Empfang der deutschen Olympioniken:"Das hatten wir schon mal in Deutschland"

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Die deutsche Olympia-Mannschaft feiert ihre Rückkehr aus Rio de Janeiro - alle sind happy, aber Bundespräsident Gauck warnt vor übertriebener Medaillenfixierung.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Laura Ludwig muss erst einmal die Sache mit dem Gin Tonic aus der Welt schaffen - und hat auch gleich einen Verdacht für den Quell der indiskreten Geschichte. "Das haben die Handballer erzählt, gell?" Die 30-jährige Beachvolleyball-Olympiasiegerin hat sich in Rio zu einer Vorzeige-Frau des deutschen Sports entwickelt, mit ihren Sprüngen durch den Sand und ihrem einnehmenden Strahlen.

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Und jetzt soll sie sich am Bord des Flugzeuges, das die Wortakrobaten aus der Sportdeutschland-Familie allen Ernstes "Siegerflieger" getauft haben, darüber beschwert haben, dass der Gin Tonic so früh zur Neige ging. Nein, beteuert Ludwig, sie hat sich nur einen Rotwein gegönnt und hat sich dann schlafen gelegt auf dem langen Flug aus Rio nach Frankfurt, absolutes Goldmedaillengewinnerinnenehrenwort.

Anekdoten über Feiermaß und Feierlaune gehören traditionell zum Rückreise-Tag eines deutschen Olympia-Teams. Am Dienstagmittag kam es aus Rio zurück, und so eine Rückkehr ist immer eine ambivalente Angelegenheit. Einerseits soll es eine Feier sein, und auch wenn die sportfachliche Leitung insgesamt eine gemischte Bilanz zieht, empfindet der Tross 42 Medaillen (17 Gold/10 Silber/15 Bronze) sowie diverse weitere Erlebnisse als feierwürdig genug. Zumal Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), vorrechnete, dass wegen der vielen Mannschaftssporterfolge 169 der 421 deutschen Starter bzw. fast 40 Prozent mit einer Medaille zurückkehren - eine Quote wie es sie seit 1992 nicht mehr.

Und so spaziert der Tross in Frankfurt gut gelaunt über den Eisernen Steg, präsentiert sich aufgeteilt in originelle Winkegrüppchen wie "Auf und im Wasser" oder "Stark mit und ohne Gerät" auf dem Balkon des Frankfurter Römer - und drängelt sich um ein Erinnerungsfoto mit dem für Sport zuständigen Innenminister Thomas de Maizière oder Bundespräsident Joachim Gauck. "Da muss er jetzt durch", grinste Ludwig.

Aber andererseits ist solch eine Rückkehr auch ein Anlass für ein paar mahnende Worte, und dafür zeichnet sich diesmal der Bundespräsident verantwortlich.

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Manche deutschen Funktionäre mokierten sich darüber, dass die große Politik in Rio nicht zugegen war. Aber Gauck hatte Zahnschmerzen, Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt nie zu Olympischen Spielen, und de Maizière verzichtete wegen der Sicherheitslage auf die Reise. Jetzt ist die Politik also beim Empfang, und neben netten Dankesworten sendet Gauck im typischen Gauck-Stil auch klare Botschaften in den Saal mit zirka 300 Athleten.

"Ich möchte nicht Präsident eines Landes sein, das Medaillen um jeden Preis will. Das hatten wir schon einmal in Deutschland", sagte er also mit Blick auf das große Dopingthema. Und wenn der DOSB künftig an Spitzensport denke, dann solle er bitte auch an den Breitensport denken, denn ein Land, für das nur der Spitzensport gelte, wolle er ebenfalls nicht präsidieren.

Es ist ein wirklich auffallend lauter und langer Applaus, den Gauck bei seinem Appell gegen einen zu medaillenfixierten Zugang zum Spitzensport erntet, und hinterher gibt's viel Lob von Sportlern. Aber zugleich sind diese Worte von Gauck und der Applaus auch mal wieder ein guter Grund, an diese interessante Studie aus dem Jahr 2013 zu denken: Damals gaben in einer anonymisierten Umfrage der Deutschen Sporthilfe sechs Prozent der deutschen Kaderathleten an, regelmäßig zu Dopingmitteln zu greifen, fast 40 Prozent beantworteten diese Frage gar nicht. Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit, dass unter den Klatschern im Kaisersaal auch jemand ist, der nicht sauber arbeitet?

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Ganz besonders intensiv klatschten bei Gaucks Ausführungen auch zwei Herren rechts vom Pult - die hinterher kundtaten, wie großartig sie den Vortrag des Staatsoberhauptes fanden. Der eine war Innenminister de Maizière, der andere DOSB-Chef Hörmann. Die beiden basteln gerade an der Reform des Leitungssports, und da ist die Frage nach der Bedeutung von Medaillen ganz entscheidend. Der Innenminister tat sich in den vergangenen Jahren besonders hervor. Leistungssport sei nicht Nächstenliebe, sagte er etwa noch bei den vergangenen Olympischen Winterspielen, und 2015 erklärte er eine Steigerung der Medaillenausbeute um ein Drittel zum Ziel, denn "Medaillen sind die Währung".

Zuletzt gab er sich da nicht mehr gar so forsch, sondern etwas zurückhaltender. Aber ein Papier des hinter verschlossenen Türen tagenden "Beratungsgremiums" aus BMI und DOSB zur neuen Struktur des Leistungssportes aus dem Juli sieht eine Dreiteilung der Disziplinen vor. Diejenigen ohne Erfolgsperspektive sollen demnach quasi keine Förderung mehr erhalten. Im September soll das Reformkonzept veröffentlicht werden, aber in Frankfurt erklärte Hörmann das Papier nun zu einem "Zwischenergebnis". Er werde weiter für eine breit aufgestellte Förderung kämpfen.

Es bleibt in den nächsten Monaten abzuwarten, wie ernst die Verantwortlichen in Sportpolitik und -förderung Gaucks Appell tatsächlich nehmen.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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