Eiskunstlauf:Machtwechsel mit unsichtbarem Schwert

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Paul Fentz wird erstmals deutscher Eiskunstlauf-Meister. Er beendet die Ära von Peter Liebers und darf zu Olympia.

Von Barbara Klimke, Frankfurt

Bei einem frostigen Duell entschlossener Solisten endet oft jede Freundschaft. Paul Fentz und Peter Liebers indes lehnten Schulter an Schulter, recht entspannt, an der Bande und betrachteten die Siegerehrung im Paarlauf, wo Bruno Massot seine Partnerin samt Schlittschuhe an den Füßen hochhob und auf dem Sockel absetzte, ehe die Hymne erklang. Kurz darauf waren die beiden Beobachter selbst an der Reihe: Fentz stieg auf die goldene Plattform, Liebers auf die niedrigere silberne, das Publikum applaudiere, und beiden war klar, dass sich gerade ein Machtwechsel auf dem Eis vollzog.

Die Ära von Peter Liebers als bester Eiskunstläufer hierzulande ist am Samstag zu Ende gegangen. Sechsmal ist er deutscher Meister bei den Männern gewesen, nun hat ihn Fentz, sein Trainingspartner in Berlin, sein Kollege, sein Freund abgelöst. "Ich habe alles probiert", sagte Liebers, "aber Paul hat sich den Titel heute verdient." Jeder von beiden weiß bis zum letzten Kringel, was der andere ins Eis zaubern kann: Sie treffen sich zwei- bis dreimal täglich in der Halle, sie teilen eine Eisbahn, die Qualen, die Stürze, die Erschöpfung und können sich gegenseitig zu immer schnelleren Rotationen beim Axel und Toeloop treiben.

Liebers hat mehrere Möglichkeiten verpasst, sich für Olympia zu qualifizieren

Falls Liebers, inzwischen 29 Jahre alt, nach der Kür einen Hauch von Enttäuschung spürte, ließ er Außenstehende das nicht erkennen. Denn es war nicht nur der Titel, den er verlor; der Nachmittag in der Frankfurter Eishalle machte auch seine letzte Hoffnung auf eine weitere Olympiateilnahme zunichte. In Sotschi, 2014, hatte er Rang acht erreicht, es war die Krönung seiner internationalen Karriere. Zur Nominierung für Pyeongchang 2018 wird die Deutsche Eislauf Union (DEU) dem deutschen Olympischen Sportbund nun Paul Fentz vorschlagen. "Es hat nicht gereicht", sagte Liebers und war selbstkritisch genug einzugestehen, dass er die Möglichkeit verpasst hatte, sich schon vor den deutschen Meisterschaften zu qualifizieren: Chancen habe es genug gegeben, zum Beispiel bei einem Wettkampf im September in Montreal, wo er als Siebter unter seinen Ansprüchen geblieben sei.

Nicole Schott, 21, aus Essen sichert sich in Frankfurt den Titel bei den Frauen und dominiert sowohl die Kurzkür als auch die Kür. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

So reisten Liebers und der vier Jahre jüngere Fentz zum Showdown aus der gemeinsamen Trainingshalle in Berlin nach Frankfurt; und schon im ersten Duell, in der Kurzkür, war die Sache entschieden: Liebers strauchelte beim dreifachen Flip in der Kombination und verlor zu viele Punkte, als er den Axel aufriss. "Unerklärlich für mich", sagte er; das Training am Morgen sei noch hervorragend gewesen. Kollege Fentz sprang zwar den Axel auch nur zweifach, überstand aber seinen Vierfach-Toeloop ohne Sturz und übernahm die Führung, die er tags darauf in einer kämpferischen Kür zur Filmmusik von "Game of Thrones" ausbaute - angriffslustig, und gewissermaßen mit unsichtbarem Schwert in der Hand. Auch wenn bewusst die Komposition zur Siebten Staffel der Serie gewählt wurde: "Das ist eher eposmäßig", erklärte er. "Die anderen Teile waren mir zu dunkel."

In Fantasy-Rüstung und mit Kufen an den Füßen wird er im Februar nun auch nach Korea reisen; Paul Liebers indes bereitet sich auf seinen Abschied vor, den er gemeinsam mit Fentz bei den Europameisterschaften in Januar in Moskau plant. Dort hat die DEU, anders als bei Olympia, zwei Startplätze für die Männer. Danach, sagt Liebers, werde es Zeit, sich auf das Leben nach dem Sport und die Familie samt dem kleinen Sohn zu konzentrieren.

Nicole Schott dominiert die Frauen-Konkurrenz

Zum kleinen Tross der deutschen Eiskunstläufer bei Olympia gehört auch Nicole Schott, 21, aus Essen, die sich in Frankfurt den Titel bei den Frauen sicherte und sowohl die Kurzkür als auch die Kür dominierte. Sie hat eine Reihe schöner Dreifachsprünge im Programm, wenn man vom Lutz absieht, der ihr noch Probleme bereitet. Als EM-Zehnte hat sie auch international einen großen Satz nach vorn gemacht. In diesem Herbst wurde sie erstmals zu den Grand-Prix-Wettbewerben eingeladen, was in der Eiskunstlaufszene einem Ritterschlag gleichkommt. "Um mit der Konkurrenz mitzuhalten, muss man noch was draufpacken, nicht nur bei den Sprüngen, sondern auch künstlerisch", sagt ihr Trainer Michael Huth. Aber die Fortschritte seien unübersehbar.

In Fantasy-Rüstung und mit Kufen an den Füßen wird Paul Fentz erstmals deutscher Eiskunstlauf-Meister. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Die Zweite der Meisterschaft, Nathalie Weinzierl aus Mannheim, hat verletzungsbedingt zu wenige Wettkämpfe bestritten, um eine internationale Nominierung zu rechtfertigen. Zur Europameisterschaft wird Schott deshalb von der erst 17-jährigen Lea Johanna Dastrich, der Dritten der Meisterschaft, begleitet. Neben Deutschlands besten Eiskunstläufern, den WM-Zweiten Aljona Savchenko und Bruno Massot, fahren auch die jungen Paarläufer Annika Hocke/Ruben Blommaert zu Olympia, ebenso die Eistänzer Kavita Lorenz und Joti Polizoakis, die in den USA trainieren. Paul Liebers indes sieht bereits anderen Vergnügungen entgegen. Er plane einen Skiurlaub, sagte er. Darauf hatte er jahrelang mit Rücksicht auf die Eiskunstlauf-Karriere verzichtet: "Ich hatte mich schon oft genug verletzt. Das wollte ich nicht noch beim Skifahren riskieren."

© SZ vom 17.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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