VfL Wolfsburg im DFB-Pokal:Weg vom Image käuflicher Liebe

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Die Spieler des VfL Wolfsburg wollen jetzt in Berlin den BVB schlagen, um zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den DFB-Pokal zu gewinnen. (Foto: REUTERS)
  • Der VfL Wolfsburg gilt in der Branche noch immer als Inbegriff der artifiziellen Emotion. Vom Einzug in das Pokalfinale verspricht sich der Klub einen großen Schub.
  • Nun soll sich Gladbachs Max Kruse für einen Wechsel nach Niedersachsen entschieden haben.
  • Bei Endspiel-Gegner Borussia Dortmund könnte es längst nicht nur für Jürgen Klopp das letzte Spiel im Verein sein.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld

Kurz nach dem Schlusspfiff stand der Arminia-Fußballer Fabian Klos vor der Tribüne der singenden Bielefelder Anhänger und riss sich zusammen, um nicht vor Rührung in Tränen auszubrechen. Niemand war sauer, weil der Drittligist gegen den Bundesligisten VfL Wolfsburg im Halbfinale des DFB-Pokals mit 0:4 verloren hatte. Alle waren stolz. "Solche Fans", sagte der Mittelstürmer Klos, "kann man nicht kaufen."

Es muss kein Zufall gewesen sein, dass Bielefelds Kapitän nach einer Niederlage gegen die Volkswagen-Tochter VfL Wolfsburg käufliche Liebe im Fußball thematisiert hat. Der Wolfsburger Fußball, den Klos von 2009 bis 2011 zwei Jahre lang in der VfL-Regionalliga-Mannschaft von innen miterlebt hat, gilt in der Branche noch immer als Inbegriff der artifiziellen Emotion. Wenn Wolfsburg am 30. Mai im Berliner Olympiastadion nun der Pokalfinal-Gegner von Borussia Dortmund ist, dann rechnet BVB-Trainer Jürgen Klopp mit einer gelb-schwarzen Dominanz auf den Tribünen - es sei denn: "VW gibt an diesem Tag dem ganzen Werk frei."

Wie vielen Mitarbeitern der Konzern frei gibt, ist für den deutschen Fußball nicht halb so relevant wie die Frage, wen der Konzern als nächstes in die VfL-Mannschaft kauft. Max Kruse, der bei Borussia Mönchengladbach einen Vertrag bis 2017, darin aber für diesen Sommer eine Ausstiegsklausel über zwölf Millionen Euro besitzt, soll sich laut Medienberichten für einen Wechsel nach Wolfsburg entschieden haben. Er behält seine Pläne noch für sich, fest steht aber, dass Kruse perfekt ins Puzzle beim VfL passen könnte. Anders als die aktuellen Offensivkräfte Nicklas Bendtner oder Bas Dost ist Kruse über seine Torgefahr hinaus ein extrem laufbereiter Mit-Spieler.

Dies konnte der VfL erst vorigen Sonntag erfahren, als Marathonmann Kruse am Ende das späte 1:0 für die Borussia gelang. Gemeinsam mit Kevin De Bruyne könnte Kruse ein gefährliches Duo bilden. Zumindest das Interesse wird von VfL-Manager Klaus Allofs via kicker bestätigt: "Ja, wir beschäftigen uns mit ihm, wissen aber auch, dass wir nicht alleine sind. Kruse ist ein Stürmer mit einem anderen Profil als die Stürmer, die wir haben." Gladbach, so erklärte Manager Max Eberl am Freitag, liege kein offizielles Angebot für Kruse vor; aber das dürfte nur noch eine Frage von Tagen sein.

Der zunehmend attraktive Fußball des VfL Wolfsburg könnte durch repräsentative Erfolge in der Champions League für eine wachsende Akzeptanz des Klubs sorgen. So glaubt und hofft der Geschäftsführer Klaus Allofs, dass sich das Image der Wolfsburger verändert. Der VfL-Manager hält da schon den Einzug ins Pokalfinale für hilfreich. "Ich glaube, dass der VfL Wolfsburg tief in einer Schublade steckt - aber dieser Final-Einzug gibt uns einen unheimlichen Schub."

