Europa League:Mit offenem Visier

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Mit fünf Toren der zweitbeste Torjäger der Europa League, derzeit aber mit Sprunggelenkproblemen: Raul Bobadilla (rechts, mit Alexander Esswein). (Foto: Mika Volkmann/Getty Images)

Augsburg braucht im letzten Vorrundenspiel in Belgrad einen hohen Sieg, um in die europäische Zwischenrunde einzuziehen - Klavan, Kohr und Esswein fehlen, Bobadilla ist angeschlagen.

Von Kathrin Steinbichler

Wenn diesen Donnerstag im Stadion von Belgrad dem einen oder anderen langsam das Adrenalin zum Herz hochkriecht, wenn der Pulsschlag bis in die eigenen Ohrmuscheln zu hören ist und die Handflächen feucht werden vor Aufregung, weil so viel auf dem Spiel steht - dann ist die Zeit gekommen, in der der FC Augsburg sich wohlfühlt. Der weiter um Bodenständigkeit bemühte Klub aus Schwaben lässt sich bislang nur selten aus der Fassung bringen. Da ist das, was an diesem Donnerstag (21.05 Uhr) im letzten Vorrundenspiel der Europa League auf dem Spiel steht, nun wirklich nichts, was dem FCA Angst einjagt. Auch wenn der Gegner Partizan Belgrad heißt und es um den Verbleib auf Europas Bühnen geht.

Der FCA wollte in Europa "eine gute Visitenkarte" abgeben, sagt Weinzierl. "Das ist gelungen."

Zum Weiterkommen braucht der FCA in Belgrad einen Sieg mit mindestens zwei Toren Vorsprung. Dass dazu neben Tobias Werner (Schambeinentzündung) auch die gelbgesperrten Mittelfeldspieler Alexander Esswein und Dominik Kohr ebenso fehlen wie Innenverteidiger Ragnar Klavan, der durch einen Gesichtstreffer beim aufreibenden 1:0 in Köln eine Gehirnerschütterung erlitten hat, macht die Sache nicht leichter. Raul Bobadilla, mit fünf Toren zweitbester Stürmer der Europa League, ist mit in die serbische Hauptstadt geflogen, könnte aber wegen Sprunggelenkproblemen zunächst auf der Bank sitzen.

Die Aufgabe ist also kompliziert, doch davon lässt sich die Mannschaft von Markus Weinzierl jetzt auch nicht mehr schrecken. "Wir sind international angetreten, um eine gute Visitenkarte abzugeben. Das haben wir bislang getan", sagt der FCA-Trainer. "In Europa kennt uns #keineSau" - mit diesem über die sozialen Medien verbreiteten Spruch hat Augsburg seine internationale Premierensaison angetreten. Doch die zwei Siege gegen Alkmaar und vor allem die beiden mitreißenden und durchaus dramatischen Niederlagen gegen Gruppensieger Athletic Bilbao haben Augsburg mehr als nur einen neuen Bekanntheitsgrad verschafft. Auch das Selbstverständnis des FCA hat durch die Europa-Auftritte gewonnen. In der Bundesliga ein Abstiegskandidat, in Europa ein Kandidat fürs Weiterkommen - die sportlich kuriose Situation der Schwaben ist nur vermeintlich zwiespältig.

Fast jeder deutsche Europa-Debütant hatte im ersten internationalen Jahr auch Probleme in der Bundesliga. Die zusätzliche Belastung durch die europäischen Spiele und Reisen, der gewachsene Anspruch im Umfeld wie in der Mannschaft - die ungewohnten Reibungsverluste, so hatte es der FCA zum Saisonstart zu hören bekommen, werden zwangsläufig für Schwierigkeiten sorgen. Und wirklich, der FCA kam in den ersten Monaten der Bundesliga nicht recht in Tritt, ließ Punkte liegen und spielerische Intelligenz vermissen. Die Folge war eine vorläufige Dauerkarte für die nationalen Abstiegsplätze. Dass ausgerechnet die Ausflüge nach Europa dem FCA helfen würden, seine Leistungsschwankungen in der Bundesliga mehr und mehr in den Griff zu bekommen, hätte wohl kaum einer gedacht.

In der Europa-League-Gruppe L hat es an den bislang fünf Spieltagen noch kein einziges Unentschieden gegeben. In keinem Spiel. Jeder Klub war bereit, an jedem Spieltag aufs Neue sein Glück zu versuchen - und im Zweifel zu scheitern. Selbst der AZ Alkmaar, dessen Ausscheiden bereits feststeht, hat einmal gegen das überraschte Bilbao einen Sieg landen können. Der FC Augsburg lernte daher an diesen emotionalen, von seinen Fans jeweils mit aufwendigen Choreografien gefeierten Abenden unter der Woche vor allem eines: Echte Klasse hat, wer versteht, sich fußballerisch zu beherrschen.

In der Vorsaison hatte Augsburg noch mit seinem Hurra-Stil überraschen können. In dieser Spielzeit aber wirkte der Augsburger Fußball lange wie ein Ritter, der zwar mit Lanze, aber ohne Schild und Rüstung ins Duell reitet. Amüsant also, aber eben auch sehr riskant. Noch dazu hat die Bundesliga sich auf das Flügelspiel des FCA längst eingestellt. Gerade in den Partien gegen das abgeklärte und dennoch offensiv eingestellte Bilbao (1:3, 2:3), das auf fast jede Spielentwicklung eine taktische Antwort wusste, lernte der FCA dazu.

In Belgrad allerdings, das weiß Trainer Markus Weinzierl, hilft jetzt nur ein hoher Sieg, und daher darf die Mannschaft ein letztes Mal mit offenem Visier antreten. "Es wird unglaublich schwer, wir brauchen ein sensationelles Ergebnis. Aber wir haben weiterhin den Traum weiterzukommen", sagt Weinzierl. Zu verlieren hat der FC Augsburg in Europa schließlich nichts, "die Bundesliga ist und bleibt das Wichtigste", sagt Weinzierl.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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