Eishockey-WM:Ein Drittel gewonnen

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Roter Reigen: Wadim Schipaschow (Mitte) freut sich über sein 3:1 gegen Deutschland. (Foto: Ivan Sekretarev/AP)

Deutschlands Eishockeyspieler scheiden nach einem 1:4 gegen Gastgeber Russland im WM-Viertelfinale aus. Stolz können sie trotzdem auf sich sein.

Von Johannes Kirchmeier, Moskau/München

Ob Russlands Präsident Wladimir Putin seinem Lieblingsspieler schon eine Glückwunsch-SMS geschrieben hat, ist nicht bekannt. Es dürfte aber der Fall sein. Schließlich gilt Putin ja als Liebhaber des Eishockeys, manchmal schnürt er selbst die Schlittschuhe. Und Putins Lieblingsspieler Alexander Owetschkin, 30, hat bei der WM im eigenen Land im Viertelfinale nun sein erstes Turniertor erzielt: ein schöner Treffer, Owetschkin traf per blitzartig ausgeführten Handgelenkschuss ins kurze Eck - aus Sicht des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) nur dummerweise gegen den deutschen Torhüter Thomas Greiss. Owetschkin setzte den Schlusspunkt beim 4:1-Sieg der Russen gegen die DEB-Auswahl.

Verteidiger Christian Ehrhoff sagte nach dem dennoch gelungenen deutschen Spiel: "Im Moment überwiegt die Enttäuschung. In ein paar Tagen kommt aber der Stolz durch." Der Gegner war ja der große Turnierfavorit, oder wie es Korbinian Holzer ausdrückte: "Das ist wie 1860 München gegen Barcelona." Erst einmal konnte Deutschland gegen die Russen bei einer WM gewinnen, bei nun 36 Niederlagen.

"Wir sind hier, um zu gewinnen", sagte Bundestrainer Marco Sturm trotzdem vor der Partie und fügte an, "die Stimmung wird gigantisch sein." Die Stimmung war in der Tat sehr gut, die 12 000 Zuschauer machten viel Lärm im Moskauer Eispalast. Von Beginn an hallten "Russia, Russia"-Sprechchöre durch die Halle, schon in der ersten Minute prüfte Owetschkin Greiss. Dann ließ dessen Kollege Patrick Reimer die Fans jedoch verstummen. Nach dem ersten guten deutschen Angriff stand es plötzlich 1:0 für den Außenseiter - ein hart erkämpfter Treffer: Erst schossen Reimer und sein Sturmpartner Patrick Hager den russischen Torwart Sergei Bobrowski an und verloren den Puck, doch dann holte sich Reimer die Scheibe zurück, zog von links nach innen und erzielte den 23. Turniertreffer des DEB-Teams (6. Minute).

Draisaitl vergibt die Chance, auf 2:0 zu erhöhen, dann drehen die Russen auf

Das Tor brachte den Gastgeber etwas aus dem Tritt, erst ein paar Minuten darauf versuchte Kapitän Pawel Dazjuk mit einem Rückhandschuss, Greiss zu bezwingen, der mit dem Schoner abwehren konnte (12.). In Russlands erster Powerplay-Phase rettete er sein Team dann fünfmal (18.), bevor Leon Draisaitl die große Chance hatte, die Führung zu erhöhen: Sekunden vor der Drittelpause lenkte er eine Hereingabe von Daryl Boyle an den Pfosten. Draisaitl wirkt in Russland ja so ein bisschen wie der Fußballer Mario Götze in dieser Saison beim FC Bayern. Wie Götze ist Draisaitl ein großes Talent in seiner Sportart, er agierte bei der WM aber äußerst glücklos. Das erste Drittel hatte das deutsche Team dennoch überraschend für sich entschieden.

Wie unglücklich Draisaitls Pfostenschuss jedoch war, stellte sich im zweiten Drittel heraus. Die Russen kamen hoch motiviert aus der Kabine und schafften den schnellen Ausgleich: Erst konnte Greiss, der insgesamt 33 Schüsse hielt, den Puck vor Jewgeni Dadanow abwehren, der schnappte sich die Scheibe und spielte sie zurück zu Wadim Schipaschow, der ins leere Tor vollendete (21.). Die Stimmung im Stadion verbesserte sich schlagartig und übertrug sich auf die Gastgeber: Sie feuerten den Puck nun mehrere Male in der Minute auf Greiss' Tor, Dadanow als nächster erfolgreich zum 2:1 (28.). Die Russen blieben dran: Topscorer Schipaschow erzielte nach tollem Zuspiel von Ivan Telegin mit seiner dritten Torbeteiligung das 3:1 (35.).

Zu diesem Zeitpunkt war das Spiel für die Deutschen so gut wie verloren, aber an Charakter mangelt es diesem Team nicht, wie es bei der WM gezeigt hat. Im letzten Drittel kreierte es noch ein paar Chancen, der auffälligste deutsche Spieler bei der WM, Patrick Hager, tauchte zweimal alleine vor Bobrowski auf (46./48.), schoss den NHL-Torhüter jedoch beide Male an. Ein Treffer im Schlussabschnitt war lediglich Alexander Owetschkin vergönnt (43.).

Putin und Owetschkins Mutter werden sich freuen. Tatjana Owetschkina, die einst als Basketballerin zweimal Olympiagold gewann, sagte vor dem Spiel: "Ich bin mir sicher, dass mein Sohn und das russische Team die Erwartungen erfüllen werden." Nichts anderes als den WM-Titel erwarten sie ja in Russland. Im Halbfinale trifft der Gastgeber am Samstag auf den Weltranglisten-Vierten Finnland. Freuen dürfen sich aber auch die deutschen Spieler, die nach starken Leistungen und einer nicht unbedingt erwarteten Viertelfinal-Teil- nahme nun die Heimreise antreten.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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