Eiskunstläuferin Savchenko:Alles außer Pirouetten

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Aljona Savchenko: viel Aufregung neben dem Eis (Foto: Toru Hanai/Reuters)

Viel Streit, wenig Training: Eiskunstläuferin Aljona Savchenko erlebt einen Umbruch in ihrer Karriere. Die Trennung vom Trainer ist turbulent - und ihr neuer Partner könnte einen Disput mit Frankreich auslösen.

Von Volker Kreisl, München

Eigentlich will die fünfmalige Paarlaufweltmeisterin Aljona Savchenko das tun, was sie am besten kann: Paarlaufen. Also mit ihrem Eislaufpartner auf Eis beschleunigen, abspringen und landen, zeitgleich das Bein strecken, zeitgleich den Arm anwinkeln, alles synchron, millisekunden- und millimetergenau. Kurzum, sich das Können zu erarbeiten, "das bei Olympia 2018 den Unterschied zwischen Platz zehn und den Medaillen ausmacht", wie die Vizepräsidentin der Deutschen Eislauf Union, Elke Treitz, sagt. Weil sich aber Savchenkos Karriere gerade in einem Umbruch befindet, steht sie weniger auf Eis als gewohnt. Derzeit geht es um Fristen, Verhandlungen und Entscheidungen.

Jeder große Umbruch besteht aus einzelnen Wechseln und manchmal auch aus Brüchen. Und wie es aussieht, hat Savchenko, 30, nach dem Karriereende ihres langjährigen Erfolgspartners Robin Szolkowy nun auch ihren Erfolgstrainer Ingo Steuer verabschiedet. Und das auf wenig harmonische Weise.

Eiskunstlauf
:"Trennung ist vorprogrammiert"

Finanzielle Gründe drohen die Zusammenarbeit zwischen Paarlauf-Weltmeisterin Aljona Savchenko und ihrem Trainer Ingo Steuer zu beenden. Thorsten Storm beginnt seinen Job beim deutschen Handballmeister THW Kiel noch in diesem Jahr. Tennisspieler Benjamin Becker erreicht Viertelfinale in Tokio.

"Im Kontext der jüngsten Aussage aus dem Innenministerium muss man sagen, die Trennung scheint besiegelt zu sein", sagt Treitz. Aus der Behörde wurde ihr mitgeteilt, dass Steuer aus staatlichen Mitteln nicht finanziert werde. Dessen Stasi-Mitarbeit von 1985 bis 1989 bleibe auch nach 25 Jahren ein Ausschlussgrund. "Man hat uns gesagt, man verfolge keine Politik des Vergessens", sagt Treitz.

"Was ins Gehirn gepflanzt"

In der DEU sind sie enttäuscht, weil ihnen ein Top-Trainer verlorengeht. Andererseits will man die politische Dimension dahinter, das Gedenken an die Stasi-Opfer, die Frage nach dem richtigen Geschichtsbewusstsein nicht kommentieren. Treitz sagt: "Wir haben alles getan, um Steuers Situation neu zu bewerten, der Deutsche Olympische Sportbund hat uns in der Sache sehr unterstützt." Doch nun geht es darum, dass Aljona Savchenko möglichst bald wieder paarlaufen kann, und zwar um Medaillen. Die Zeit drängt, und auf dem Weg zu den Spielen 2018 in Pyeongchang liegt noch manches Hindernis.

Steuer ist natürlich auch enttäuscht, nicht nur von der Politik, sondern auch von seiner Weltmeisterin, von der er sich wohl mehr Unterstützung in der Finanzierungsfrage erwartet hatte. Das Verhältnis ist angespannt, via Bild hatte Steuer Richtung Savchenko gemutmaßt, dass ihr "irgendjemand was ins Gehirn gepflanzt" haben muss. Savchenko empörte sich nun via Sportbild zurück: "Ich war immer fair, ich muss mir nicht nachsagen lassen, etwas hintenherum gemacht zu haben."

Vordringlich ging es ums Geld, aber auch um die Frage, wie viel ist jemand wert? Steuer hätte aus privaten Mitteln bezahlt werden müssen wie in all den Jahren. Doch Savchenko wird so schnell keine hohen Prämien mehr kassieren. Mit den rund 80 000 Euro, die sie etwa für einen WM-Titel erhält, kann sie nun nicht rechnen, denn mit ihrem neuen Partner Bruno Massot muss sie ja erst mal wieder Höchstleistungen erreichen. Also hatte Savchenko Steuer gefragt, ob er sie vielleicht umsonst weiter trainiere, worauf der entgegnete, dass er das natürlich nicht mache. Weitere Verhandlungen brachten keinen Erfolg.

Enttäuscht, vermutlich sogar mehr als enttäuscht, ist Steuer auch deshalb, weil er es war, der Massot als neuen Partner entdeckt und gefördert hatte. Das zeigt einerseits, wie gering das Nachwuchspotenzial der DEU derzeit ist, andererseits, dass der 25-jährige Franzose im Prinzip das Zeug dazu hätte, es binnen dreieinhalb Jahren auf höchstes Niveau zu schaffen. Momentan suchen er und Savchenko einen neuen Trainer. Im Gespräch sind die Kanadier Isabelle Gauthier und Bruno Marcotte, auch bei Massots französischem Coach Jean-François Ballester soll es eine Anfrage gegeben haben. Die Zeit wird knapp: "Aljona kann sich jetzt nicht in einen Sessel setzen und abwarten", sagt Treitz.

Hat das Paar aber endlich einen Trainer gefunden und ist dessen Bezahlung von der DEU geregelt, so muss auch noch der französische Verband besänftigt werden. Denn außer ums Geld geht es auch ums Prestige. Präsident Didier Gailhaguet hat Treitz bereits wissen lassen, man werde sich querstellen. Das Paar könne schließlich genauso für Frankreich starten, Argument: Wir haben den jüngeren Läufer mit der längeren Perspektive.

Dem entgegnen die Deutschen: Wir haben die fünfmalige Weltmeisterin. Und Treitz sagt: "Savchenko will für Deutschland starten, kein Zweifel." Gailhaguets Verband kann die fest vereinbarte Einbürgerung und sportliche Übernahme Massots zwar nicht verhindern, wohl aber um ein Jahr verzögern.

Das hieße, das Paar stiege erst im März 2016 wieder in Wettkämpfe ein. Doch vermutlich werden Trainer und Funktionäre noch zur Vernunft kommen. In jedem Fall aber werden Savchenko/Massot früher aufs Eis gehen und für Pyeonchang trainieren. Viel früher. Am liebsten jetzt.

© SZ vom 15.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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