ARD-Dokumentation:Wurde ein Dopingfall im Fußball vertuscht?

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Eine neue Dokumentation der ARD belastet nun auch Russlands Regierung. Im Zentrum: Sportminister Witalij Mutko höchstpersönlich.

Von Johannes Knuth, München

Russlands führende Leichtathleten und Funktionäre haben in diesen Tagen viel zu tun. Sie sind ungewohnt auskunftsfreudig, halten Tage der offenen Tür ab, im Moskauer Anti-Doping-Labor etwa. Eine massive Kampagne rollt da durch die Sportwelt, gesteuert von einer amerikanischen PR-Agentur. Seht her, so die Botschaft, wir haben uns gewandelt. Russlands Leichtathletik wurde im vergangenen November von der Welt-Anti-Doping-Agentur ja eine "tiefwurzelnde Kultur des Betrugs" attestiert, orchestriert von Trainern, Funktionären und dem Geheimdienst. Am 17. Juni entscheidet der Leichtathletik-Weltverband IAAF nun, ob der seitdem kollektiv gesperrte russische Verband vor den Sommerspielen in Rio begnadigt wird.

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Sportminister Witalij Mutko warb jetzt noch einmal mit einem unwiderstehlichen Reformpaket um Vertrauen. Er will Fachkräfte aus Sport und Medizin künftig in Anti-Doping-Klassen schulen, denn: Alle müssten verstehen, so Mutko, dass Doping "nicht akzeptabel" sei.

Vielleicht sollte sich Mutko selbst noch einmal für die eine oder andere Schulung einschreiben. Der ARD-Journalist Hajo Seppelt will am Mittwoch (22.45 Uhr) in einer Dokumentation jedenfalls neue Belege vorlegen, wonach auch Russlands Regierung den Betrug choreografierte, allen voran ein gewisser Witalij Mutko (was Mutko bis zuletzt bestritt). Der Sportminister soll auch veranlasst haben, dass ein Dopingfall in Russlands höchster Fußballliga vertuscht wurde. Außerdem will die ARD, die vor zwei Jahren in einer Dokumentation den großflächigen Dopingmorast in Russland freilegte, Aufnahmen präsentieren, die zeigen, wie gesperrte Trainer weiterhin Top-Athleten betreuen.

Neue Details zu einem rätselhaften Tod

Einer dieser Trainer ist offenbar Wiktor Tschegin. Tschegin leitete jahrelang die nationale Geher-Hochburg in Saransk, seine Athleten holten bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften viel Edelmetall nach Russland. Im vergangenen März wurde Tschegin dann lebenslang gesperrt, zwei Dutzend seiner Athleten waren mittlerweile wegen Dopings aufgeflogen, darunter Sergej Kirdjapkin, Olympiasieger 2012 über 50 Kilometer Gehen, und Olga Kaniskina, die in London Silber über 20 Kilometer gewann. Der russische Verband berief im April dann sowohl Kirdjapkin als auch Kaniskina in sein vorläufiges Aufgebot für Rio, sollte Russlands Bann denn rechtzeitig aufgehoben werden. Letzteres dürfte nun immer unwahrscheinlicher werden.

Offenbar gibt es auch neue Details zum rätselhaften Tod von Nikita Kamajew, einst Geschäftsführer der russischen Anti-Doping-Agentur (Rusada). Kamajew kontaktierte im vergangenen November, zehn Wochen nach seinem Rücktritt bei Rusada, irische Journalisten und dänische Wissenschaftler. Er wolle seine Memoiren schreiben, sie sollten signifikant mehr von Russlands Dopingsystem zeigen als bisherige Enthüllungen. Ob irgendjemand als Co-Autor mitmachen wolle? Den neuen Erkenntnissen zufolge wollte Kamajew in seinem Buch nicht nur die mittlerweile an die Öffentlichkeit gespülte Betrugsorgie der Winterspiele 2014 Sotschi freilegen, sondern auch systemischen Betrug bis in die Zeiten der Sowjetunion nachzeichnen.

Wenn die Journalisten weitere Informationen benötigten, sagte Kamajew den dänischen Wissenschaftlern damals, sollten sie sich an Wjatscheslaw Sinew wenden, seinen Vorgänger. Kurz darauf, am 3. Februar, starb Sinew plötzlich, angeblich wegen Herzproblemen. Elf Tage später war auch Kamajew tot.

© SZ vom 08.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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