DFB-Chef Theo Zwanziger:Verhöhnung der Opfer

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Theo Zwanziger leistet sich einen unsäglichen Vergleich zwischen der Schiedsrichter-Affäre und den jüngsten Missbrauchsfällen - und kassiert dafür vor Gericht zu Recht eine Niederlage.

Thomas Kistner

Wie war das?

"Weniger Öffentlichkeit ist gut, mehr Delegieren ist gut." So sprach Theo Zwanziger am Freitag, nachdem ihn seine Vorständler mit einer Art Politbüro-Votum aufgepäppelt hatten. "Ich will versuchen, das umzusetzen!" Dann ging er hinaus in die Öffentlichkeit, um sich die erste juristische Ohrfeige in der Affäre Amerell einzufangen. Denn der neue, angeblich besonnenere Zwanziger gab zu verstehen, dass die Aufklärungsarbeit seines DFB deutlich flotter voranschreite als die der von Missbrauchsfällen erschütterten Kirche.

In der Stunde Null, mit einem formalen Vertrauensbeweis in der Tasche, hat Zwanziger gezeigt, dass er auch anders kann: schlimmer. Ein Vergleich der juristisch völlig offenen Affäre Amerell mit dem Kindesmissbrauch in katholischen und privaten Einrichtungen wäre nicht mal statthaft, wenn es am Ende zu einer Verurteilung des Ex-Schiedsrichterfunktionärs käme.

Hier bliebe wohl stets ein Mysterium: Wie freie Erwachsene, die von ihrem mentalen Anforderungsprofil her in Fußballstadien bestehen sollen, ohne echten Widerstand in sexuelle Notlagen gerieten aus Angst, in ihrem Hobby an Boden zu verlieren. Dort aber bleiben die traumatischen Zwangserlebnisse minderjähriger Internatszöglinge, die ihren Peinigern einst wehrlos ausgeliefert waren. Zwanzigers Vergleich ist unerträglich; er verhöhnt die Opfer.

Zugleich ist er höchst aufschlussreich. Mit dem Verweis auf die Vorgänge um die Kirche entlarvt der DFB-Boss seinen kopflosen Aktionismus in der Schiedsrichter-Affäre, der ihn ja erst in diese Bredouille gebracht hat, als das, was es ist: Verfolgungseifer. Niemand wird dem DFB anlasten, dass er einen Funktionär loswerden wollte, der sein Amt missbraucht hat. Das Problem ist, dass er bei der Fallbehandlung sehr schnell jedes Maß verlor, unter anderem das rechtsstaatliche.

Die rote Karte des Richters macht Zwanziger nun zur peinlichen Figur. Sie zeiht ihn der Trittbrettfahrerei bei einem Thema, das zur Zeit das ganze Land bewegt. Vielleicht beginnen ja nun diejenigen, die Zwanziger kürzlich noch so imposant stützten, ernsthaft nachzudenken. Darüber, ob die Formkrise des Mannes an der Spitze von 6,5 Millionen DFB-Mitgliedern noch reparabel ist.

© SZ vom 18.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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