EM-Titel der U21:Sie schreiben ihre eigene Geschichte

Germany v Spain - UEFA Euro U21 Championships Final

Sie haben Geschichte geschrieben: Die U21 feiert den EM-Titel.

(Foto: Kacper Pempel/Reuters)
  • Die DFB-Junioren haben tatsächlich ihre eigene Geschichte geschrieben und werden in Krakau nach einem verdienten Sieg gegen Spanien Europameister.
  • Der DFB-Präsident will mit Trainer Kuntz verlängern, der fühlt sich geehrt.
  • Die Spieler tanzen, singen und stürmen das TV-Studio.

Von Ulrich Hartmann, Krakau

Freitagnacht lag der Teppich genauso da wie in den vorangegangenen zwei Wochen. "Schreibt Geschichte!", stand am Anfang des Teppichs hinter dem Eingang im Foyer des deutschen Mannschaftshotels. "Eure eigene Geschichte!", stand ergänzend am Ende. Unzählige Male sind die deutschen U21-Fußballer in den vergangenen zwei Wochen in ihrem Hotel im Städtchen Wieliczka südlich von Krakau über diesen Teppich gegangen, unzählige Mal haben sie die beiden Imperative gelesen und am Ende schon gar nicht mehr darauf geachtet. Bis Freitagnacht. Da sind sie eine Dreiviertelstunde nach Mitternacht zurück ins Hotel gekommen, alle in denselben T-Shirts. Vorne auf der Brust stand: "Europameister 2017" - und hinten auf dem Rücken: "Eigene Geschichte geschrieben."

Zwei Stunden zuvor war im Cracovia-Stadion im Westen Krakaus die alte Queen-Hymne "We are the Champions" gespielt worden, aber die deutschen U21-Spieler hatten kein Ohr für die zugegebenermaßen ziemlich abgenudelte Schnulze. Die Spieler hüpften auf dem eigens für den neuen Europameister aufgebauten Podest mitten auf dem Rasen, während ihr Torwart Julian Pollersbeck mal wieder den Vorsänger gab und nach der Vogelhochzeitmelodie eigene Strophen dichtete, während ihm die Mannschaft stets im Refrain antwortete: "Fiderallala, Fiderallala, Fiderallallala."

Eigene Geschichte, eigene Lieder, eigener Kopf - die 20- bis 23-Jährigen der ältesten Junioren-Nationalmannschaft des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) haben auf der Basis ihres individuellen Talents und eines ausgeklügelten taktischen Masterplans ihres Trainerteams am Freitagabend jene Spanier mit 1:0 besiegt, die bei dieser EM eigentlich als unbesiegbar galten. Alle vier vorangegangenen Spiele hatten diese Spanier gewonnen, insgesamt 12:2 Tore. Saul Niguez wurde am Ende mit fünf Treffern Torschützenkönig der EM und Dani Ceballos wurde zum besten Spieler gekürt. Aber auf all diese Meriten konnten die deutschen Fußballer gut verzichten, denn sie wurden ja Europameister.

Der Berliner Mitchell Weiser köpfelte in der 40. Minute auf Flanke des Hoffenheimers Jeremy Toljan den Ball in hohem Bogen über Spaniens Torwart hinweg ins Tor. Es blieb der einzige Treffer des Endspiels, weil die Deutschen zwar ein bisschen Glück hatten beim anschließenden spanischen Sturmlauf in der zweiten Halbzeit - vor allem aber verdienten sie sich den Sieg und den Titel mit einem unglaublich diszipliniert und leidenschaftlich umgesetzten Matchplan, bei dem sie den Spaniern mit aggressivem Pressing kaum Räume und nur einige ganz wenige Chancen ermöglichten. Gefährlich wurden die Iberer allenfalls mit drei Fernschüssen. Der deutsche Sieg war hochverdient.

"Wir haben ein überragendes Spiel abgeliefert", fand Schalkes Mittelfeldspieler Max Meyer. "Wir haben große Mentalität gezeigt und sehr gut Fußball gespielt." Damit entsprach er in etwa dem Wortlaut anderer Spieler und auch der Funktionäre, sei es der Trainer Stefan Kuntz, der Sportdirektor Horst Hrubesch oder der DFB-Präsidend Reinhard Grindel. Letzterer berichtete, er sei zwar nach dem Halbfinale mit Kuntz so verblieben, dass man nach der EM in Ruhe über eine Verlängerung des Vertrages sprechen wolle, doch stand der Präsident offenbar derart unter dem überwältigenden Eindruck des vorangegangenen Spiels, dass er kundtat: "Ich bin dafür, dass wir Stefan Kuntz eine weitere Chance geben - bis zu den Olympischen Spielen 2020." Diese Empfehlung müsse das Präsidium zwar erst noch beschließen, betonte Grindel, aber wenn der Präsident selbst eine Vertragsverlängerung empfiehlt, wird ihm auch angesichts des begeisternden Sieges wohl kaum jemand wiedersprechen. Kuntz selbst freute sich jedenfalls enorm über Grindels Vorstoß.

"Meistertrainer, Meistertrainer, hey, hey"

Die Spieler freuten sich auch - über irgendwie alles: über ihre Leistung, den Sieg, die Harmonie im Team und dass die Zusammenarbeit mit Kuntz und dem ganzen Trainerteam offenbar viel Spaß gemacht hat. Sie sangen und machten schon im Stadion eine ausgelassene Polonaise durch die Katakomben. Dabei störten sie auch akut ein Fernseh-Interview von Kuntz, umringten ihn, hopsten und riefen "Meistertrainer, Meistertrainer, hey, hey."

Später in der Nacht, als sie alle über ihren Teppich der Sehnsucht wieder das Hotel betreten hatten, wurde gegrillt und gefeiert. Da war die Nacht schon nicht mehr ganz jung, aber der nächste Termin war ja erst am Samstagnachmittag der Heimflug nach Frankfurt. Dann sicherlich mit müden Augen, Stolz und dem Europameisterpokal.

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