Doping in Westdeutschland:Doping mit politischer Unterstützung

Doping in Westdeutschland: Armin Klümper ist im Alter von 84 Jahren in Kapstadt gestorben.

Armin Klümper ist im Alter von 84 Jahren in Kapstadt gestorben.

(Foto: imago)
  • Der Freiburger Arzt Armin Klümper hat in Westdeutschland in einem Umfang Dopingpraktiken angewendet, "die weit über das bekannte Maß hinausgehen".
  • Zu diesem Schluss kommt ein neues Gutachten und deckt die ganze Dimension der dunklen Machenschaften Klümpers auf.

Er war der Guru mit Weltruf und für viele Athleten der verehrte Wunderheiler: Professor Dr. Armin Klümper. In dem Gutachten über den Freiburger Sportmediziner, das der Deutschen Presse-Agentur (dpa) exklusiv vorliegt, kommt der Autor Andreas Singler zu dem Schluss, dass Klümper in Westdeutschland in einem Umfang Dopingpraktiken angewendet hat, der "weit über das bekannte Maß" hinausgehe. Er habe in der Bundesrepublik Deutschland "wie kein anderer aktiv am Doping der Sportler" mitgewirkt.

Die Freiburger Praxis des heute in Südafrika lebenden 81 Jahre alten Klümpers war von Ende der 1960er Jahre bis 2000 Anlaufstelle für Spitzensportler, die verletzt waren oder laut Studie wissentlich und unwissentlich von ihm gedopt wurden. Berühmt war sein "Klümper-Cocktail", der eine Vielzahl von Substanzen enthielt. "Klümper rezeptierte und verabreichte Dopingmittel augenscheinlich im großen Stil über Jahrzehnte hinweg", schreiben Singler und sein Co-Autor Gerhard Treutlein. Er sei damit für Weltrekorde, Medaillen und Spitzenleistungen mitverantwortlich, die ohne Dopingmaßnahmen vor dem Hintergrund der damaligen internationalen Entwicklung undenkbar gewesen seien.

Die Singler-Studie über das westdeutsche Dopingsystem und Klümper als vielleicht den Hauptakteur wird aktuell von der Dissertation des Pharmazeuten Simon Krivec untermauert. Darin haben 31 frühere Leichtathleten Anabolikadoping zwischen 1960 bis 1988 eingeräumt.

Das von der Universität Freiburg in Auftrag gegebene Gutachten deckt erstmals die ganze Dimension der dunklen Machenschaften von Klümper auf, beschreibt aber nicht nur dessen "zentrale Rolle" im Dopingsystem der Bundesrepublik, sondern zugleich das ihm zuträgliche "System organisierter Unverantwortlichkeiten". Klümpers Wirken sei nicht dauerhaft zu realisieren gewesen, "ohne politische Unterstützung und ohne ein breites institutionelles Stillhalten, etwa von Strafverfolgungsbehörden", erklärt Singler. Zu denen, die wegschauten, zählen für ihn auch Deutscher Sportbund, Nationales Olympisches Komitee oder Bundesinnenministerium.

Klümper belieferte auch die Fußballer des VfB Stuttgart mit Anabolika

"Klümpers hohe Innovationsbereitschaft als Sportmediziner sorgte genau für die Entlastung, die all jene Co-Akteure des Dopings benötigen, um selbst nicht direkt zum Mittäter zu werden", urteilt Singler. Er habe nicht allein für das komplexe und föderale westdeutsche Dopingsystem gestanden. Aber angesichts der hohen Patientenzahlen, darunter fast die gesamten, ihn verteidigenden damaligen Spitzenathleten sowie einer "über alle Maßen hinaus ungewöhnlichen politischen Unterstützung" sei niemand sonst als Einzelperson so wichtig gewesen: "Klümper ist die zentrale Bad Bank des westdeutschen Sports gewesen, in die (fast) alle doping-kontaminierten Handlungs- und Wissenszertifikate seiner Kooperationspartner ausdelegiert werden konnten."

Belegt mit zahlreichen Dokumenten aus Archiven und rund 100 Zeitzeugeninterviews werden Klümpers zum großen Teil schon bekannte Dopingaktivitäten dargestellt. So die "dopinggestützte Systembetreuung" der Kaderathleten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) vor Olympia 1976 in Montreal. Klümper war damals Verbandsarzt des BDR, der die Medikation bezahlte. Auch Anabolika-Lieferungen unter anderen an den damaligen Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre konnten von Singler nachgewiesen werden.

Das mehr als 500 Seiten lange Gutachten ist das letzte Ergebnis der Aufklärung zur Doping-Vergangenheit an der Universität in Freiburg. Ein dunkler Schatten wurde durch das Zerwürfnis der Evaluierungskommission mit der Uni geworfen, die sich vor einem Jahr auflöste. Die Veröffentlichungen sind zudem durch einen Streit zwischen Autor und der Hochschule um die Honorierung begleitet.

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