Eishockey-WM:Das Märchen nimmt einen neuen Anfang

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Vielversprechender Start in die WM: Tobias Rieder (rechts) bugsiert den Puck an US-Torwart Torwart Jimmy Howard vorbei zum 1:0 für die deutsche Mannschaft ins Netz. (Foto: Marius Becker/dpa)

Die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes startet die Heim-WM 2017 mit einem 2:1 über die USA. Das weckt Erinnerungen und Hoffnungen.

Von Johannes Schnitzler

Um kurz vor drei am Freitagnachmittag, als die Türen der Kölner Arena sich für das Publikum öffneten und Tausende Fans aus Schweden und Russland herein brandeten, schwoll das Summen und Vibrieren der vergangenen Tage zu einem veritablen Rauschen an: Die 81. Eishockey-Weltmeisterschaft war jetzt nur noch ein Vorspiel, das Rekordweltmeister Russland nach Penaltyschießen 2:1 gegen die Schweden gewann, sowie eine kurze Eröffnungsshow von ihrem eigentlichen Auftakt entfernt, so sahen das zumindest die Anhänger der deutschen Mannschaft. In Paris hatten die Finnen Weißrussland 3:2 besiegt, und am Abend unterlagen dort die Tschechen den Kanadiern 1:4. In Köln aber empfing Gastgeber Deutschland das Team USA. So wie vor sieben Jahren, als die Mannschaft des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in der Arena auf Schalke zum Auftakt der Heim-WM vor 78 000 Menschen 2:1 gewann. Insgeheim hofften nicht nur die Fans auf eine Wiederholung dieses Märchens, das erst im Halbfinale gegen Russland (1:2) endete. Am Freitag waren 18 688 Zuschauer in der ausverkauften Kölner Arena. Aber das Ergebnis war dasselbe: 2:1 (1:0, 0:0, 1:1) für Deutschland. Das Märchen nimmt einen neuen Anfang.

Die USA sind mit 19 NHL-Profis angereist - Bundestrainer Sturm kann nur drei dagegenhalten

"Wir hatten eine lange Vorbereitung, vielleicht ist das ein kleiner Vorteil für uns", hatte Stürmer Yasin Ehliz gesagt. Im vergangenen Jahr qualifizierten sich die Deutschen mit einem 3:2 gegen die USA fürs Viertelfinale. Aber Team USA 2017 ist eine andere Mannschaft, "das ist ein anderes Level", sagte Bundestrainer Marco Sturm. 19 NHL-Profis hatte US-Coach Jeff Blashill in den Aufstellungsbogen eintragen lassen. "Die werden brutal rauskommen", argwöhnte Ehliz. Genau 20 Sekunden dauerte es, bis die Amerikaner das erste Mal brutal wurden. Aber Thomas Greiss parierte gegen Johnny Gaudreau.

Marco Sturm hat gerade einmal drei NHL-Profis zur Verfügung. Ein ehemaliger hatte sich kurzfristig abmelden müssen: Kapitän Christian Ehrhoff musste wegen einer "Oberkörperverletzung" auf das Eröffnungsspiel verzichten, wie der DEB drei Stunden vorher mitteilte. Es muss dann doch etwas mehr gewesen sein als bloß ein "kleines Wehwehchen", wie Sturm am Donnerstag noch beschwichtigt hatte. Immerhin: In Greiss ("unsere klare Nummer eins") hat er einen NHL-Stammtorhüter zwischen den Pfosten. Dazu Stanley-Cup-Sieger Dennis Seidenberg, beide von den New York Islanders, dazu Flügelflitzer Tobias Rieder (Arizona).

Aber die Amerikaner bestimmten sofort das Spiel. Ein Pfostenschuss von Schmaltz, eine Großchance von Dvorak - in den ersten zehn Minuten waren die Deutschen schwer unter Druck. Und nach 10:50 Minuten lag die Scheibe auch im Tor. Im Tor der Amerikaner. Patrick Reimer hatte den Puck bei Rieder abgeliefert, und der 24-Jährige, 2010 noch ein jugendlicher Fan in der Kurve, vollendete im zweiten Versuch. 18 000 Menschen ließen hören, wie brutal laut sie sein können.

Das Tor gab den Deutschen Selbstvertrauen. Sie führten sogar in der Schuss-Statisik, 15:11. Aber es war der ehemalige Kölner Greiss, der das 1:0 in die Pause rettete. Die erste US-Reihe um Gaudreau und Jack Eichel beschäftigte ihn permanent. "Wir müssen ruhiger werden", sagte Rieder: "Das war noch ein bisschen zittrig."

Im zweiten Drittel wurden die Deutschen mutiger. Greiss musste nicht mehr so oft zum Löschgerät greifen und hatte sogar Zeit, einen Angriff einzuleiten, an dessen Ende Brooks Macek allein vor Jimmy Howard stand. Howard hielt. Auf der anderen Seite vergab Jacob Trouba genauso frei, die Deutschen hatten jetzt Glück. Aber nach 40 Minuten hielt das 1:0.

Das dritte Drittel begann mit einem amerikanischen Powerplay. Die Deutschen überstanden es. Noch 15 Minuten. Die Deutschen kamen kaum noch aus ihrer Zone. Doch sie blieben stabil. Noch zehn Minuten. Dann war plötzlich Connor Murphy frei und die Schussbahn auch: 1:1 (51.). Danach schlenzte Dennis Seidenberg den Puck im Powerplay aufs Tor, Patrick Hager hielt die Schaufel rein, und sechs Minuten vor Schluss war Deutschland wieder vorn. Die USA nahmen den Torwart raus. Doch es blieb beim 2:1.

Wann weitere Unterstützung aus Übersee kommt, weiß Sturm nicht. Frühestens in der Nacht zu Sonntag könnte im Playoff-Duell zwischen Washington (mit Philipp Grubauer) und Pittsburg (Tom Kühnhackl) eine Entscheidung fallen, zwischen Anaheim (Korbinian Holzer) und Edmonton (Leon Draisaitl) am Montag. "Wir können es nicht kontrollieren", sagt Sturm. Der Bundestrainer nominierte am Freitag lediglich 21 Spieler, erlaubt sind 25. Er hofft, dass Ehrhoff bald wieder einsatzfähig ist. Kleiner Trost: Die Aufgabe gegen Schweden (Samstag, 20.15 Uhr) wird vergleichsweise ein Klacks. Die Tre Kronor spielten am Freitag nur mit 16 NHL-Profis.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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