Eintracht Frankfurt:Ein bisschen träumen

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Obwohl sich im Klub wenig geändert hat, sieht Armin Veh für sein zweites Engagement in Frankfurt bessere Perspektiven als bei seinem ersten Versuch.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Es ist wirklich eine große Überraschung, aber als Armin Veh am Montag zum ersten Mal seit etwa einem Jahr wieder als Cheftrainer von Eintracht Frankfurt spricht, verzichtet er tatsächlich darauf, den Gewinn der ersten deutschen Meisterschaft des Klubs seit 1959 als Saisonziel auszurufen. Auch Überlegungen bezüglich einer baldigen Teilnahme an der Champions League stellt er nicht an. Nicht einmal die Qualifikation zu Europa League, Uefa-Cup oder Messepokal gibt er als Parole aus. Stattdessen beschränkt sich Veh bei seiner Präsentation auf einen harmlosen Gedanken: "Wir wollen über Jahre ein bisschen träumen und etwas erreichen, was nicht jeder erwartet."

Freunde fürs Leben, wieder vereint: Frankfurts Sportdirektor Bruno Hübner, Trainer Armin Veh und Vorstandschef Heribert Bruchhagen (von links). (Foto: imago)

Das klingt für einen Verein wie Eintracht Frankfurt nach der normalsten Sache der Welt. Andererseits aber gibt es in diesem Fall eine Vorgeschichte. Bis vor einem Jahr war Veh schon einmal Trainer in Frankfurt, ein bei den Fans beliebter und ein recht erfolgreicher, der den Klub aus der zweiten Liga in den Europapokal führte. Vor einem Jahr aber hat er deutlich zu verstehen gegeben, dass er am Main keine gescheite Perspektive sehe. In schönster Vehscher Zuspitzung mündete das damals in dem Bekenntnis, er wolle einfach noch mal Meister werden. Warum er dann zum VfB Stuttgart wechselte? Das ist eine andere Geschichte. Nun also sitzt er wieder in einem Frankfurter Hotel, gerade hat er im Beisein von Eintracht-Vorstandschef Heribert Bruchhagen einen Zwei-Jahres-Vertag unterschrieben. Veh scheint noch immer - oder schon wieder - in bester Urlaubsstimmung zu sein. Das Gesicht ist braun gebrannt, die Zahl der Falten laut eigener Schätzung gesunken. Und die Zahl der lockeren Sprüche ist konstant hoch. Zugleich aber muss Veh irgendwie erläutern, was sich bei diesem Klub so entscheidend verändert hat. Denn in der groben Draufsicht sind Unterschiede zwischen der Eintracht im Frühsommer 2014 und der Eintracht im Frühsommer 2015 kaum festzustellen. Die Eintracht ist noch immer die Eintracht, geführt mit Bruchhagenscher Erdung, bei der keine finanziellen Wagnisse zu erwarten sind, und es wäre eine forsche These, die Qualität des Kaders als bedeutend höher einzustufen. Zentrale Spieler wie Sebastian Rode, Pirmin Schwegler und Sebastian Jung gingen einst mit Veh weg, Dauer-Torschütze Alex Meier fällt verletzt bis in den Herbst aus. Zudem gab es trotz Rang neun in der Abschlusstabelle zuletzt viele Misstöne rund um die Eintracht, vor allem im Verhältnis zwischen Mannschaft und Vorgänger Thomas Schaaf. Nun bedürfe es "integrativer Fähigkeiten", wie Bruchhagen sagt. Aber zwei Elemente für etwas mehr Perspektive und Träumerei hat Veh dann doch gefunden. Der Etat, berichtet er, betrage künftig nicht mehr 30 Millionen Euro wie damals, sondern 35 Millionen Euro. Veh schränkt zwar gleich ein, dass das keine Welten sind, in der Budgettabelle macht Frankfurt so keinen großen Satz nach vorne, aber mit den paar Prozent mehr, "da lässt sich schon etwas bewegen". Vielleicht lassen sich sogar einstige Stützen wie Schwegler (Hoffenheim) oder Jung (Wolfsburg) zur Rückkehr bewegen. Vehs zweites Argument: An der Spitze des Aufsichtsrates steht neuerdings Wolfgang Steubing, ein Börsenmakler. Diesem wird nicht nur ein gutes Verhältnis zum alten, neuen Trainer nachgesagt, er rüttelte auch gleich nach seiner Wahl die Erinnerung an die letzten Europapokal-Reisen der Eintracht wach: "Porto und Bordeaux, das war wirklich nicht schlecht." In einem Jahr soll in Frankfurt die Bruchhagen-Ära enden, mit Verantwortlichen wie Steubing oder Finanzvorstand Axel Hellmann (gilt als Kandidat für die Bruchhagen-Nach- folge) könnte sich eine neue wirtschaftliche Herangehensweisen ergeben. Bis dahin ist zumindest garantiert, dass sich Veh und Bruchhagen in ihren liebevollen Neckereien gegenseitig antreiben. Zum Auftakt seiner zweiten Frankfurter Amtszeit musste Veh trotz vieler pfiffiger Bemerkungen den Preis für den besten Spruch dann doch noch Bruchhagen überlassen: "Wenn es keine Liebe gibt, dann kann auch nichts rosten", sagt der Vorstandschef auf die Frage, ob die Rückkehr des Trainers unter jenem Motto stehe, wonach eine alte Liebe unvergänglich sei. Und vielleicht kann Veh im Rahmen des Fußball- und Tabellenbildes von Bruch- hagen mit der Eintracht dann doch wieder etwas gewinnen. Vielleicht sogar einen Titel holen. Sind doch laut Bruchhagen bekanntlich die Top sechs der Bundesliga mehr oder minder fest zementiert - und ist Rang sieben so etwas wie die deutsche Meisterschaft des kleinen Mannes. Ein Abschneiden in dieser Tabellenregion peilen sie in Frankfurt mit Veh an der Spitze dann doch wieder an.

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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