DFB-Pokal, 2. Runde:Löwen gelingt Pokal-Coup

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Torhüter Gabor Kiraly sichert 1860 München gegen seinen ehemaligen Klub Hertha BSC Berlin einen 6:3-Erfolg nach Elfmeterschießen und den Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals.

Markus Schäflein

"Gabor Kiraly", brüllte der Stadionsprecher. "Gabor Kiraly", sangen die Fans. Doch der Held des Abends war nicht mehr zu sehen. Nachdem Radhouene Felhi den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte, verschwand der Torwart mitsamt seiner grauen Jogginghose im Freudenberg seiner Mitspieler. Er hatte dem Fußball-Zweitligisten TSV 1860 in der Verlängerung gegen seinen früheren Verein, den Erstligisten Hertha BSC, mit zahlreichen Paraden das 2:2-Remis gerettet - und dann auch noch im Elfmeterschießen den ersten Berliner Strafstoß von Gojko Kacar pariert. Am Ende gewann 1860 mit 6:3 (2:2, 1:0).

Vor dem Spiel hatte es den neuen Stadionsong des TSV zu hören gegeben. "Du bist mein Verein", heißt er, und das Duo Den and Ben lässt sich darin zu der gewagten Prognose hinreißen: "Und bald wirst du, mein Verein, wieder deutscher Meister sein." Einen ähnlich klangvollen Titel können die Löwen vorerst allerdings nur im DFB-Pokal erreichen; zudem gab es schon für einen Sieg in der zweiten Runde 500.000 Euro zu gewinnen, und nach dem Fehlstart in die Liga konnten die Münchner einen Pokalerfolg zur Wiesnzeit auch gut brauchen, um das traditionell zur Panik neigende Umfeld ruhig zu stellen. Die Hertha, das zittrige Tabellenschlusslicht der Bundesliga, kam da wie gerufen und präsentierte sich lange Zeit wie erwartet: schwer angeschlagen. Dass es am Ende überhaupt so spannend wurde, das hatte sich 1860 selbst zuzuschreiben.

Nach der blamablen Leistung von Aachen (0:2) hatte 1860-Trainer Ewald Lienen seine Mannschaft umgestellt. Wie immer, wenn bei 1860 Verunsicherung herrscht, kehrte Robustverteidiger Torben Hoffmann ins Team zurück, er ersetzte Mate Ghvinianidze. Auf den zuletzt mangelhaft besetzten Außenpositionen im Mittelfeld duften sich wieder einmal die jungen Tarik Camdal und Sandro Kaiser beweisen, für sie wichen Pappas und Rösler. Für Aufsehen sorgte Lienen mit der Entscheidung, den unter großem Getöse angeworbenen und bislang enttäuschenden Offensivspieler Alexander Ludwig erstmals auf die Bank zu versetzen; der Trainer baute wieder auf eine Doppelsechs mit Mathieu Beda neben Ignjovski. Der TSV 1860 begann in dieser defensiven Grundausrichtung betont vorsichtig, überließ den Berlinern in den ersten Spielminuten das Feld.

Geschenkte Führung

Zum Führungstor mussten die Löwen ohnehin nicht viel beisteuern: Herthas Innenverteidiger Rasmus Bengtsson bugsierte den Ball nach einem Eckstoß, bei der ersten Chance des Spiels überhaupt, ins eigene Tor (10.). Die Berliner hatten sämtliche Merkmale der Verunsicherung im Programm, vom Fehlpass über den Schuss in den zweiten Rang bis zum falschen Einwurf. Den Löwen reichte eine konzentrierte und disziplinierte Leistung, um das Geschenk der Führung in Ehren zu halten; zeitweise deuteten sie sogar ihr Interesse an einem weiteren Treffer an. Dabei tat sich Camdal als Bereicherung auf dem Flügel hervor, mit jenem Kampfgeist, den Lienen zuletzt in der Mannschaft vermisst hatte; mit schnellem Antritt und Mut zu Dribblings holte er seiner Mannschaft immer wieder clever Freistöße heraus. Die einzige Chance für die Berliner hatte in der 24. Minute der Brasilianer Cícero, der an Kiraly scheiterte.

Nur vier Minuten nach Wiederanpfiff fiel stattdessen das 2:0. Sandro Kaiser, die zweite Neubesetzung auf den Flügeln, hatte Kenny Cooper geschickt; der Stürmer, der seinen Anlagen entsprechend in der Zentrale besser aufgehoben ist als zuletzt als Außenangreifer, traf mit einem satten Schuss zum 2:0. Die Partie wurde nun hektischer, Hertha drängte vehement, aber zunächst einfallslos aufs Anschlusstor. Lienen wollte mit Ghvinianidze für Beda und Ludwig für Cooper mehr Sicherheit einwechseln.

Doch diese Wechsel brachten keinen Erfolg, ganz im Gegenteil. Während die Löwen in der Offensive nun versuchten zu zaubern und sich dabei Ballverluste erlaubten, gerieten sie in der Defensive zunehmend unter Druck. Nun demonstrierten die Berliner ihre spielerische Überlegenheit. In der 76. Minute verwertete Adrian Ramos einen Abpraller nach Schuss von Maximilian Nicu zum Anschlusstor. Und in der 80. Minute köpfelte der eingewechselte Valeri Domovchiyski den Ball nach einer Flanke von Lukasz Piszczek gegen die Laufrichtung von Kiraly ins lange Toreck.

Kurz vor Ende der regulären Spielzeit brachte Lienen den jungen Angreifer Peniel Mlapa für den enttäuschenden Benjamin Lauth. Im 4-5-1-System hing Mlapa aber meist in der Luft, für die Löwen geriet die Verlängerung zu einer Abwehrschlacht. Hertha BSC hatte eine Vielzahl von Großchancen, das Spiel zu gewinnen. Kiraly parierte unter anderem gegen Dardai (104.), Nicu (108.) und Bengtsson (109.). Als 1860 versuchte, den Ball mit Querpässen in den eigenen Reihen zu halten, ging Kacar dazwischen und schickte Ramos; der Angreifer lief ungedeckt aufs Tor zu, scheiterte mit schwachem Schuss an Kiraly. "Gabor Kiraly", brüllte der Stadionsprecher zum ersten Mal an diesem Abend; "Gabor Kiraly", sangen die Fans, als kündigten sie an, was kommen würde.

© SZ vom 24.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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