England:Alle nass gemacht

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Der entscheidende Schuss: Chelseas eben gefoulter Eden Hazard tritt selbst zum Strafstoß an und verwandelt zum 1:0 im FA-Cup-Finale gegen Manchester United. (Foto: Lee Smith/Reuters)

Trainer Antonio Conte gewinnt mit dem FC Chelsea das englische Pokalfinale gegen Manchester United mit 1:0 - dank einer defensivtaktischen Meisterleistung. Das ändert nichts daran, dass sein Rauswurf bevorstehen könnte.

Von Sven Haist, London

Beim Siegerfoto spritzte Antonio Conte mit Champagner um sich. Die überdimensional große Flasche schwenkte der Trainer des FC Chelsea so lange durch die Luft, bis keiner mehr trocken war. Der Designeranzug klebte anschließend geradezu an seinem Körper, die Haare sahen noch zerzauster aus, als sie es bei ihm nach einem Spiel ohnehin schon sind. "Bitte fragt mich nicht nach meinem Aussehen", sagte Conte zu Beginn der Pressekonferenz. Der Süditaliener aus Lecce ist bekannt dafür, penibel auf sein äußeres Erscheinungsbild zu achten. An seinem voraussichtlich letzten Arbeitstag bei Chelsea hatte Conte alle nass gemacht: sich selbst, die Spieler - und irgendwie auch die Klubbosse um den russischen Eigentümer Roman Abramowitsch. Und das, obwohl die bei den Feierlichkeiten gar nicht zugegen waren.

Contes öffentlich geäußerter Unmut über die Transferpolitik des Vereins hat im Verlauf der Saison zwischen ihm und seinen Vorgesetzten zu einem Vertrauensbruch geführt. Spätestens seit dem Winter möchte Chelsea den Trainer loswerden, einen ersten Hinweis auf die internen Unstimmigkeiten über die Ausrichtung des Klubs hatte bereits die gescheiterte Vertragsverlängerung nach dem Gewinn der Meisterschaft im Vorjahr geliefert.

Sportlich kann Conte aber nicht viel vorgehalten werden, erst recht nicht nach dem 1:0 über Manchester United im englischen Pokalfinale. Nach dem Verpassen der Champions League durch den fünften Platz in der Liga hat Conte die Blues in dieser Saison immerhin noch zum achten Triumph im FA-Cup geführt. "Meine Vergangenheit als Spieler und Trainer ist eindeutig: Selbst in einer schwierigen Saison wie dieser bin ich ein Seriensieger. Das ist die Wahrheit, da kann man schreiben, was man will", sagte Conte. "Wenn der Klub weiter mit mir arbeiten will, kennt er mich sehr gut. Meine Vorgehensweise bleibt immer dieselbe: hart arbeiten und eine starke Verbindung mit den Spielern aufbauen. Ich kann mich nicht ändern, ich bin so."

Eine vorzeitige Entlassung Contes, dessen Vertrag regulär noch bis 2019 geht, würde Chelsea mitsamt achtköpfigem Mitarbeiterstab mehr als zehn Millionen Euro kosten. Dem Vernehmen nach hat die enorme finanzielle Kompensation den Verein nach den hohen Niederlagen im Winter gegen Bournemouth (0:3) und Watford (1:4) davon abgehalten, die Zusammenarbeit umgehend zu beenden. Seit der Übernahme des Klubs durch Abramowitsch im Sommer 2003 hat Chelsea bereits circa 50 Millionen Euro an Abfindungen für freigestellte Trainer ausbezahlt.

Gegen José Mourinhos Team liefert Chelsea in der Defensive eine Meisterleistung ab

Auch deswegen kokettierte Conte, dessen Spielvorgaben den Profis angeblich zunehmend auf die Nerven gehen, in den vergangenen Wochen mit seinem Verbleib: "Der Klub kann eine Entscheidung treffen, eine positive, eine negative. Ich werde der Erste sein, der die Entscheidung akzeptiert." Die fristlose Kündigung nach einem Pokalsieg wäre in England keine Neuheit. Vor fünf Jahren ereignete sich dieses Szenario mit Roberto Mancini schon bei Manchester City, ehe Louis van Gaal trotz Triumph im FA-Cup beim Stadtrivalen sein Traineramt im Mai 2016 aufgeben musste. In der kommenden Woche wird die Bekanntgabe über Contes Zukunft erwartet. "Falls es für mich nach diesen zwei Jahren anders weitergehen wird, werde ich die Farben, die Fans und den Klub immer lieben."

Zu den Klängen der Vereinshymne "Blue is the colour" aus den Lautsprechern im Wembley nahm Kapitän Cahill die älteste Trophäe im Klubfußball nach der 137. Auflage des Finals auf der Ehrentribüne entgegen. Die Spieler tanzten unter dem Jubel der Fans im Konfetti, zwei Minuten später hielt dann Conte den Pokal in der Hand, den ihm vor einem Jahr der FC Arsenal beim 1:2 im Endspiel noch verwehrt hatte. "Dieser Erfolg gibt mir eine größere Zufriedenheit als meine Siege in der Vergangenheit. Ich freue mich sehr für die Spieler und die Fans. Und auch für den Klub", sagte er. Den Ehrerweis der Fans für seinen Einsatz bekam Conte allerdings nicht mit. Seine Ehrenrunde nach Abpfiff brach er schon nach ein paar Metern ab, um sich lieber im Kabinentrakt zurückzuziehen. "Antonio, Antonio", riefen die Fans vehement durchs Stadion. Und sie meinten wohl eher nicht Antonio Rüdiger, auch wenn der deutsche Verteidiger zum besten Spieler der Partie gewählt wurde.

Mit einer defensivtaktischen Meisterleistung führte Conte sein Team zum knappen Erfolg - und sich selbst zum ersten Pokalsieg überhaupt. Ein schwerwiegender Stellungsfehler in Uniteds Abwehr brachte Chelsea einen Elfmeter ein, den Hazard so routiniert verwandelte (22.) wie seine Mitspieler fortan das eigene Tor verteidigten. "Ich gratuliere, weil ich ein Sportsmann bin. Allerdings finde ich nicht, dass sie es verdient haben", sagte Mourinho. "Es war schwer gegen ein Team zu spielen, das mit neun Spielern im Strafraum steht." Nach Platz zwei in der Meisterschaft hinter Stadtrivale City schließt Manchester United diese Saison ohne Trophäe ab. Im Gegensatz zu Conte muss sich Mourinho um seinen Arbeitsplatz allerdings keine Sorgen machen. Ihm sollen zur Verstärkung des Kaders für die neue Spielzeit rund 150 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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