Eintracht Frankfurt:Sockenmodel auf der Welle

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Vom Fehleinkauf zum Hauptdarsteller: Marco Fabian prägt den erstaunlich guten Start der Hessen - und das unterhaltsame 3:3 gegen die Hertha aus Berlin.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Der Mexikaner Marco Fabian besitzt außergewöhnliche Füße und Unterschenkel, davon ist zumindest sein berühmter Landsmann Javier Hernandez "Chicharito" überzeugt - und der muss es wissen. Seit Kindertagen sind die beiden befreundet, jahrelang spielten sie gemeinsam für Deportivo Guadalajara und Mexikos Nationalelf. Derzeit stehen beide bei Bundesligisten unter Vertrag, und als sie sich vor ein paar Tagen gut gelaunt und öffentlich via Skype unterhielten, sagte der Leverkusener Chicharito zum Frankfurter Fabian: "Wenn du nicht Fußballprofi geworden wärest, hättest du auch ein gutes Sockenmodel werden können."

Vertreter der Textil- und Werbeindustrie mögen Fabians Berufswahl daher bedauern, aber für den Mexikaner selbst wie für Eintracht Frankfurt scheint sie sich als richtig herauszustellen. Denn seit ein paar Spieltagen demonstriert der 27-Jährige, dass die Füße und Unterschenkel, die sich nach Meinung Chicharitos zum professionellen Sockenvorzeigen eignen würden, auch zum Fußballspielen hervorragend eingesetzt werden können. Und so hatte Fabian großen Anteil am starken Saisonstart der Eintracht - und auch am überraschend abwechslungsreichen 3:3 (2:1) gegen Hertha BSC am Samstag.

Kapitel eines sehenswerten Spiels: Frankfurts Fabian trifft zum 1:1. (Foto: imago/Jan Huebner)

Das Aufeinandertreffen in der Liga zwischen der nationalen Haupt- und der nationalen Geldhauptstadt verspricht gemeinhin nicht die ganz große Unterhaltungskunst, aber das war diesmal anders. Die Trainer freuten sich zwar weniger als die Zuschauer über die vielen Tore im Duell der beiden Überraschungsteams, vor allem Herthas Pal Dardai fand das "zu viel für meinen Geschmack". Aber so war es extrem spannend, ständig wechselte die Führung (0:1, 2:1, 2:3, 3:3 durch Frankfurt in der Nachspielzeit) - und es war ein Spiel, das viele kleine Geschichten in sich trug.

Da war etwa Herthas Angreifer Vedad Ibisevic, der sich nach seinem ersten Doppelpack des Jahres (19., Foulelfmeter/58.) und insgesamt 95 Treffern als bester bosnischer und siebtbester ausländischer Torschütze der Liga-Geschichte bezeichnen darf. Da war auch die Bestätigung, dass kaum ein Fußballer besser weiß, wohin Bälle abprallen, als Frankfurts Alex Meier, was er bei seinem Tor in der 45. Minute demonstrierte. Da war auf Berliner Seite die Halbzeit-Einwechslung von Zugang Alexander Esswein, der prompt von rechts ein Tor vorbereitete und eines selbst erzielte (65.) - und danach mit dem Ball unterm Trikot und dem Daumen im Mund den obligatorisch gewordenen Gruß eines Vaterfreuden entgegensehenden Bundesligaprofis an die schwangere Freundin abgab. Und da war als krönender Abschluss des fidelen Nachmittags das Kopfballtor des eingewechselten Michael Hector auf Vorarbeit des ebenso eingewechselten Ante Rebic in der Nachspielzeit, weswegen die Berliner verständlicherweise mit dem Remis unzufriedener waren als die Frankfurter.

Hertha-Torschütze Esswein macht den Papa-Gruß. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Aber neben all diesen Themen war hinterher auch dieser Marco Fabian wieder ein großes Thema. Der Mexikaner und die Eintracht, das ist eine dieser bisweilen nur schwer zu erklärenden Beziehungen des Bundesliga-Betriebs. Im Januar kam der Offensivspieler für die für Frankfurter Verhältnisse nicht gerade niedrige Ablösesumme von 3,5 Millionen Euro an den Main, aber spätestens Anfang März schien sein Wirken dort schon wieder vorbei zu sein.

Das war die Zeit, in der Niko Kovac das Traineramt übernahm. In den letzten zehn Spielen der vergangenen Saison stand Fabian nur noch einmal von Beginn an auf dem Platz. Aus Mexiko lederte Fabians Vater mächtig gegen Kovac, und so schien im Sommer nur noch die Frage zu sein, ob sich irgendein Verein finden würde, der Fabian herauskauft aus seinem Vertrag.

Die Bilanz seiner drei Spiele: zwei Tore, drei Vorlagen

Es fand sich aber keiner, und dem Vernehmen nach wollte Fabian auch nicht zwingend, dass sich einer fand.

Stattdessen verschwand das eine oder andere Kilo vom Leib, er überwand das übliche Fremdeln mit der neuen Kultur - und stieg plötzlich binnen weniger Wochen vom Fehleinkauf zur prägenden Figur auf. Seit dem dritten Spieltag steht der Mexikaner in der Startelf, seit dem dritten Spieltag zählt er stets zu den besten Akteuren. Beim 2:1 gegen Leverkusen erzielte er ein Tor selbst und bereitete ein anderes vor. Beim 2:0 in Ingolstadt leitete er kurz vor der Halbzeit das Führungstor ein.

Und nun beim 3:3 gegen Berlin war er wieder der beste Frankfurter. Bei fast allen Offensivaktionen war er involviert. Das Tor zum zwischenzeitlichen 1:1 erzielte er selbst, als er bei einem Konter eine weite Hereingabe stark gegen Gegenspieler Marvin Plattenhardt behauptete und abschloss (39.). Und bei Meiers Abprall-Treffer war einer von Fabians guten und scharfen Eckbällen der Ausgangspunkt.

"Er schwimmt gerade einfach auf einer Welle", sagt sein Trainer Kovac. Die Welle könnte noch ein wenig andauern, und die Gefahr, dass Fabian Avancen aus der Sockenindustrie erliegt, ist auch vergleichsweise gering.

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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