DFB-Team:Wer darf mit?

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Bundestrainer Löw hat vor der WM in Russland die Qual der Wahl. Neue Namen drängen sich auf, zum Beispiel Leipzigs Timo Werner und Mönchengladbachs Ausnahmestürmer und Spielführer Lars Stindl, die beim Confed-Cup brillierten.

Von Philipp Selldorf

Im Frühling 2017 schien es eine Art Strafexpedition zu sein, die dem Bundestrainer und seiner Nationalmannschaft im Sommer bevorstand: Der Confederations Cup in Russland hatte hierzulande den Ruf einer sportlich wertlosen und auch sonst höchst überflüssigen Veranstaltung, die sich unersättliche Fifa- Funktionäre ausgedacht hätten, um noch mehr Geld zu machen. Das Argument, dem Gastgeber der nächsten Weltmeisterschaft durch das Turnier eine Generalprobe zu ermöglichen, fand kein Gehör. "Machen wir dann nächstes Mal beim Oktoberfest auch einen Testlauf?", spottete Schalkes Manager Christian Heidel. "Abschaffen", verlangte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge.

Ein paar Monate später saßen dann knapp 15 Millionen Deutsche vor dem Fernseher, um die Nationalmannschaft im Finale des Confed Cups zu erleben. Dass diese Spieler eine seriöse deutsche Nationalmannschaft bilden könnten, hatten viele nicht glauben wollen, als Bundestrainer Joachim Löw den Kader nominierte. Der seltsame Vogel Sandro Wagner? Der Grünschnabel Benjamin Henrichs? Timo Werner, Marvin Plattenhardt und Lars Stindl? Und das alles unter der Aufsicht eines Kapitäns namens Julian Draxler? Die Operation Confed Cup würde mit dieser Aushilfsauswahl wohl schnell zu Ende sein, prophezeite mancher Experte.

Bekanntlich kam es anders. Der Confed Cup war für den Bundestrainer ein Geschenk, das ihn immer noch glücklich macht. Nicht, weil sein Name seit dem 1:0-Sieg im Endspiel gegen Chile in der Siegerliste verzeichnet ist. Sondern weil er und seine Spieler unbezahlbare Erfahrungen gemacht haben; persönliche Fortschritte, die sie selbst staunen ließen. Lars Stindl und Timo Werner zum Beispiel hätten vielleicht auch ohne den Confed Cup Zugang zum Nationalteam gefunden. Aber bei den wenigen Zusammenkünften der DFB-Elf wären sie dort womöglich bloß als flüchtige Erscheinungen vorgekommen. Der Confed Cup hat aus ihnen ernstfallerprobte Marken-Nationalspieler gemacht, denen man jederzeit vertrauen kann - auch beim nächsten Turnier in Russland, der WM 2018. Mancher Spieler, der 2014 noch Weltmeister wurde, könnte es schwer haben gegen die Sieger- Generation von 2017.

Löw wird im kommenden Mai einen harten Job machen müssen, wenn er den Kader für die Weltmeisterschaft zusammenstellt. Er darf lediglich 23 Spieler mitnehmen, diese Obergrenze ist nicht verhandelbar und setzt den Bundestrainer unter Entscheidungsdruck wie nie zuvor in seinen dann zwölf Jahren Tätigkeit als oberster deutscher Fußball- Lehrer. Der Kreis der engeren Kandidaten für die 23 Plätze dürfte bei 40 bis 50 Personen liegen, konservativ geschätzt. Zum Vergleich: Als Rudi Völler 2002 zur Weltmeisterschaft nach Südkorea und Japan und 2004 zur Europameisterschaft nach Portugal reiste, hatte er noch Probleme, das Mindestmaß des Personalbestandes zu erfüllen. Joachim Löw erwartet "den härtesten Konkurrenzkampf, den wir je erlebt haben - seitdem ich dabei bin, war die Auswahl noch nie so groß". Was er unter anderem dem allseits verpönten Test- Turnier zu verdanken hat.

Sollte Joachim Löw sein Ziel verwirklichen und den Weltmeistertitel verteidigen, dann wird sich bestimmt niemand mehr beschweren, wenn irgendwann im Jahr 2021 ein deutsches Nationalteam ins Morgenland aufbricht: zum Confed Cup in Katar.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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