl Bobadilla, die vermeintliche Naturgewalt, ist längst nicht mehr der Fußballer, der er vor seinem Wechsel und zu Beginn seiner Zeit in Augsburg war.

In seinen Jahren in Mönchengladbach und in der Schweiz, wo er für die Grasshoppers Zürich, die Young Boys Bern und den FC Basel spielte, hatte Bobadilla Probleme wegen Trunkenheit und zu viel Tempo am Steuer. Handgreiflichkeiten beim Augsburger Presseball 2014 brachten ihm einen Zivilprozess samt Geldstrafe. Seitdem spricht Bobadilla öffentlich nur noch in Fernsehkameras. Er will Herr seiner Worte sein. Auf dem Platz lässt er Taten sprechen, besser und überlegter als zuvor.

Beim FCA haben sie das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht. Auch dank Bobadilla

FCA-Trainer Markus Weinzierl und Manager Reuter haben sich oft und lange zusammen gesetzt mit Bobadilla. Haben darüber gesprochen, wie er seine Stärken einsetzen kann für die Mannschaft und für sich. Wie er seine Schwächen annehmen und daran arbeiten kann. Und Bobadilla begann, mit seiner Sturheit und seiner unbändigen Leidenschaft nicht länger anzuecken, sondern anzukommen. Im März diesen Jahres folgte die erste Nominierung als Nationalspieler, im Juni schaffte es Bobadilla mit einem verwandelten Elfmeter gegen Brasilien bis ins Halbfinale der Copa, im August verlängerte er seinen Vertrag beim FCA vorzeitig bis 2018. Keine 45 Minuten nach der Verkündung über die Stadionlautsprecher beim Ligaspiel gegen Hertha BSC musste er mit einer roten Karte vom Platz. An einem Tag, an dem er es besonders gut machen wollte - weshalb ihm das Timing im Zweikampf abhanden gekommen war.

Doch wie schon nach seinem Wechsel aus Basel, während dem er noch ein Gerichtsverfahren wegen Raserei anhängig hatte, und wie schon nach dem Platzverweis am vorletzten Spieltag der Saison zuvor hielt der FCA auch jetzt zu ihm und kämpfte um eine Verminderung der Sperre. Wenn Bobadilla jetzt trifft, klopft er sich mit der rechten Hand auf die linke Brust, dorthin, wo das Vereinswappen sitzt. Nach seinem Treffer zum 2:0 gegen Alkmaar rannte er als erstes zu Markus Weinzierl und klatschte den Trainer ab. "Raúl ist für uns unheimlich wertvoll", sagte Weinzierl anschließend, "aber die Mannschaft hilft ihm auch dabei." Und er hilft der Mannschaft. "Wenn du Raúl den Ball gibst, macht er ihn fest", sagte Verteidiger Philipp Max anerkennend.

Nach den beiden Siegen gegen Alkmaar, dem Pokalerfolg in Freiburg und dem 3:3 zuletzt gegen Mainz haben sie beim FCA das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht. Der Auftritt in Europa, so absurd es wirken mag, "bringt Selbstvertrauen für Sonntag", sagt Bobadilla. Um 17.30 Uhr kommt Bremen in die Arena, da könne die Mannschaft jetzt "mit Brust-raus ins Spiel gehen und ihnen zeigen, dass wir wieder da sind. Wir wollen da unten raus kommen."

Dass das Offensichtliche nicht unabänderlich ist, zeigt übrigens der Blick in Bobadillas argentinische Heimat. Dort nämlich endet die einzige Form des Stierkampfs, die erlaubt ist, nicht mit dem gewaltsamen Tod des Bullen. Sondern dann, wenn der unbewaffnete Stierkämpfer es geschafft hat, das rote Band zu pflücken, das ihm zwischen die Hörner gespannt ist.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: