Dortmund - Köln (18 Uhr):Erste kleine Schritte

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Wird nach dem Foul von Arsenals Torwart Victor Ospina voraussichtlich sechs bis acht Wochen fehlen: Kölns Nationaspieler Jonas Hector. (Foto: Dan Mullan/Getty Images)

Nach dem abenteuerlichen Ausflug nach London sammelt Kölns Trainer Stöger positive Indizien, auf denen er aufbauen kann.

Von Sebastian Fischer, London

Kölner sind bekanntlich leidenschaftliche Geschichtenerzähler, und etliche von ihnen haben seit diesem Donnerstag in London mindestens eine Geschichte mehr, die sie den nachkommenden Generationen hinterlassen werden. Tausende Fans des 1. FC Köln, die vor der Rückkehr ihres Klubs nach 25 Jahren in den Europapokal friedlich durch die Straßen zogen, denen Menschen am Fenster zuwinkten, weil sie so nette Lieder sangen: "Bye bye my love, mach et jot, bes zom nächste Mol." Tausende, die es ins Stadion schafften und nach der absehbaren 1:3-Niederlage beim FC Arsenal vom Stadionsprecher zum Gehen aufgefordert wurden, aber einfach weitersangen, als müssten sie sich selbst immer wieder vergewissern: "Wir spielen wieder im Europapokal!"

Es gibt wohl kaum jemanden, der von diesem Abend zu Hause negative Geschichten erzählen wird. Denn die paar Dutzend Menschen, über die am Ende jede Zeitung schrieb, weil sie gewaltsam ins Stadion und in den Gästeblock einzudringen versuchten und damit die Verzögerung des Anpfiffs provozierten, sind zum Geschichtenerzählen intellektuell wahrscheinlich nicht fähig. Trotzdem mussten sie sich beim 1. FC Köln sehr bemühen, das Positive zu sehen. Und das lag nicht nur daran, dass die Uefa mitteilte, wegen der Umstände des Spiels Ermittlungen einzuleiten. Es lag auch an einem Fußballer, der als einziger Kölner eine wirklich negative Geschichte mit nach Hause brachte.

Hector drohen sechs Wochen Pause

Jonas Hector hat sich noch nicht geäußert vor dem Sonntagsspiel des FC bei Borussia Dortmund (18 Uhr), er wird dort nicht spielen. Das Reden über den Nationalspieler übernahm am Freitag sein Trainer. "Das tut mir persönlich natürlich sehr, sehr leid für Jonas", sagte Peter Stöger. Da hatte eine MRT-Untersuchung soeben ergeben, dass Hector sich einen Riss des Syndesmosebands am rechten Sprunggelenk zugezogen hatte, er wird voraussichtlich sechs bis acht Wochen fehlen. Er war am Donnerstag nach 32 Minuten ausgewechselt worden, nachdem ihn Victor Ospina, der Torwart des FC Arsenal, gefoult hatte. Nur weil das Spiel bereits abgepfiffen war, gab es keinen Elfmeter. Hector humpelte vom Platz.

Die sportliche Analyse des Abends war im Kölner Lager durchaus hoffnungsvoll ausgefallen, trotz der vierten Niederlage im vierten Spiel seit dem Bundesligastart. "Wir haben Dinge, die wir in den letzten Wochen vielleicht nicht ganz so gut gemacht haben, heute besser gemacht. Der Glaube ist auf jeden Fall da, zumindest nach so einer Halbzeit", sagte Stöger. Er sagte, das Spiel sei ein "Schritt nach vorne" gewesen.

In der Tat hatten sich die Fans der Gunners am Donnerstag nicht nur verwundert die Augen gerieben, weil im Clock End des Stadions Tausende Kölner hüpften und sangen und für eine Stimmung sorgten, die das gediegene Publikum des FC Arsenal nicht gewohnt ist. Sondern auch, weil der als Tabellenletzte angereiste Gast aus Germany verdient in Führung ging - und diese Führung zunächst verteidigte. Vieles, was in den ersten drei Ligaspielen schlecht war, sah in London zwar nicht ästhetisch, aber nach dem erfolgreichen Fußball aus der Vorsaison aus. Die Kölner ließen kaum Chancen zu und wirkten gefestigt im Mittelfeld. Dort liefen erstmals in dieser Saison drei Sechser auf, Matthias Lehmann, Marco Höger - und Hector.

Estmals in dieser Saison wirkte das FC-Mittelfeld stabil

Die Rolle des Nationalspielers in Köln ist durchaus umstritten, weil sie eine andere ist als in der Vorsaison und in der Nationalelf. Hector ist beim FC kein Linksverteidiger mehr, sondern die zentrale Figur im Mittelfeld. Das soll seine Bedeutung für den FC beweisen, ihm Rückhalt geben. Allerdings war seine auffälligste Szene der Spielzeit bislang ein Ballverlust gegen Hamburg, der zum Gegentor führte. In London überzeugte er erstmals in dieser Saison, spielte kaum Fehlpässe, war oft anspielbar. Überhaupt schien das defensive Kölner Mittelfeld angesichts des spielstarken Gegners zur Form zurückzufinden.

Doch nun fällt Hector lange aus, zum ersten Mal überhaupt in seiner Profikarriere. Und Stöger muss umstellen bei der Dortmunder Borussia, gegen die der Trainer in sechs Duellen noch ohne Niederlage ist. In London wechselte er Milos Jojic ein, der allerdings taktisch kaum äquivalente Aufgaben übernehmen kann. "Mal schauen, wie die Jungs am Sonntag mental drauf sind. Und dann werden wir auch entscheiden, wie wir auflaufen", sagte Stöger. Der Österreicher hatte vor dem Saisonstart versucht, die Erwartungen an seine Mannschaft gering zu halten. Doch mit einem derartigen Fehlstart, der dem Klub nun droht, haben wohl selbst Pessimisten nicht gerechnet.

Stöger hat freilich noch ein paar Indizien gesammelt, die für einen Positivtrend sprechen. Stürmer Jhon Cordoba hat sein erstes Tor erzielt. Innenverteidiger Jorge Meré, der erstmals von Beginn an spielte, habe das "ordentlich gemacht". Und Hector, da kann sich Stöger immerhin sicher sein, wird nach seinem verfluchten Abend keine schlechte Stimmung verbreiten. Der Saarländer ist zwar längst im Rheinland integriert. Doch als leidenschaftlicher Geschichtenerzähler ist er nicht bekannt.

© SZ vom 17.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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