Eintracht Frankfurt:Zeit für Zitterspiele

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Die Verhinderungstaktik scheitert, der vierte Teil des Wunders fällt aus. Nun müssen die Hessen in die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg.

Von Frank Hellmann, Bremen

Lukas Hradecky? Stand wie festgewurzelt im Torraum und starrte Löcher in die Luft. Haris Seferovic? Stemmte die Hände in die Hüfte und glotzte zu Boden. David Abraham? Kauerte auf dem Rasen und wollte gar nicht mehr aufstehen. Sinnbilder der frustrierten Frankfurter Eintracht im Weserstadion. Es dauerte eine ganze Weile und bedurfte tatkräftiger Hilfe von Sportdirektor Bruno Hübner, um die Mannschaft im wörtlichen Sinne aufzurichten. Dann erst trottete das Team halbwegs geschlossen zu den mehr als 4000 mitgereisten Anhängern unter dem Dach der Westtribüne, die das 0:1 (0:0) ebenfalls in eine Art Schockzustand versetzte. In vorvorletzter Minute sind die Adlerträger doch noch auf Rang 16 abgestürzt.

"Man darf hinfallen", sagte Trainer Niko Kovac hinterher, "aber jetzt muss man wieder aufstehen. Nach solch einem Spiel ist keiner glücklich, aber Werder Bremen war sehr viel besser. Vor zwei, drei Wochen hätten wir doch alle die Relegation unterschrieben." Die Gäste hatten allerdings sichtlich an der Situation zu knabbern, dass in der 88. Minute ihr Masterplan durchkreuzt wurde, die Nullnummer durchzubringen. Als der aufgerückte Verteidiger Papy Djilobodji dem Ball auf der Torlinie den letzten Stoß zum Siegtor gab, war auf Bremer Seite all die Entschlossenheit zu besichtigen, die Frankfurt fehlte.

Kovac geht danach nochmal zum Referee - natürlich umsonst

Kovac bemängelte bei der Entstehung des Freistoßes - verursacht vom eingewechselten Luc Castaignos - ein Sperren ohne Ball und ging deshalb eigens nach Abpfiff noch einmal in die Schiedsrichterkabine von Deniz Aytekin, um sich die Szene anzusehen. Das änderte nur nichts mehr an der Enttäuschung im Eintracht-Lager. "Das ist bitter, aber Werder hat uns mit großer Vehemenz und großem Herz an die Wand gedrückt", gab Vorstandsboss Heribert Bruchhagen zu. "Wir hätten viel Fortune gebraucht." Dem 67-Jährigen bleibt in seinen letzten Tagen nicht erspart, sich nun zwei Zitterspielen zu widmen.

Bereits am Donnerstag (20.30 Uhr) kommt der 1. FC Nürnberg in den Stadtwald, vier Tage später findet das Rückspiel statt. "Wir müssen die nächsten Tage hoch konzentriert arbeiten", sagte Bruchhagen, "ich bin sehr zuversichtlich, dass wir dann zum Erfolg kommen können." Sein Vorstandskollege Axel Hellmann empfahl "sich schnell zu schütteln." Doch in den Gesichtern der Bosse stand auch noch der Schreck geschrieben. "Es ist schwer, die Gefühle in Worte zu fassen. Wir wussten, dass die Bremer bei Standards stark sind, aber es ist schwer, so eine Abwehrschlacht durchzubringen", meinte Stefan Aigner mit leiser Stimme. Das Wunder, Teil vier, so hatte es Kovac am Tag zuvor ziemlich selbstsicher angekündigt, ist nach den Siegen gegen Mainz, Darmstadt und Dortmund ausgeblieben.

Rückblickend muss sich auch der Kroate fragen, ob er in dem stimmungsvollen Ambiente am Osterdeich die richtigen Mittel wählte. Abgesehen von einem Kopfball von Änis Ben-Hatira (2.) und einem Schuss von Makoto Hasebe (20.) - beide Male parierte der Ex-Frankfurter Felix Wiedwald stark - hatte sein Ensemble im Spiel nach vorne wenig bis gar nichts zu bieten.

Training über Pfingsten: Am Donnerstag kommt Nürnberg

Die Selbstüberzeugung, die zumindest entscheidende Phasen der vergangenen Begegnungen geprägt hatte, war nicht vorhanden. "Wir haben die Bälle nicht festgemacht, wir haben keine Entlastung hinbekommen. 90 Prozent der Bälle sind bei den Bremern gelandet und dann ist eine Welle nach der anderen auf unser Tor gerollt. Es gibt Spiele, da geht nach vorne gar nichts", kritisierte Kovac. Auch aus dem Mittelfeld kamen bei der Eintracht selten Impulse, was sicherlich den Umstellungen geschuldet war. Neben dem gesperrten Szabolcs Huszti musste schließlich auch Marc Stendera passen, der im Abschlusstraining unglücklich gefallen war und über eine Blockade an der Rippe klagte - das Eigengewächs stand zwar noch auf dem Aufstellungsbogen, wurde aber durch Aleksandar Ignjovski ersetzt.

Dem lediglich kämpferisch überzeugenden Ex-Bremer wollte Kovac keinen Vorwurf machen, aber Stendera "hätte sicherlich unser Spiel beleben können." So aber legte sich seine Elf immer mehr eine reine Verteidigungshaltung zurecht - und spätestens mit der Hereinnahme von Carlos Zambrano und einer Umstellung auf eine tief stehende Fünferkette setzte Kovac nach 68 Minuten das Signal, irgendwie das 0:0 über die Zeit zu bringen. Dieser Plan ging nicht auf. "Es kann dann immer passieren, dass noch ein Ball reinfällt", meinte der 44-Jährige. Die Pfingsttage sind nun alles andere als entspannt in Frankfurt. "Gehen Sie davon aus, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben", beschied der Chefcoach auf die Frage, was er zum Gegner Nürnberg sagen könne. Selbst beobachtet im Stadion hat er die Franken allerdings nicht.

© SZ vom 15.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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