Eishockey-WM in Weißrussland:Werbung für den Diktator

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Alexander Lukaschenko, der "letzte Diktator Europas". Auf jeden Fall der letzte Eishockey spielende. (Foto: dpa)

Nächste Großveranstaltung in einem politisch umstrittenen Land: Eishockey ist in Weißrussland Volkssport, Machthaber Alexander Lukaschenko vereinnahmt die Weltmeisterschaft für seine Zwecke. Der Weltverband spult die Lebenslüge vom unpolitischen Sport herunter.

Von Johannes Aumüller, München

Jetzt ist Weißrussland also bereit für das große Turnier. Doch bereit zu sein, heißt nach Darstellung von Menschenrechtsorganisationen in diesem Fall nichts Gutes. Denen zufolge sind Teile der Infrastruktur für die Eishockey-WM fertig, weil die Regierung in alter sowjetischer Subbotnik-Tradition viele Menschen gezwungen hat, unentgeltlich mitzuarbeiten. Das Schicksal mancher Alkoholiker und Obdachloser gilt als ungewiss, aber von der Straße sind sie nun weg, um das Bild nicht zu stören. Die Regimekritiker wiederum spüren verstärkt Repressionen.

So ist alles bereitet worden für eine reibungslose Show des umstrittenen weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, der als "letzter Diktator Europas" gilt. "Wir befürchten, dass er das Turnier zur Propaganda nutzt", sagt Walentin Stefanowitsch von Wiasna, der ältesten weißrussischen Menschenrechtsorganisation. Der Sport erweist sich wieder mal als eifriger Propagandahelfer eines üblen Gesellen.

Schon seit ein paar Jahren ist im Sport die Tendenz zu beobachten, Großveranstaltungen an umstrittene Regime im Osten Europas zu vergeben: von der Fußball-EM 2012 in der Ukraine über Winter-Olympia in Russland bis hin zu den neu eingeführten Europaspielen in Aserbaidschans Hauptstadt Baku im Sommer 2015. Das Eishockey-Turnier in Minsk (9. bis 25. Mai) ragt aus dieser Reihe noch einmal heraus.

Die Menschenrechtslage in Weißrussland ist katastrophal. Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind massiv beschränkt. Vor allem nach den Präsidentschaftswahlen 2010 kam es massenhaft zu Verhaftungen, Misshandlungen, Folterungen und Vertreibungen ins Ausland; noch immer gibt es ein Dutzend politischer Gefangener. Als letzter Staat in Europa vollstreckt Weißrussland Hinrichtungen, erst zwei Wochen vor der WM gab es einen Fall.

Längst vereinnahmen Lukaschenko und die Strategen in der Regierung auch den Sport. Vergangenes Jahr stieg die Bahnrad-WM in Minsk. Viele Sportfunktionäre sind enge Vertraute des Staatschefs. Und als die Biathletin Darja Domratschewa in Sotschi dreimal Gold gewann, "verhielt sich Lukaschenko so, als habe er die Medaillen selbst gewonnen", sagt der Menschenrechtler Stepanowitsch.

Doch die Eishockey-WM ist noch einmal etwas Besonderes, denn diese Sportart spielt in Weißrussland eine zentrale Rolle. Lukaschenko ist ein großer Eishockeyspieler und -fan; es gibt Bilder von ihm in Aktion, unter anderem in einem Benefizspiel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Eishockey ist Volkssport Nummer eins, die staatlichen Unterstützungen in dem tendenziell eher armen Land sind enorm. Von Beginn an war das Turnier auch ein persönliches Prestigeprojekt Lukaschenkos.

Ein Protestplakat oder ein verweigerter Handschlag? Die Menschenrechtler hoffen weiter

Insofern wäre eine Verlegung der WM eine persönliche Niederlage des Staatspräsidenten gewesen. Doch dafür war der Weltverband (IIHF) nicht zu haben. 2009 hatte er das Turnier nach Weißrussland vergeben, damals war der Protest im Westen noch zurückhaltend, weil die politische Großwetterlage auf Entspannung deutete. Als das Regime nach Lukaschenkos Wiederwahl die Repressionen verschärfte, gab es einen internationalen Proteststurm - die Föderation kümmerte das bei ihrem Kongress 2012 nicht.

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Das deutsche Team hat wenig Chancen, aber mit Leon Draisaitl das größte Talent, das das Land je hatte. Russland will nach der Schmach von Sotschi Wiedergutmachung. Und manche Spieler haben gar keine Lust auf das Turnier. Neun Fakten zur Eishockey-WM in Weißrussland.

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Stattdessen spulte sie die Lebenslüge vom unpolitischen Sport herunter und diskutierte erst gar nicht über die Möglichkeit einer Verlegung. Zum Dank macht der Diktator Komplimente: IIHF-Präsident René Fasel sei ein "echter Kerl", weil er dem immensen Druck standgehalten habe, sagte Lukaschenko kürzlich. Seine große Bühne hat er nun, am Eröffnungstag darf er vor dem Spiel zwischen Weißrussland und den USA gemeinsam mit Fasel eine Rede halten, wie der Weltverband auf Anfrage der SZ einräumte. So viel zum unpolitischen Sport.

Die Menschenrechtler hoffen, dass sich der Propaganda-Erfolg des Regimes wenigstens begrenzen lässt. In diesen Tagen haben sie in einem Rundschreiben an alle Teilnehmerländer gebeten, dass keine politischen Delegationen nach Minsk kommen. Insgeheim hoffen sie, dass es eine Protestaktion in die Öffentlichkeit schafft; ein Plakat in einem Stadion oder ein Sportler, der sich weigert, Lukaschenko die Hand zu geben.

Aus Schweden kam der Vorschlag, dass die Sportler weißrussischen Staatsmedien keine Interviews geben sollen, damit Phrasen wie "das Turnier ist sehr gut organisiert" nicht in der Dauerschleife laufen. "Wir machen niemandem Vorgaben, was er wem sagen darf oder nicht", sagt Uwe Harnos, Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes: "Unsere Sportler sind mündige und kritische Menschen, die ihre Meinung äußern können."

Zudem haben Menschenrechtsorganisation eine Petition gestartet, die eine Sonder-Amnestie für politische Gefangene zur Eishockey-WM fordert. Sie gehen davon aus, dass der Diktator das geflissentlich überhört. Dass es aber vielleicht etwas geändert hätte, wenn der Eishockey-Weltverband die Freilassung der Gefangenen zu einem Kriterium für die Austragung gemacht hätte.

© SZ vom 09.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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