Eishockey:Der leise Abschied eines großen Spielers

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"19 Jahre Profi sind eine lange Zeit": Nach dem Aus in den DEL-Playoffs mit den Kölner Haien erklärt Christian Ehrhoff seinen Rücktritt. (Foto: Marius Becker/dpa)
  • Christian Ehrhoff beendet nach 19 Jahren seine Karriere als Eishockeyprofi.
  • Der Verteidiger hat lange Jahre in den USA gespielt und sogar das Finale im Stanley-Cup erreicht.
  • Doch die schönsten Wochen seiner Karriere erlebte der 35-Jährige zuletzt mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Winterspielen in Pyeongchang.

Von Sebastian Fischer

Die letzten Wochen seiner Karriere waren die schönsten, aber die letzten Stunden konnte er nicht richtig genießen. Nachdem Christian Ehrhoff, 35, die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft als stellvertretender Kapitän ins olympische Finale geführt hatte, trug er nach der Niederlage gegen Russland die Fahne auf der Abschlussfeier, wurde am Frankfurter Flughafen von seiner Familie und von Freunden empfangen, die mit einem Partybus angereist waren und ihm zu Ehren zu Hause in Krefeld ein Feuerwerk abbrannten. Er nahm seine Silbermedaille mit, als er seine drei Töchter in den Kindergarten oder die Schule brachte, er zeigte sie auch im Westfalenstadion, als er von Borussia Dortmund eingeladen wurde, seinem Lieblingsfußballverein. Ehrhoff wurde in Deutschland so hochgelobt wie noch nie in seiner 19 Jahre langen Laufbahn.

Doch als er am Sonntag zum letzten Mal auf dem Eis stand, verlor er mit den Kölner Haien 1:5 gegen Nürnberg und schied aus den Playoffs aus. Als er sein letztes Interview als Spieler auf dem Eis gab, sagte er: "Wir haben wieder die Fehler gemacht. Was uns eigentlich die ganze Saison gekostet hat." Und als er zum letzten Mal vom Eis lief, winkte er mit heruntergezogenen Mundwinkeln den Fans zu, die noch nicht wussten, dass er später in den sozialen Netzwerken bekanntgeben würde, aufzuhören.

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Es war ein eher tristes Ende einer der größten Karrieren in der Geschichte des deutschen Eishockeys, weshalb tags darauf kaum jemand über das Spiel sprach. Bundestrainer Marco Sturm wurde in einer Mitteilung des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) zitiert: "Ganz Eishockey-Deutschland" könne "stolz auf eine außergewöhnliche Karriere zurückblicken". DEB-Präsident Franz Reindl lobte Ehrhoffs Leistungen, seine Persönlichkeit, nannte ihn ein "Vorbild" und ein "Aushängeschild des deutschen Eishockeys". Reindl sagte auch: Er habe "vollstes Verständnis" für den Entschluss.

Ehrhoff hat die Momente von Pyeongchang vor einem Monat in den vielen Interviews die größten seiner Karriere genannt, größer als drei Olympia-Teilnahmen und sechs Weltmeisterschaften zuvor, größer als 862 Spiele in der NHL und das Stanley-Cup-Finale mit den Vancouver Canucks 2011, größer als die darauffolgende Saison bei den Buffalo Sabres, als er einen mit 40 Millionen Dollar dotierten Vertrag unterschrieb und nicht nur als einer der weltweit besten Verteidiger galt, sondern kurzzeitig zum bestbezahlten aufstieg. Bei den Olympischen Spielen war er der Ruhepol des Teams, spielte so viel wie kaum jemand anders, war vor allem im Unterzahlspiel unersetzlich. Nach dem Halbfinalsieg gegen Kanada hüpfte er, sonst eher zurückhaltend, wie ein Flummi übers Eis. In Köln hatte er dafür eher keinen Grund.

Als er 2016 nach 13 Jahren in der NHL nach Deutschland zurückgekehrt war, hatte er sich gegen einen Wechsel zu seinem Heimatverein Krefeld Pinguine und für die Haie entschieden, dort war die Wahrscheinlichkeit größer, noch einmal Meister zu werden. Doch die beiden Spielzeiten verliefen enttäuschend, beide endeten im Viertelfinale. 2017 musste er als Kapitän unter dem später entlassenen Trainer Cory Clouston derart als Vermittler im zerrütteten, drittteuersten Kader der Liga auftreten, dass er darauf angesprochen manchmal genervt wirkte. "Ich habe gemerkt, dass ich durch bin", sagte er am Montag dem Sport-Informationsdienst. "Vom Körperlichen her hätte ich noch einige Jahre spielen können, aber vom Kopf her war ich fertig." Kölns Sportdirektor soll schon länger vom Entschluss wissen. Sturm sagte, er sei vor ein paar Tagen informiert worden.

Im Keller trainierte er seine Schuss- und Stocktechnik

Ehrhoff wohnt in Krefeld - mindestens 40 Minuten stehe er auf dem Weg nach Köln auf der berüchtigten A57 im Stau, erzählte er mal - und nicht weit von seiner Geburtsstadt Moers entfernt, wo er als Junge seine Schwester zum Eiskunstlauftraining begleitete. An die Zeit erinnerte er in seinem Abschiedsbeitrag mit einem Foto, das ihn an Weihnachten in seiner ersten Eishockey-Ausrüstung zeigt. Dass er vernarrt ist in den Sport, beweist die Einrichtung seines Hauses, er hat im Keller eine Art Plastik-Eisbahn, 4,5 Mal 17 Meter groß, auf der er im Sommer Schuss- und Stocktechnik trainierte. Doch ob er dem Sport erhalten bleibt? Er ist nun erst mal Vater, er ist auch Geschäftsmann, betreibt ein Fitnessstudio.

Dem DEB droht nun schon vor der WM im Mai ein Umbruch. Präsident Reindl wollte weitere Rücktritte nicht ausschließen, elf Spieler aus dem Olympia-Kader sind älter als 30, Kapitän Marcel Goc ist 34. "Das hinterlässt natürlich eine riesige Lücke", sagte Reindl. "Aber es eröffnet auch Chancen für andere Spieler", für jüngere. Und es ist ja so: Wenn bald wieder mehr Kinder mit Eishockey-Ausrüstung vorm Weihnachtsbaum sitzen, dann ist das auch Ehrhoffs Verdienst.

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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