Eklat nach Kampf zwischen Klitschko und Chisora:"Ich werde Dich erschießen!"

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Vitali Klitschko besiegt Dereck Chisora trotz verletzter Schulter, doch das ist schnell vergessen: Auf der anschließenden Pressekonferenz prügelt sich der frühere WBA-Weltmeister David Haye mit Verlierer Chisora. Der wird am Sonntagmorgen am Flughafen München gestoppt und von der Polizei der Körperverletzung beschuldigt.

Jürgen Schmieder, München

Es lohnt bei Boxkämpfen mitunter, den Blick von den Akteuren im Ring abzuwenden und sich in der Halle umzusehen. An diesem Samstagabend, beim Kampf um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft des Verbandes WBC zwischen Vitali Klitschko und Dereck Chisora in der Münchner Olympiahalle, da gab es zwei Menschen, die einerseits viel verrieten über den Gemütszustand von Vitali Klitschko und andererseits den Abend entscheidend prägen sollten: Klitschkos Ehefrau Natalia und der eigentlich zurückgetretene Boxer David Haye.

Natalia Klitschko saß beim Auftritt ihres Mannes in der ersten Reihe, immer wieder erschrak sie, wenn Vitali am Kopf getroffen wurde, hin und wieder nahm sie die Hände vors Gesicht. Selbst nach dem Kampf, den Klitschko gegen den forschen und gefährlichen Chisora letztlich deutlich nach Punkten gewann, war Natalia noch aufgelöst. Sie sagte: "Jetzt bin ich ein bisschen ruhiger, aber nicht wirklich." Ihr Blick sagte: Warum tut sich mein Mann das noch an?

Weiter hinten, in einer Kommentatorenbox des britischen Fernsehens, da ging David Haye nervös auf und ab wie ein junger Schauspieler, der auf seinen großen Auftritt am Theater wartet. "Er ist alt und bewegt sich langsam", sagte Haye nach dem Kampf über den 40 Jahre alten Klitschko. "Er schlägt nicht hart, seine linke Hand war kaum vorhanden. Mit seiner Rechten trifft er nicht mal Chisora, der deutlich langsamer ist als ich."

Zieht man die übliche Polemik Hayes ab, dann ist die Beschreibung des Kampfes durchaus vertretbar. Klitschko dominierte den Kampf, er verteidigte sich elegant gegen den mutig auftretenden Chisora - doch er wirkte schon nach wenigen Runden gehemmt. Chisora brachte Klitschko nicht selten in Verlegenheit, doch waren die Aktionen des Briten letztlich zu unpräzise, um Klitschko ernsthaft zu gefährden.

Klitschko: "Nicht mein letzter Kampf"

Erst nach dem Kampf konnte Klitschko die Erklärung dafür liefern: Er hatte sich in den ersten Runden eine Verletzung an der linken Schulter zugezogen. "Es ist keine Entschuldigung, sondern nur eine Erklärung, warum ich Dereck Chisora nicht niedergeschlagen habe", sagte Klitschko. "Ich musste quasi acht Runden lang mit nur einer Hand boxen. Wenn Sie meine Kämpfe analysieren, dann sehen Sie, wie wichtig die linke Hand für meine Kampfgestaltung ist - und ich konnte diese Hand nicht mehr richtig einsetzen."

Am Sonntag bekam Klitschko die Diagnose: Sehnenanriss in der linken Schulter. "In den nächsten Tagen werden weitere Untersuchungen erfolgen, eine Operation ist nach jetzigem Stand nicht nötig", sagte Klitschkos Arzt Bernd Kabelka. Es ist nicht das erste Mal, dass Klitschko Sehnen-Probleme in der linken Schulter hat. Dennoch ist das Karriere-Ende keine Option. "Wenn ich mit einem Arm kämpfen und klar dominieren kann, habe ich eine große Reserve an Pulver. Deswegen war das nicht der letzte Kampf", sagte Klitschko am Sonntag RTL.

Als möglichen Gegner sehen viele weiterhin David Haye, der am Abend vorher noch gestänkert hatte: "Im Dezember haben wir einen Vertrag für einen Kampf zwischen mir und Vitali ausgehandelt. Ich habe der Kampfbörse zugestimmt, dem Austragungsort und den Optionen. Alles war unterschriftsreif - doch dann sagt Klitschkos Manager Bernd Bönte, dass RTL nicht so viel Geld zahlt und wir neu verhandeln müssen. Heute höre ich vom Sender, dass das alles nicht stimmt. Es sind nur Lügen, die verbreitet werden."

Diese Anschuldigungen wiederholt Haye auf der Pressekonferenz, Bönte kontert: "Wir haben Dir einen Vertrag angeboten, Du hast abgelehnt. Du bist raus! Raus! Raus!" Dann mischt sich Chisoras Manager Frank Warren ein: "Ich hätte einen Vorschlag: Haye boxt gegen Chisora, der Sieger boxt gegen Vitali." Bönte nickt und sagt: "Das hört sich großartig an."

