Eintracht Frankfurt:Zwei Tore für den Kleinkunstpreis

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Lohnende Verlegenheitslösung: Änis Ben-Hatira federt den Ausfall von Torjäger Meier bei Eintracht Frankfurt immerhin etwas ab. (Foto: Jan Huebner/imago)

Frankfurt wähnt sich vor dem wegweisenden Derby in Darmstadt zurück im Kampf um den Klassenerhalt. Dank des ungewöhnlichen Offensivspielers Änis Ben-Hatira gelingt gegen Mainz ein befreiendes 2:1.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Stolz stand Änis Ben-Hatira da, selbst seine schicken Locken schienen zu lächeln, als er sich von allen Seiten zu seinem ungewöhnlichen Tagwerk beglückwünschen und befragen ließ. Der Mann des Spiels hatte nur das Pech, dass die Innenarchitekten just an dieser Stelle des Stadions einen jener Monitore an der Decke montiert haben, auf denen nach dem Spiel noch einmal die wichtigsten Momente laufen. So entstand eine nette Situation: Unten strahlte und quatschte Ben-Hatira, oben liefen seine maßgeblichen Szenen, die sich etwas ketzerisch ja so zusammenfassen ließen: Einmal rutschte er blöd aus, als er eine Riesen-Torchance hatte. Einmal platzierte er ein Mittelding aus Flanke und Schuss so schlecht, dass der Ball nur den Rücken eines Gegenspielers traf.

Es ist natürlich die volle Wahrheit des sonntäglichen 2:1-Siegs von Frankfurt gegen Mainz, dass aus dem Ausrutscher Ben-Hatiras der Ausgleich durch Marco Russ resultierte - und dass der Ball vom Rücken des Gegenspielers unhaltbar zu Frankfurts Siegtor abgefälscht wurde - weshalb Ben-Hatira zu Recht stolz war. Nur wegen dieser beiden sehr glücklichen Treffer haben die Frankfurter wieder reelle Chancen auf den Bundesliga-Verbleib, aber niemand konnte widersprechen, als sie die beiden glücklichen Tore als verdienten Lohn für engagiertes Tun und als gerechten Ausgleich für all das Torabschluss-Pech der vergangenen Wochen werteten. Vor dem Auswärtsderby in Darmstadt hat Frankfurt nur noch einen Punkt Rückstand auf den Relegationsplatz; wie Sportchef Bruno Hübner fangen die Ersten schon wieder an, gar vom direkten Klassenerhalt zu träumen. Da geht's dann manchmal arg flott.

Beim Siegtreffer schießt Ben-Hatira einem Mainzer lohnend an den Rücken

Irgendwie passt es zur Eintracht anno 2016, dass just einer wie Ben-Hatira die Hoffnung auf den Liga-Verbleib nährt. Der Deutsch-Tunesier weiß selbst, dass er sich wegen seines Karriereweges bei der Sendung "Schwiegersohn gesucht" nicht unbedingt als geborener Sieganwärter fühlen könnte. Er darf aber für sich reklamieren, dass er bei einer Bewerbung für die Sendung "Instinktfußballer gesucht" sicher nicht in der Casting-Runde scheitern würde. Manchmal sind solche Typen im Abstiegskampf völlig unbrauchbar, manchmal braucht es gerade sie, und im Stolpern noch einen Pass spielen oder den gegnerischen Rücken punktgenau anschießen zu können, ist ja auch eine Kunst - auch wenn die Spaßverderber der DFL das 2:1 offiziell als Mainzer Eigentor (Bell) werteten.

Es war nicht gerade ein über Monate ausgetüftelter und forcierter Plan, der den Offensivspieler Ben-Hatira zu Jahresbeginn zur Eintracht brachte. Bis zur Winterpause spielte er für Hertha BSC, dann leistete er sich im Berliner Teambus eine Handgreiflichkeit gegen einen Mitspieler - und nur weil sich dieses Vergehen noch kurz vor Ende des winterlichen Transfermarktes ereignete, konnte Ben-Hatira Wohn- und Arbeitssitz rechtzeitig von der Haupt- in die Bankenstadt verlegen. Das sah ein wenig nach Frankfurter Verlegenheitslösung aus. Aber inzwischen können Ben-Hatira und die Frankfurter eine ganz ordentliche Zwischenbilanz dieser Verlegenheitslösung ziehen. Seit Alex Meiers Verletzung haben sie niemandem mehr, der regelmäßig Tore schießt. Ben-Hatira kann das immerhin ein bisschen kaschieren.

Beim fröhlichen Herumquatschen kann der Mann des Tages nicht wirklich überzeugen

So richtig viel gespielt hat dieser seit seinem Wechsel zwar noch nicht. Aber schon Mitte März erzielte er beim 1:0 gegen Hannover das Siegtor, auch so ein ungewöhnliches Ding, fast von der Torauslinie schoss er den Ball da ins Netz. Und nun also die ungewollte Doppel-Vorarbeit gegen Mainz. Entsprechend lobte ihn Trainer Niko Kovac, der wie Ben-Hatira aus dem Berliner Stadtteil Wedding stammt, hinterher eifrig, auch wenn er ihm noch eine Warnung mitgab: Er solle bloß nicht den Fehler machen, "zu glauben, er sei ein ganz Großer".

Da sprach Kovac also, wie umsichtige Verantwortliche über Toptalente sprechen, aber etwas nachdenklich stimmte an diesem Satz die Tatsache, dass es sich beim früheren Junioren-Nationalkicker Ben-Hatira nach den üblichen Kategorisierungen nicht mehr um ein Talent, sondern um einen gestandenen 27-Jährigen handelt. Beziehungsweise handeln müsste.

Wie sehr Ben-Hatira manchmal aufpassen müsste, zeigte er dann auch noch, als er so fröhlich herumquatschte: "Das wird kein Spaß-Spiel, das gibt Krieg", sagte er mit Blick auf das anstehende Hessen-Derby gegen Darmstadt. Das war nun nicht gerade die cleverste Bemerkung angesichts der aufgeheizten Stimmung und der Tatsache, dass Frankfurt bei diesem brisanten Spiel auf die Unterstützung der Fans verzichten muss - weil es im Hinspiel zu massiven Ausschreitungen gekommen war.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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