Diskus:"Ich habe meine Beine nicht mehr gemerkt"

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Schon in der Qualifikation gescheitert: der Olympiasieger von 2012 Robert Harting (Foto: REUTERS)

Ein kurioser Hexenschuss stoppt Diskus-Olympiasieger Robert Harting in der Qualifikation. Ob er mit dem Sport aufhört, will er nun im Urlaub entscheiden.

Von Johannes Knuth, Rio de Janeiro

Robert Harting drehte sich noch einmal um, er schaute kurz auf die Tafel, auf der gleich das Urteil verkündet werden würde. Aber Harting wusste längst, dass sie keine guten Nachrichten für ihn bereithalten würde. Sein Diskus war matt durch den Nieselregen im Olympiastadion von Rio geflogen, 62,21 Meter wurden es am Ende, bei seinem einzig gültigen Versuch in der Qualifikation. Er blieb einen halben Meter von einer Weite entfernt, die ihm die Zulassung für den Endkampf verschafft hätte. Das Finale der zwölf besten Diskuswerfer, die letzte Etappe auf dem langen Pfad zu seinen letzten Spielen, war beendet, bevor sie begonnen hatte.

Harting, Olympiasieger von 2012, eine von zwei, drei deutschen Goldkandidaten in Rio, hatte vor knapp zwei Jahren beim Joggen einen Kreuzbandriss erlitten. Er hatte sich durch kleinere und größere Tiefen zurück in seinen Sport gekämpft, Mitte Juni wurde er mit 68,04 Metern wieder deutscher Meister. Es war eine Weite, die eigentlich noch nicht in ihm steckte. Das nährte die Hoffnung, die jüngere und fittere Konkurrenz in Rio noch einmal zu überlisten. Am Mittwoch saß er dann im Bett, "ich hab' meinen Lichtschalter mit dem Fuß ausgemacht, meine Wand ist nur einen Meter entfernt, das ist ja keine große Anstrengung", erzählte er: "Dann war ich kurz überrascht, weil ich plötzlich ein Ziehen hatte. Aber wie oft hat man das als Sportler?" Am Donnerstag entpuppte sich das Ziehen dann als Hexenschuss. Die Ärzte versorgten ihn mit Spritzen und Schmerzmitteln, das beruhigte die Muskeln, dämmte aber auch seine Kraft. Harting redete sich eine Stärke ein, die er nicht mehr besaß. Der erste und dritte Versuch waren zu kurz, der zweite landete neben dem Sektor. "Ich habe heute einfach meine Beine nicht mehr gemerkt. Da war kein Feuer da", sagt er. Und dann fehle irgendwann auch die Kraft im Kopf, nach dem dritten oder vierten Comeback in den vergangenen Jahren. Harting sagte: "Der Kopf ist einfach erschöpft."

Der Schmerz, der von innen kommt, ist der Schlimmste, und deshalb war es wenig verwunderlich, dass Harting sich am Freitag tief in seinem Frust vergrub. "Ich muss erst mal ein paar Tage Urlaub machen und dann ein paar klare Gedanken fassen", sagte der 31-Jährige. Das klang irgendwie nach Abschied, wobei Harting derartige Pläne später selbst entkräftete.

"Wenn ich wieder ein bisschen zu mir finde, sportlich, dann geht das alles weiter", sagte er. "Denke ich." Er wird sich das Finale am Samstag trotzdem anschauen, sein Bruder Christoph schaffte am Freitag die Qualifikation (65,41), auch Daniel Jasinskis 62,83 Meter reichten. "Ein Harting kann eine Medaille noch holen", sagte Robert, der Ältere.

Ein unwirklicher Weltrekord über 10 000 Meter

Es war am Ende ein turbulenter Vormittag im nassgrauen Olympiastadion von Rio. Die Äthiopierin Almaz Ayana hatte die Leichtathletik-Wettbewerbe mit einem unwirklichen Weltrekord im Finale über 10 000 Meter eröffnet, ihre 29:17,45 Minuten waren knapp 14 Sekunden schneller als die Marke von Junxia Wang, 1993 erschaffen. Die Chinesin hatte der, vorsichtig gesagt, mäßig beleumundeten Gruppe des Trainers Ma Junren angehört. Die Unbekümmertheit, mit der Ayana nun in dieses verminte Gebiet vorstieß, weckte in der schwer belasteten Leichtathletik am Freitag freilich neue Zweifel. Als sie nach diesen Zweifeln gefragt wurde, sagte die Äthiopierin: "Mein Doping sind hartes Training und der Glaube an Jesus."

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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