Eishockey-WM:Rückenwind in Prag

Lesezeit: 3 min

Deutschland bezwingt zum WM-Auftakt Frankreich mit 2:1 - ein wichtiger Erfolg, um das erhoffte Ziel, das Viertelfinale, erreichen zu können. Am Sonntag wartet Kanada.

Von Johannes Schnitzler, Prag

Als das Spiel begann, lächelte Pat Cortina. Vorbei die Theorie. Der Bundestrainer, zuvor mit Tunnelblick in Prag unterwegs, wirkte gelöst.

Vor dem Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Eishockey-WM in Prag war viel von Respekt vor dem Gegner die Rede. Aber auch von Selbstvertrauen, das sich die Deutschen für den weiteren Turnierverlauf holen wollten. "Frankreich ist kein ukrainischer Viertligist", hatte Verteidiger Patrick Köppchen gewarnt: "Die haben DEL- und NHL-Spieler dabei."

Antoine Roussel (Dallas) zum Beispiel, Stephane da Costa (ZSKA Moskau) oder Damien Fleury, 29, der zu den Schwenninger Wild Wings wechseln wird und noch eine wichtige Rolle spielen sollte. Trotzdem hatte Torhüter Danny aus den Birken die Prognose gewagt: "Wenn wir ins Viertelfinale wollen, ist Frankreich ein must-win-game." In der Vorbereitung hatten die Deutschen die Franzosen zweimal geschlagen, 3:0 und 4:3 in zwei durchaus giftigen Partien, und aus den Birken hatte einen Shut-out gefeiert. Ein bisschen Selbstbewusstsein wollten sie sich da schon leisten.

Wolf und Reimer erzielen die Treffer

Und sie bekamen das erhoffte Erfolgserlebnis. Das Team von Pat Cortina gewann 2:1 (1:0, 0:0, 1:1) durch das 50. Länderspieltor von Kapitän Michael Wolf (13.) und einen Überzahl-Treffer von Patrick Reimer in der Schlussminute. "Wir haben zum richtigen Zeitpunkt unsere Tore geschossen", sagte Cortina. Aufsteiger Österreich war zuvor mit einem 4:3-Sieg nach Penaltyschießen gegen die Schweiz in der deutschen Gruppe A die erste Überraschung des Turniers geglückt.

Die Deutschen begannen gegen Frankreich nervös. Nach 30 Sekunden gab Tobias Rieder den ersten Schuss auf das gegnerische Tor ab, doch dort stand Cristobal Huet, 39, ein NHL-Veteran, der für Montreal, Washington, Chicago und Los Angeles Pucks gefangen hat. In der Lockout-Saison 2004/05 spielte Huet für die Adler Mannheim - und blieb besonders dem jungen Kollegen Danny aus den Birken, damals 19, im Gedächtnis: "Er war in Mannheim mein Idol." Im Tor der Deutschen stand Dennis Endras, deutscher Meister mit Mannheim, der einmal Glück hatte bei einem Pfostentreffer von da Costa, ansonsten aber eine "herausragende Leistung" (Cortina) bieten sollte. "Hat Spaß gemacht", sagte Endras hinterher. Aus den Birken saß auf der Bank, genauso wie auf der anderen Seite Florian Hardy, dessen Nachfolger er in München sein wird. Dafür spielte der nachnominierte Ingolstädter Patrick Köppchen wieder einmal - zum ersten Mal nach 13 (!) Jahren.

Köppchen leitete auch die deutsche Führung ein, mit einem Schlagschuss, der sein Ziel zwar verfehlte. Doch Patrick Hager und Tobias Rieder setzten nach, und Michael Wolf schlenzte den Puck aus kurzer Distanz über Huets linke Schulter zum 1:0 in den Giebel.

Endras freute sich auf "ein besseres Abendessen"

Cortina hatte eigentlich nicht von einem Schlüsselspiel sprechen wollen, um seine junge, ob der vielen Absagen wenig eingespielte Mannschaft nicht noch nervöser zu machen: "Frankreich war 2014 gut und wird auch 2015 gut sein", sagte er lapidar. Bei der WM im vergangenen Jahr in Minsk hatten die Franzosen auf dem Weg ins Viertelfinale Kanada, die Slowakei, Norwegen und Dänemark geschlagen und nur knapp gegen Tschechien verloren, ehe sie dem späteren Weltmeister Russland 0:3 unterlagen. "Frankreich ist ein gefährlicher Gegner", hatte Reimer prophezeit. Und dieses 1:0 schien die Deutschen tatsächlich eher zu belasten als zu befreien. "Wir haben angefangen, dieses Tor zu verwalten, vielleicht, weil wir so viele junge Spieler dabei haben", sagte Michael Wolf. "Und wir haben gesehen, dass man international so nicht spielen kann." Brent Raedeke hatte im zweiten Drittel zwar die Chance zum 2:0, wurde aber im letzten Moment von einem Franzosen gehindert. Die Deutschen kämpften ihre knappe Führung in die zweite Pause.

Gegen Ende des mittleren Drittels begannen die Franzosen deutlich aggressiver zu werden. Mit einem lächerlichen Törchen wollten sie sich nicht geschlagen geben, mon Dieu! Endras parierte gegen Roussel, er parierte gegen Bertrand. Gegen Fleury schließlich war aber auch er machtlos: 1:1 (51.) - ein enges Spiel wurde jetzt noch enger. Bei jedem Angriff kreischten die überwiegend deutschen Fans unter den 14903 Zuschauern, besonders laut, als Reimer das Außennetz traf (58.). Nur einmal kreischten sie noch lauter: Als Reimer 60 Sekunden vor Schluss die Scheibe zum 2:1 neben Huet ins Tor schoss. "Das war extrem wichtig", sagte Reimer, "das gibt Rückenwind". Endras freute sich darauf, dass nun "alle ein besseres Abendessen" hätten. Und auf Sonntag.

Am Sonntag (16.15 Uhr) wartet Kanada mit Sidney Crosby. Cortina schaute schon wieder sehr ernst: "Da werden wir mehr laufen müssen."

© SZ vom 03.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: