DFB-Gegner Schottland:Betrübte Bravehearts

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0:1 in Tiflis: Schottlands Steven Fletcher nach der Niederlage gegen Georgien. (Foto: REUTERS)
  • Nach dem 0:1 in Georgien fürchten die Schotten vor dem Spiel gegen Deutschland um die EM-Qualifikation.
  • Schottland droht als einziger Vertreter der britischen "home nations" die Endrunde in Frankreich zu verpassen.
  • Die Probleme sind vor allem struktureller Natur.

Von Raphael Honigstein, Glasgow

Als "free hit" hatten der seriöse Scotsman und andere Blätter den Besuch des Weltmeisters im Hampden Park zu Beginn der Länderspielwoche frohen Mutes deklariert: als einen Freischuss ohne negative Konsequenzen, weil gegen Deutschland sowieso niemand einen erfolgreichen Versuch erwartete und ohne Punktgewinn kalkuliert wurde.

Nach dem betrüblichen 0:1 in Georgien am Freitagabend ist Schottlands Nationalmannschaft jedoch unversehens auf Platz vier der Gruppe D abgerutscht - an das falsche Ende des Schießstands, um im Bild zu bleiben. Das Team des Trainers Gordon Strachan darf sich von den Deutschen am Montagabend nicht empfindlich treffen lassen, wenn aus 17 langen Jahren ohne Turnierteilnahme nicht 19 werden sollen. "Wir müssen unbedingt etwas mitnehmen, um dabei zu bleiben", sagte der sonst recht impulsive Nationaltrainer recht vorsichtig.

Immer auf der Suche nach der Bananenschale

Strachan, 58, hat in zweieinhalb Jahren auf der Bank der Bravehearts mit offensiver Spielweise und einigen Achtungserfolgen eine Menge Hoffnung geschürt. Die Niederlage in Tiflis gegen eine Elf, die zuvor nur Gibraltar in der EM-Qualifikation geschlagen hatte, brachte umso größere Betrübnis über den Norden der Insel, gerade mit Blick auf die erfolgreichen Nachbarn in England, Wales und Nordirland. Schottland droht als einziger Vertreter der britischen "home nations" die Endrunde in Frankreich zu verpassen.

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"Die Leute suchen bei uns immer nach der Bananenschale, auf der wir als Nächstes ausrutschen. Unser Job ist es, anders zu denken", hatte Kapitän Scott Brown (Celtic Glasgow) vor dem Match in der überhitzen Boris-Paichadze-Arena gewarnt. Doch die mit zahlreichen Mittelklassespielern aus der unteren Hälfte der englischen Premier League bestückte Mannschaft war gegen die braven Georgier zu keinem einzigen Schuss aufs Tor gekommen.

Zu den qualitativen Mängeln auf dem Platz hatten sich nach dem Schlusspfiff noch organisatorische Versäumnisse gesellt. Die Chartermaschine kam erst mit vier Stunden Verspätung in Tiflis an, mitten in der Nacht mussten die Spieler sieben Stunden lang in engen Economy-Sitzen zurückfliegen, während es sich die Verbandsfunktionäre vorne auf den besseren Plätzen gemütlich machten. "Der schottische Verband kann von sich nicht behaupten, auch nur entfernt seriöse Arbeit zu leisten", schrieb der Observer.

Gordon Strachan fand derweil mit seiner zweckoptimistischen Analyse des Desasters wenig Anklang beim vergrätzten Publikum in der Heimat. "Es war nicht unser Abend", sagte der frühere Celtic-Trainer: "Wie ein Golfer, der gut spielt, aber knapp den Putt verpasst, waren wir immer ein paar Zentimeter von einem guten Abschluss entfernt."

In Wahrheit fehlten den Gästen gegen die tief verteidigenden Georgier elementare fußballerische Mittel. Daran trägt wiederum nicht allein Strachan die Schuld, der als technisch versierter Spieler für Aberdeen und die Nationalmannschaft die glorreichen Achtzigerjahre mitprägte. Die Probleme sind vor allem struktureller Natur. Die SPL (Scottish Premier League) erzielt jährlich nur 22 Millionen Euro mit dem Verkauf der Fernsehrechte, zudem fehlt in den Rangers aus Glasgow schon seit drei Jahren der Rekordmeister als ebenbürtiger Gegner von Celtic: Die Rangers mussten wegen Insolvenz 2012 in die dritte Liga absteigen.

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Die Finanzschwäche wirkt sich stark auf die Ausbildung der Nachwuchsspieler aus, deshalb bedient sich die von Geld geflutete Premier League im Süden des Vereinigten Königreichs lieber anderswo. Es ist lange her, dass ein Schotte bei einem englischen Spitzenteam Stammspieler war. Und ein Ausnahmetalent wie Gareth Bale (Wales) hat Strachan derzeit auch nicht zur Verfügung.

Im Duell mit der DFB-Elf wird der Coach entgegen seines Naturells sein Glück wohl mit Konterfußball versuchen. Das Spiel ohne Ball könnte seinem verunsicherten Team aktuell leichter fallen, besonders mit der Unterstützung des Publikums. 2003 reichte es in der EM-Qualifikation immerhin zu einem 1:1 gegen Rudi Völlers Team, damals saß noch Berti Vogts in Glasgow auf der Bank. Es waren andere, auch nicht unbedingt bessere Zeiten - und die Gefahr ist auch jetzt wieder groß, dass die Schotten ihr Comeback auf der internationalen Bühne verschieben müssen.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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