Bayern München ist bereits Meister, aber Pokalsieger wird diesmal ein anderer. Erstmals seit drei Jahren wird es keinen Double-Gewinner geben (2012 Dortmund, 2013 und 2014 München), und erstmals seit drei Jahren steht der FC Bayern nicht im Pokalfinale. Wolfsburg sprengt die jüngste Dominanz des FCB und des BVB. In der Liga ist der VfL als Zweiter derzeit erster potenzieller Thronfolger der Münchner. Die Dortmunder sind es nicht mehr, und es deutet noch nicht viel darauf hin, dass sie es schon in der kommenden Saison wieder werden.

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Während für die Wolfsburger am 30. Mai in Berlin der zweite Titel der Vereinsgeschichte auf dem Spiel steht (nach der mit Felix Magath gewonnenen Meisterschaft 2009), könnte es für Dortmund noch darum gehen, sich überhaupt für die Europa League zu qualifizieren. Bei einem Pokalsieg wäre die Teilnahme gesichert, bei einer Niederlage führt der Weg nur über die Bundesliga - dazu aber müsste mindestens Platz sieben erreicht werden. Zwei Wochen vor dem Finale spielen die Dortmunder am vorletzten Spieltag in der Liga schon einmal gegen den VfL - in Wolfsburg. Das wird die Generalprobe für ein Finale, das angesichts des offensiven Stils zweier mit vielen schnellen Profis besetzter Teams ein spektakuläres Ereignis zu werden verspricht. Klaus Allofs glaubt: "Die Siegchancen stehen 51:49 für uns."

Spielerisch und gemessen am bisherigen Saisonverlauf mag Allofs Recht haben, allerdings unterschätzt er dabei womöglich mutwillig den emotionalen Charakter dieses 319. und letzten Pflichtspiels des BVB unter seinem scheidenden Trainer Klopp. So ein Abschied kann zusätzliche Kräfte freisetzen, und man weiß zudem noch nicht einmal, ob das Pokalfinale nicht auch ein Abschiedsspiel für die Profis Ilkay Gündogan und/oder Mats Hummels wird. Gündogan teilte wenige Stunden, nachdem er am Dienstagabend den ersten BVB-Versuch im Halbfinal-Elfmeterschießen beim FC Bayern ins Netz gesetzt hatte, öffentlich mit, dass er seinen 2016 endenden Vertrag nicht verlängern und spätestens dann den BVB verlassen werde. Ein Wechsel bereits in diesem Sommer gegen eine Ablösesumme steht aber ebenfalls im Raum.

"Mit dem Laster um den Borsigplatz"

Gleichfalls diskutiert wird die Zukunft von Mats Hummels, der einer neuen Herausforderung nicht abgeneigt zu sein scheint. Während der VfL Wolfsburg seine zumeist trefflich funktionierende Mannschaft punktuell weiter verstärkt, herrscht bei Borussia Dortmund noch Ungewissheit über den Kader der kommenden Spielzeit. Unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel droht eine Übergangssaison zugunsten eines Neuaufbaus.

Ein allgemeines Abschiedsszenario hat Jürgen Klopp bereits skizziert, als er kürzlich wehmütig sagte, er wolle im Sommer "gerne noch einmal mit dem Laster um den Borsigplatz fahren". Auf einem LKW-Anhänger stehen traditionell die Dortmunder Fußballer, wenn sie einen Titel gewonnen haben. Den Borsigplatz in Dortmund, an dem in einer Kneipe im Jahre 1909 der Verein gegründet worden ist, füllen dann Zehntausende BVB-Fans und jubeln der Mannschaft zu. Die Wolfsburger zeigen höchstes Verständnis für solche Dortmunder Ambitionen. "Sie sollen ja ruhig um den Borsigplatz fahren", sagt der Manager Allofs. "Halt nur ohne Pokal."

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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