Boxweltmeister im Schwergewicht
:Vitali Klitschko verteidigt Titel gegen Chisora

Für einen K.o. hat es nicht gereicht: Vitali Klitschko muss über die volle Distanz von zwölf Runden gehen, um seinen WM-Titel im Schwergewicht gegen Dereck Chisora zu verteidigen. Der packende Kampf im Rundenprotokoll.

Jürgen Schmieder, München

Nur Haye ist mit diesem Vorschlag gar nicht einverstanden: "Chisora, Du hast jetzt drei Mal verloren, Du bist ein Loser!"

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Jürgen Schmieder, München

Chisora springt auf und fordert Haye auf, das zu wiederholen. Doch so weit kommt es gar nicht: Chisora und Haye gehen aufeinander los, es fliegen Flaschen und Stative. Chosora prügelt wild um sich, Haye verteidigt sich mit einem Stativ und trifft dabei seinen Manager Adam Booth, der danach heftig blutet.

Mehr als zwei Minuten dauern die Tumulte, wobei sich nicht wenige Anwesende gefragt haben, wo denn eigentlich die Bodyguards seien. Dann stürmt Haye aus dem Raum, Chisora brüllt ihm hinterher: "Ich werde Dich töten! Ich werde Dich erschießen! Ich werde Dich verbrennen!"

Polizei hindert Chisora am Rückflug

Später kommt die Polizei hinzu, sie wird Haye und Chisora zu den Vorfällen befragen, auf den Wiederholungstäter Chisora - er war bereits wegen eines Ohrenbisses suspendiert worden - könnte eine lange Sperre zukommen. Am Sonntagmorgen folgte dann um 10.30 Uhr die nächste Volte der Geschichte: Am Flughafen hielt die Polizei Chisora vom Rückflug nach England ab und brachte den Briten zusammen mit seinem Trainer Don Charles ins Polizeipräsidium in der Ettstraße. Der Vorwurf lautete zunächst: Körperverletzung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Bedrohung.

Gegen 12.30 Uhr fuhren die Beamten mit Chisora und dessen Coach vom Münchner Flughafen weg und führten die Befragung durch - rund sieben Stunden nach seiner Festnahme kam Chisora dann wieder frei. "Er und sein Trainer Don Charles haben Angaben gemacht. Zudem wurde ein Zustellungsbevollmächtigter benannt", sagte ein Sprecher der Münchner Polizei der Nachrichtenagentur dapd.

Der Vorwurf der schweren Körperverletzung wurde fallen gelassen: "Wir ermitteln aber wegen leichter Körperverletzung", führte der Sprecher fort. Auch gegen David Haye wird ermittelt. Dieser verschwand jedoch um 3 Uhr aus der Olympiahalle direkt in Richtung Flughafen München. Nach SZ-Informationen hob sein Flieger um 5.30 Uhr ab. Weder sein Manager Booth noch Haye selbst waren am Sonntag zu einer Stellungnahme bereit.

Vitali Klitschko blieb im ganzen Spektakel der Nacht die Rolle des Zuschauers, er wirkte ruhig und kontrolliert. Doch seine Augen scheinen zu sagen: Warum nur tue ich mir das noch an?

Klitschko ist 40 Jahre alt, er hat drei Mal den Titel gewonnen und darf sich durchaus als einer der besten Schwergewichtler aller Zeiten bezeichnen. Es gibt kaum noch einen Boxer, den man als würdigen Herausforderer bezeichnen könnte. Klitschko hat sich bereits eine zweite Karriere als Politiker aufgebaut, er will in seiner Heimat Ukraine etwas bewegen. Nun ist er auch noch verletzt, an der linken Schulter, wegen der er vor zwölf Jahren schon den Kampf gegen Chris Byrd hatte aufgeben müssen.

Als Haye wütend aus der Halle stürmte, warteten vier Fans vor der Tür. Haye hielt an und ließ Fotos von sich und den Anhängern machen. Dann fragte er, wo der nächste Taxistand sei. Auf Twitter schrieb er schon vor der Prügelei: "Die Klitschkos waren beeindruckt von meiner Präsenz heute Abend. Lasst uns hoffen, dass Vitali keinen Rückzieher macht."

Als Vitali aus der Halle kam, ließ er sich ebenfalls von den Fans ablichten. Er stieg auf den Rücksitz der Limousine - und schnaufte erst einmal tief durch. Die Reaktion seiner Frau während des Kampfes, der Auftritt Hayes, die Beleidigungen Chisoras und nicht zuletzt die Verletzung an der Schulter könnten in Klitschko durchaus den Entschluss firmieren, mit dem Boxen aufzuhören. Als die Limousine von der Olympiahalle wegfuhr, da sah es doch ein wenig nach Abschied aus.

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