Eishockey:"Hallo-Wach-Effekt"

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Spätes Erwachen in der DEB: Der Fall Busch ist abgehakt, aber im deutschen Eishockey sieht man endlich der Doping-Realität ins Auge.

Michael Neudecker

Florian Busch war glücklich am Dienstagabend, "ich freue mich riesig", sagte er. Kurz vor dem Champions-League-Spiel der Eisbären Berlin gegen Magnitogorsk (2:1) hatte Busch erfahren, dass das Adhoc-Schiedsgericht im "Fall Busch" zugunsten des Berliner Eishockeyprofis entscheiden würde. Der Fall Busch ist damit endlich erledigt - die Probleme für das deutsche Eishockey könnten aber erst so richtig losgehen.

Florian Busch von den Berliner Eisbären kann sich freuen: Er wird doch nicht gesperrt. (Foto: Foto: dpa)

Busch hatte im März eine Dopingprobe durch die nationale Anti-Doping-Agentur Nada verweigert, der DEB hatte ihn lediglich mit einer Geldstrafe belegt, die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hatte Einspruch eingelegt. Nun wurde öffentlich, dass Busch gar nicht erst kontrolliert hätte werden dürfen, da zu diesem Zeitpunkt der DEB keine entsprechende Vereinbarung mit der Nada hatte, weshalb das Urteil unumgänglich war. Alle Beteiligten wussten jedoch offenbar sehr früh davon - was den Fall umso sonderbarer erscheinen lässt.

Die fehlende Vereinbarung ist inzwischen nachgeholt worden, der DEB hat den Nada-Code in seiner Satzung verankert und die Zuständigkeit für Doping-Fälle an die neutrale Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) abgegeben, die entsprechende Änderung liegt derzeit beim Registergericht zur Eintragung. "Wir haben aus unseren Fehlern gelernt", sagt DEB-Präsdident Uwe Harnos. Offenbar allerdings zu spät: Weil wegen des Versäumnisses Busch nicht belangt werden kann, kündigte der Bundestagsabgeordnete und Sportausschuss-Vorsitzende Peter Danckert drastische Maßnahmen an: Das Urteil, sagte Danckert zur SZ, sei "höchst bedauerlich".

"Wir sprechen hier von 600000 Euro"

Das Bundesinnenministerium hatte bereits bei Bekanntwerden des Falles Busch 100000 Euro Fördermittel gesperrt, seine persönliche Auffassung aber sei, sagte Danckert, dass man es "damit nicht bewenden lassen kann. Das ist ein fundamentaler Verstoß gegen die Anti-Doping-Vorschriften." Allerdings räumte er auch ein Versäumnis des Ministeriums ein: "Ich frage mich: Wie kann es sein, dass ein Verband, der den Nada-Code nicht umsetzt, Fördermittel bekommt?" Dass die Umsetzung nun nachgeholt wurde, das begrüßt Danckert, allerdings kündigte er an, eine Überprüfung der vor der DEB-Satzungsänderung ausgegebenen Fördermittel anzustreben: "Wir sprechen hier von 600000 Euro" - die der DEB schlimmstenfalls zurückzahlen müsste. Harnos wusste am Donnerstagnachmittag noch nichts von Danckerts Vorstoß, weshalb er dazu keinen Kommentar abgeben wollte.

"Der Fall Busch hat einen Hallo-Wach-Effekt ausgelöst", sagt Harnos. Das stimmt: Plötzlich ist das Thema Anti-Doping im deutschen Eishockey so präsent, wie es längst sein sollte. Der Verband, der lediglich für die Nationalspieler zuständig ist, lädt nur noch Athleten zu Lehrgängen oder Spielen ein, wenn sie eine Vereinbarung mit dem Nada-Code unterzeichnen. Die erste Liga (DEL), die sich autonom organisiert, steht derzeit in Verhandlungen mit der Nada, man wolle eine Anti-Doping-Verordnung entwerfen, die für den deutschen Mannschaftssport exemplarisch sein könne, sagt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke. Ab kommender Saison soll die Verordnung für alle DEL-Klubs bindend sein. Und die Eishockeyspielbetriebsgesellschaft (ESBG), unter deren Dach die zweite und dritte Liga stehen, kündigte an, sich "demnächst zusammenzusetzen", wie ESBG-Geschäftsführer Oliver Seeliger am Donnerstag sagte. Zum Jahresende treffen sich DEL und ESBG stets zu Gesprächen - das Doping-Thema werde dabei auch angesprochen, sagte Seeliger. Der späte Hallo-Wach-Effekt hat nämlich einen zusätzlichen Schub erfahren: Seit Mittwoch ist ein Dopingfall aus der zweiten Liga bekannt.

Positiv getestet

Bietigheims Torhüter Patrick Koslow war nach dem Spiel gegen den EHC München am 26. Oktober positiv getestet worden; zudem wurde bei dem anderen Bietigheimer Spieler, der getestet wurde, offenbar ein erhöhter Testosteron-Wert festgestellt; nach SZ-Informationen ist dies der Stürmer Max Seyller. Seeliger wollte die Namen nicht bestätigen, allerdings sei derzeit "de facto nur eine Probe positiv, bei dem anderen Spieler werden noch Untersuchungen durchgeführt, ob der erhöhte Wert biologisch bedingt ist". Bietigheim hatte wenige Tage nach jenem Spiel den Vertrag mit Koslow aus unbekannten Gründen gekündigt. Dennoch, sagte Seeliger, könne Koslow gesperrt werden. Davor aber hat er das Recht, die B-Probe öffnen zu lassen.

Die Spielwertung - München gewann 3:2 nach Penaltyschießen, bekam deshalb nur zwei Punkte statt der drei für einen Sieg nach regulärer Spielzeit - indes ist derzeit noch unangetastet. Der Nada-Code besagt, dass ein positiv getesteter Spieler nicht ausreicht, um die Wertung des Spiels anzufechten. Nötig sind zwei - weshalb beide Vereine nun wohl gespannt auf das Ergebnis der Untersuchung bei Max Seyller warten. Weder Bietigheim noch München wollte dies allerdings kommentieren. "Wir haben keine genaue Kenntnis der Sachlage", sagte Münchens Sprecher Carsten Zehm, "sollten sich die Gerüchte aber bewahrheiten, wäre das traurig."

© SZ vom 05.12.2008/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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